Kostenschätzung im Anlagenbau Wie Sie die Finanzierung im Anlagenbau erfolgreich planen

Von Ibrahim Kar; Michael Berz*

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Gelungene Anlagenbauprojekte haben eines gemeinsam: Eine saubere Kostenplanung. Verantwortliche müssen die Investitionskosten korrekt berechnen, um Entscheidungen treffen zu können. Die wichtigsten Schritte der Kostenschätzung im Anlagenbau.

(Bild: Vogel)

Investitionsprojekte im Anlagenbau werden nach dem klassischen Projektlebenszyklus ausgeführt. Der Projektlebenszyklus beginnt mit dem sogenannten Appraise Phase (FEL-1) und schließt in der Execute Phase mit der Übergabe des Projektes bzw. der Anlage an den Betrieb (Operation) ab (siehe Bild). Innerhalb dieser beiden Stadien befindet sich das Projekt in verschiedenen Entwicklungszyklen (Select und Define sowie Execute) mit unterschiedlichen Entwicklungsfortschritten.

In der Bildergalerie finden Sie die wichtigsten Begrifflichkeiten der Kostenschätzung für Anlagenbauprojekte kompakt beschrieben.

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In der Appraise Phase (FEL-1) ist es die Hauptaufgabe des Projektteams den Leistungsumfang des Projektes in Form eines Konzeptes zusammenzufassen. Dazu müssen u.a. folgende Dokumente erstellt werden:

  • Leistungsbeschreibung des Projektes (Scope of Work)
  • Vorläufige Wärme- und Stoffbilanz
  • Vorläufiger Aufstellungsplan
  • Level -1-Terminplan
  • ±50% Cost Estimate

Bei der Erstellung des ±50% Cost Estimates ist es möglich, verschiedene Methoden heranzuziehen:

  • Factorised
  • Auf vergleichbare Projekten zurückgreifen oder
  • Material-Take-Off (Stücklisten) basiert.

Die Appraise Phase endet mit dem sogenannten Decision Gate 1. Grundsätzlich wird bei den Decision Gates konstruktiv das Engineering, die Kostenschätzung sowie der Terminplan hinterfragt. Nach dem erfolgreichen Review, welches auch die Einhaltung der Geschäftsziele inkludiert, „geht“ das Projekt in die Select Phase über.

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„Kostenschätzung im Anlagenbau“ stellt die Grundlagen der Kostenschätzung bei der Planung, Materialbeschaffung und Errichtung von Anlagen vor. Veranschaulicht wird die Vorgehensweise anhand eines Beispielprojekts sowie durch zahlreiche Vorlagen und Begleitdokumente. Leser, die eine digitale Version bevorzugen, können die Dokumente separat als frei editierbare Dateien erwerben.

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In der Select Phase (FEL-2) ist es die Hauptaufgabe des Projektteams, den Leistungsumfang des Projektes differenzierter zusammenzufassen, Schwerpunkt hierbei ist die Variantenuntersuchung. Hierzu sind u.a. folgende Dokumente zu erstellen:

  • Leistungsbeschreibung des Projektes (Scope of Work)
  • Wärme- und Stoffbilanz
  • Vorläufiger Aufstellungsplan
  • Level -3-Terminplan
  • Vorläufige Rohrleitungsliste
  • Anfragen für Budget-Angebote
  • Equipment Datenblätter
  • +/-30% Cost Estimate

Analog wie zum Decision Gate 1 steht zum Ende der Select Phase Decision Gate 2 an. Nach dem erfolgreichem Review, geht das Projekt in die Define Phase über.

(Bild: Vogel)

In der Define (FEL-2) Phase ist es die Hauptaufgabe des Projektteams das Liefer- und Leistungsumfang festzulegen („Scope freeze“). Dazu müssen u.a. folgende Dokumente erstellt werden:

  • Leistungsbeschreibung des Projektes (Scope of Work)
  • Wärme- und Stoffbilanz
  • Aufstellungsplan
  • Level-3-Terminplan
  • Finale Equipment Spezifikation
  • Finale Rohrleitungsliste
  • Anfragen für +/-10% Angebote
  • Equipment Datenblätter
  • +/-10% Cost Estimate

Die Define Phase schließt mit Decision Gate 3 ab. Nach dem erfolgreichen Absolvieren des Decision Gate 3 wird mit Final Invest Decision (FID) das komplette Projektbudget freigegeben.

In der Execute Phase findet das Detail Engineering sowie die Materialbeschaffung und der Bau der Anlage statt. Das Projekteende ist mit der Übergabe der Anlage einschließlich der Leistungsüberprüfung an den Betrieb erreicht (Operate).

Neben dem Cost Estimate ist in jeder Projektentwicklungsphase für das Projekt folgende essentiellen Kostenschätzungsbegleitdokumente mit zu erstellen, damit die Basis und die Fakten für alle Stakeholder plausibel und transparent sind:

  • Estimating Plan
  • Basis of Estimate
  • Cost Estimate bestehend aus dem Summary Block und dem Detail Block
  • Key Quantities
  • Escalation sowie der
  • Projektcheckliste.

Viele detaillierte Informationen zum Thema Kostenschätzung im Anlagenbau finden Sie im neuen Fachbuch, das keinem Cost Engineer fehlen sollte.

Glossar: Die wichtigsten Begriffe der Kostenschätzung im Anlagenbau
  • Appraise-Phase: Erste Phase eines Projektes (Projektstart). Während dieser Phase wird für das Projekt das Planungskonzept, eine ±50 %-Kostenschätzung sowie ein Terminplan erstellt. Zum Abschluss erfolgt ein Gate Review, in dem das Projekt sowohl technisch als auch finanziell konstruktiv hinterfragt wird. An die Appraise-Phase schließt sich die Freigabe für den Start der Select-Phase an.
  • Basis of Estimate: Die BoE fasst die Projektdetails zusammen und dokumentiert die Annahmen und Ausschlüsse für die Kostenschätzung, die in dem Cost Estimate getroffen wurden.
  • Cost-Estimate: Kostenschätzung. Eine Kostenschätzung enthält einen Estimating-Plan, eine Basis of Estimate, Cost Estimate Summary, Cost Estimate Details und Key-Quantities.
  • Define-Phase: Dritte Phase eines Projektes. Während dieser Phase wird für das Projekt für die aus der Select-Phase gewählte Variante eine Grundlagenplanung ausgearbeitet. Diese umfasst eine ±10 %-Kostenschätzung sowie einen Terminplan. Zum Abschluss erfolgt ein Gate Review, in dem das Projekt sowohl technisch als auch finanziell konstruktiv hinterfragt wird. An die Define-Phase schließt sich die Freigabe für den Start der Execute-Phase mit Final Investment Decision an. In der Regel wird im weiteren Projektverlauf kein Cost Estimate erstellt.
  • Escalation: Zeitlich bedingte Preissteigerung durch Ansteigen der Löhne, Rohstoffkosten usw.
  • Estimating-Plan: Der Estimating-Plan fasst das Vorgehen, die geplanten Preisquellen sowie die Termine für die Erstellung der Kostenschätzung zusammen.
  • Execute-Phase: Vierte Phase eines Projektes. In dieser Phase finden in der Regel die Detailplanungs- (Detailengineering), die Beschaffungs- (Procurement) sowie die Construction- (Bau und Installation) und Inbetriebnahme-Aktivitäten (Commissioning) statt.
  • Final Investment Decision (FID): Freigabe des Investitionsbudgets nach der Define-Phase.
  • Material Take Off (MTO): Stückliste. Jedes im Projekt involvierte Fachgewerk erstellt ein MTO mit mindestens folgenden Informationen: Kategorie (wie Bauwesen oder Rohrleitungsbau), Leistungsbeschreibung (zum Beispiel Erdaushub maschinell oder Rohr mit Nenndurchmesser DN100), Material und Anzahl.
  • Operate-Phase: Übergabe der Anlage an den Betreiber.
  • Select-Phase: Zweite Phase eines Projektes. Während dieser Phase werden für das Projekt auf Basis des Planungskonzeptes aus der Appraise-Phase verschiedene Varianten weiter ausgearbeitet und eine ±30 %-Kostenschätzung sowie ein Terminplan erstellt. Zum Abschluss erfolgt ein Gate Review, in dem das Projekt sowohl technisch als auch finanziell konstruktiv hinterfragt wird. An die Select-Phase schließt sich die Freigabe für den Start der Define-Phase an.
  • ±50 % Cost Estimate: ±50 % Cost Estimates (Class 5) sind üblicherweise in der Appraise-Phase eines Projektes zu erstellen. Zu diesem Zeitpunkt ist nur das Hauptequipment eines Projektes bekannt. Für ±50 % Cost Estimates eignen sich besonders gut die beiden Methoden «Factorised Cost Estimates» und die «Cost Estimates auf Basis von vergleichbaren Projekten».
  • Facorised Cost Estimate: Bei Factorised Cost Estimates geht es immer darum, anhand von wenigen bekannten Kosten auf die Gesamtkosten eines Projektes zu schließen. Dieser Weg der Abschätzung eignet sich für ±50 % Cost Estimates und nur für den Equipment-gebundenen Anteil, d.h. die Kosten für das Equipment inkl. der anderen Gewerke (wie Massivbau, Stahlbau, Rohrleitungsbau usw.) und die Planungsleistungen – alles bezogen auf den ISBL-Abschnitt.
  • ±30 % Cost Estimate: ±30 % Cost Estimates (Class 4) sind üblicherweise in der Select-Phase eines Projektes zu erstellen. Zu diesem Zeitpunkt sind unter anderem neben dem Hauptequipment auch die Aufstellungsorte und der prinzipielle Rohrleitungsverlauf ohne die Utilities eines Projektes bekannt. ±30 % Cost Estimates werden normalerweise auf Basis von Material Take Off (MTO)» erstellt.
  • ±10 % Cost Estimate: ±10 % Cost Estimates (Class 2) sind üblicherweise in der Define-Phase eines Projektes zu erstellen. Zu diesem Zeitpunkt sind unter anderem neben allem Equipment auch die Aufstellungsorte und der Rohrleitungsverlauf eines Projektes bekannt. Bei ±10 % Cost Estimates kommen normalerweise MTO-basierte Cost Estimates zum Einsatz.
  • Key Quantities: Schlüsselmengen/Stückzahlen der einzelnen Gewerke. Die Key-Quantities-Liste fasst die Stückzahlen des Gesamtprojektes zusammen. Durch die Key-Quantities-Liste ist die Mengennachverfolgung durch alle Projektphasen hinweg transparent. Daher ist eine solche Aufstellung zum Abschluss jeder Projektphase (auch nach Detailengineering) zu vervollständigen.

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Dieser Beitrag erschien zuerst auf unserem Partnerportal Process.de.

* Ibrahim Kar war nach seiner Ausbildung zum Technischen Zeichner und seinem Studium als Entwicklungsingenieur als Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Projektmanager und Project Service Engineer tätig. Seine derzeitigen Tätigkeitsschwerpunkte bei der Royal Dutch Shell umfassen Kosten, Controlling und Physikalischen Progress.

* Michael Berz ist bei Worley Projects im Bereich Project Services als Discipline Head Cost Estimator für die Erstellung und Präsentation von TIC-Estimates in verschiedenen Projektphasen für Kunden in der Chemie und Petrochemie verantwortlich.

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