Digitalisierung Wie der Digitale Zwilling die Entwicklung von Windkraftanlagen vereinfacht

Redakteur: Dipl.-Ing. (FH) Monika Zwettler

Für die Energiewende spielen Windkraftanlagen eine zentrale Rolle – besonders wichtig sind Offshore-Windanlagen. Solche Windkraftanlagen auf dem Meer aufzubauen ist aber äußerst kompliziert. Ein Ingenieurbüro aus Osnabrück nutzte einen Digitalen Zwilling, um den Bau bestmöglich zu überwachen.

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Die Konstruktion von Offshore-Windkraftanlagen ist nicht trivial: Sie müssen Wind und Wellen standhalten.
Die Konstruktion von Offshore-Windkraftanlagen ist nicht trivial: Sie müssen Wind und Wellen standhalten.
(Bild: Aveva)

Erneuerbare Energien haben heute bereits einen Anteil von 44 % am nationalen Strommix. Windenergie macht dabei mit 26 % und einer Leistung von 110 TWh den zweitgrößten Anteil der erneuerbaren Energien aus. Die Offshore-Windenergie könnte dabei künftig eine besonders wichtige Rolle spielen. Laut einer Studie der Internationalen Energieagentur könnte die Offshore-Windkraft zu einem der wichtigsten Märkte weltweit werden.

Entwicklung der Anteile erneuerbarer Energien
Entwicklung der Anteile erneuerbarer Energien
(Bild: AGEE-Stat / Umweltbundesamt)

Offshore-Anlagen müssen standhaft konstruiert werden

Offshore-Windkraftanlagen müssen Stand halten: Weder Wind noch Wellen dürfen sie aus dem Gleichgewicht bringen. Einen solchen Windpark aufzubauen, ist also kein leichtes Unterfangen. Neben den Windrädern müssen auch die Umspannplattform sowie der Netzanschluss vor der Küste im Meer verankert werden. Im Windpark Trianel vor Borkum stehen zurzeit 80 Windkraftanlagen, die rund 400 MW Strom produzieren – ohne dabei CO2 auszustoßen.

Eine Windkraftanlage misst vom Meeresboden bis zur Blattspitze 178 m. Es ist unabdingbar, dass diese Windräder fest im Boden verankert sind, schließlich sollen sie weder vom Wind noch von den Meeresströmungen umgerissen werden.

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Wie stellt man eine Windkraftanlage auf stabile Füße?

Deswegen stehen im Windpark Trianel alle Windräder auf sogenannten Tripods. Durch drei Stahlbeine sind sie fest mit dem Festlandsockel verbunden. Die Tripods sind jeweils 30 m hoch – in Verbindung mit dem zentralen Stahlrohr messen sie 50 m und sind über sogenannte Piles im Meeresboden verankert.

Die Tripods wurden vom Ingenieurbüro Schlattner aus Osnabrück konstruiert. Das Ingenieurbüro war auch für das komplizierte Innenleben der Stahlfüße verantwortlich. Eine besondere Herausforderung war es, die Rohrleitungen in den Tripods kollisionsfrei zu verlegen.

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Wie es in den Tripods aussieht

  • Das Hauptrohr hat einen Durchmesser von 6 m, es verschmälert sich jedoch nach unten.
  • Die drei Beine besitzen jeweils einen Durchmesser von 4 m.
  • In den Füßen mussten neben den Stromkabeln auch Leitungen für die Betonpumpe untergebracht werden. Die Betonfüllungen sind notwendig, um die Stahlrohre, mit denen die Tripods im Boden verankert sind, zu stabilisieren. Die Betonrohre sind doppelt-redundant eingebaut, um bei einer Verstopfung auf ein anderes ausweichen zu können.
  • Die Betonleitungen schlängeln sich wie Rutschen im Schwimmbad in den Tripods.
  • Dazwischen sind die Stromkabel verbaut, die zum Einsatz kommen, sobald die Windkraftanlage Strom produziert. Über diese 12 cm dicken Kabel wird der Strom vom Rotor über die Tripods zur Umspannplattform und schließlich an Land transportiert, um ins Netz eingespeist zu werden.

Mit dem Digitalen Zwilling die Konstruktion im Blick haben

Die Verlegung der Stromkabel ist sehr kompliziert, denn Knicke könnten Probleme verursachen. Beim Design mussten die Ingenieure mit verschiedenen Leitern, Plattformen und Verstrebungen insgesamt 3244 individuelle Designelemente für jedes Tripod anpassen.

Hier kommt der Digitale Zwilling ins Spiel: Mit dem dreidimensionalen, digitalen Spiegelbild der Tripods in Bezug auf Daten und Informationen können Ingenieure einzelne Einheiten oder Bauteile im Kontext der gesamten Anlage betrachten und anpassen.

Änderungen einfach am Digitalen Zwilling vornehmen

Nachdem das erste Tripod designt wurde, konnten Änderungen ganz einfach in der Software des Digitalen Zwillings vorgenommen werden – ohne weitere 79 Tripods zeichnen zu müssen. Die benötigten Bauteile fasst die Software in einer Liste zusammen und exportiert sie zu Excel. Auf Grundlage der Übersichtszeichnung kann die Software außerdem die Detailzeichnungen auf Knopfdruck liefern. Zusammen mit allen zugehörigen Informationen wie Positions- und Zuordnungsnummern, Materialangaben, Geometriedaten, Profilschnittdetails wie Wandstärke und Durchmesser sowie allen Anschlüssen erleichterte diese Automatisierung die tägliche Arbeit ungemein.

Berechnung und visuelle Prüfung ergänzen sich

Per Mausklick können die Ingenieure von der 2D auf eine 3D-Ansicht wechseln. So lässt sich visuell noch einmal überprüfen, ob alle Leitungen und Rohre berührungsfrei verlegt werden können. Die visuelle Überprüfung gibt den Ingenieuren neben ihren Berechnungen zusätzliche Sicherheit. Eine Software, wie etwa die von Aveva, für einen Digitalen Zwilling sollte verschiedene Dateiformate unterstützen, sodass Projektdaten leicht konvertiert und von Teams verschiedener Disziplinen verwendet werden können. Dies erleichtert später auch die Übergabe an die Baufirma.

Nachdem die Windräder auf festen Tripod-Füßen standen, konnten auch die Windkraftanlagen errichtet werden. Der Windpark versorgt nun rund 200.000 Haushalte mit klimaneutraler Windenergie.

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Über Aveva

Aveva ist ein Anbieter von Industriesoftware, der die digitale Transformation über den gesamten Kapital- und Betriebszyklus kapitalintensiver Industrien vorantreibt.
Die Lösungen des Unternehmens für Maschinenbau, Planung, Betrieb, Anlagenleistung sowie Überwachung und Kontrolle sind bei über 16.000 Kunden weltweit im Einsatz. Der Hauptsitz von Aveva befindet sich in Cambridge, Großbritannien. Das Unternehmen beschäftigt über 4.400 Mitarbeiter an 80 Standorten in über 40 Ländern.

www.aveva.com

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