Engineering Konstruktion trifft Berechnung

Autor / Redakteur: Monika Zwettler / Dipl.-Ing. (FH) Monika Zwettler

Wenn ein Pilot für seinen ersten Flug ins Cockpit steigt, sitzt jeder Handgriff. Kein Wunder, denn er hat diese Tätigkeiten schon lange trainiert - im Flugsimulator. Auch Chirurgen planen Eingriffe an 3D-Grafiken, Chemiker designen neue Moleküle und Konstrukteure testen das Crashverhalten von Fahrzeugen – die traditionellen Vorgehensweisen von Versuch und Irrtum werden damit zunehmend durch realitätsnahe Computersimulationen ersetzt.

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Berechnungen sind heute nicht mehr den reinen Spezialisten vorbehalten – so kann der Konstrukteur seine Entwürfe bereits frühzeitig absichern und die Produktentwicklungsprozess verschlanken.
Berechnungen sind heute nicht mehr den reinen Spezialisten vorbehalten – so kann der Konstrukteur seine Entwürfe bereits frühzeitig absichern und die Produktentwicklungsprozess verschlanken.
(Bild: semisatch - Fotolia.com)

Auch in der Produktentwicklung hat sich die Simulation als eine zeit- und kosteneffektive Alternative zu physikalischen Tests erwiesen, da sie die Einbeziehung einer größeren Anzahl von Entwicklungsoptionen in kürzeren Zeitrahmen ermöglicht. Heute sind Unternehmen bestrebt, die Nutzung von Simulation weiter auszudehnen, indem sie sie zu einem noch früheren Zeitpunkt in den Entwicklungsprozess einbeziehen. Auch bei PTC, Anbieter von PLM-Lösungen, sieht man diesen Trend. „Simulationen werden frühzeitiger im Entwicklungsprozess durch den Entwickler/Konstrukteur durchgeführt. Dies ist durch die verbesserte CAD-Integration der Simulationswerkzeuge möglich geworden“, erläutert Urs Simmler, M-CAD-Simulation-Spezialist bei PTC.

CAE-Werkzeuge ergänzen traditionelle Konstruktion

So haben sich die Methoden des traditionellen Konstruktionsprozesses verändert. Im Maschinenbau etwa stützt sich dieser üblicherweise auf die Erfahrungen von vorhergehenden Maschinengenerationen. Zunächst wird mit Hilfe dieser Erfahrungen ein Prototyp erstellt und anschließend getestet. Weitere Verbesserungen sind in der Folge nur noch auf der Basis des Prototyps möglich und werden unter dem Druck kurzer Entwicklungszeiten oftmals erst in der Serienproduktion bzw. beim Kunden vor Ort vorgenommen. So führt dieser Konstruktionsprozess häufig nur zu geringen Verbesserungen, letztendlich aber zu einer sehr teureren und zeitaufwändigen Produktentwicklung. Sollen Qualität und Funktionalität der Maschinen erhöht und gleichzeitig der Entwicklungsprozess effizienter und kostengünstiger gestaltet werden, liegt die mögliche Lösung in der Ergänzung des traditionellen Konstruktionsprozesses durch den Einsatz moderner rechnergestützter Entwicklungsinstrumente. Darunter versteht man CAE-Werkzeuge wie 3D-CAD-Systeme, Simulationsprogramme und spezielle Programme zur Erzeugung und zur Auswertung der numerischen Modelle.

Der Konstruktionsprozess wird multidisziplinär

Prof. Dr.-Ing. Peter Köhler lehrt am Institut für Produkt Engineering/CAE der Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Ingenieurwissenschaften, Abt. Maschinenbau. Auch er bestätigt einen Wandel im Konstruktionsprozess, bekräftigt aber gleichzeitig, dass Bewährtes noch gültig ist: „Aus konstruktionsmethodischer Sicht ist festzustellen, dass die grundlegenden, seit Jahrzehnten bewährten Ansätze zur Lösungsfindung und zur Prozessbeherrschung, die u.a. in VDI-Richtlinien festgehalten wurden, prinzipiell nach wie vor gültig sind.“ Dennoch seien in der praktischen Umsetzung stets die aktuellen Methoden des Informations- und Wissensmanagements und den damit eng verknüpften Methoden zum Aufbau virtueller Realitäten zu berücksichtigen. Noch stärker als bisher ist laut Prof. Köhler allerdings zu berücksichtigen, dass sich Konstruktionsprozesse immer weiter zu multidisziplinären Produktentwicklungsprozessen wandeln.“

Eine Veränderung, die man auch bei Siemens PLM Software bemerkt. Dipl.-Ing. Peter Scheller, Marketing Director NX bei Siemens PLM Software: „Die Produkte werden zunehmend komplexer und erfordern ein engeres Zusammenspiel von Mechanik, Elektronik sowie der verwendeten Software. Darüber hinaus variieren die Anforderungen an Softwarelösungen je nach Industrie sehr stark. Daher ist auch die Nachfrage nach branchenspezifischen Tools in den letzten Jahren gestiegen. “

Gestiegene Leistungen

Ein Aspekt, der aus Expertensicht zum steigenden Einsatz von CAE-Werkzeugen führte, ist die gestiegene Rechenleistung. So ermöglicht die Leistungsfähigkeit der Rechner heute komplexe Simulationen auf normalen CAD-Rechnern, weiß Urs Simmler. „Zudem sind heutige Berechnungsmodelle um ein Vielfaches detailgetreuer als noch zu Beginn dieses Jahrhunderts“, erklärt Volkmar Schönfeld, Senior Sales Representative Simulia bei Dassault Systèmes. Er bezeichnet die Entwicklung in der Berechnung eher als eine evolutionäre denn revolutionäre, weil die auf Finiten-Elementen basierende Theorie grundsätzlich heute noch wie vor 30 und 40 Jahren gelte. Die allgemein zu beobachtende Leistungssteigerung sowohl in Bezug auf die Software-Lösungen als auch hinsichtlich der Hardwarekomponenten ermöglicht laut Prof. Köhler einen weiteren Trend: das simultane Entwickeln, also die parallele Bearbeitung von Aufgaben mit dem Ziel, die Entwicklungszeiten vor allem bei Neuprodukten deutlich zu verkürzen. So könne aus Prozesssicht festgehalten werden, dass die stets steigende Leistungsfähigkeit von Hardware und Softwarewerkzeugen auch notwendige Veränderungen der Ablauforganisation unterstützen, so dass beispielsweise Parallelisierungen von Teilprozessen, das sogenannte Simultaneous Engineering, oder qualifizierte Konzeptabsicherungen in frühen Entwicklungsphasen (Front Loading) möglich wurden.

Simulationstools integriert

Die Simulation hat sich ihren Platz in der Produktentwicklung gesichert, Berechnungen sind nicht mehr den reinen Spezialisten vorbehalten. So kann der Konstrukteur seine Entwürfe bereits frühzeitig absichern, wie Prof. Köhler ausführt: „Nahezu alle leistungsfähigen CAD-Systeme, vor allem im Bereich der FEM, bieten integrierte Simulationstools, deren Lösungsmöglichkeiten allerdings gegenüber den speziellen Simulationswerkzeugen etwas eingeschränkt sind. Der Konstrukteur hat damit aber schon die Möglichkeit, durch konstruktionsbegleitende Berechnungen und Simulationen die Designentwürfe besser abzusichern, sodass die Anzahl eventueller Iterationsschleifen im Konstruktionsprozess verringert werden kann.“

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