Kreislaufwirtschaft Getreidereste ersetzen Plastik: Start-up wird mit Gründerpreis ausgezeichnet

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Folien, Beschichtungen, Besteck: Den Kunststoff-Anteil in all diesen Produkten will das Start-up Traceless Materials aus Hamburg mit dem Bio-Granulat „Traceless“ ersetzen – ein Naturstoff, der die Eigenschaften von Plastik hat, aber in der Natur vollständig kompostierbar ist – und spurlos verschwindet.

Traceless Materials hat einen biozirkulären Werkstoff entwickelt, der das Zeug dazu hat, Plastik zu ersetzen.
Traceless Materials hat einen biozirkulären Werkstoff entwickelt, der das Zeug dazu hat, Plastik zu ersetzen.
(Bild: traceless)

Die Hamburgerin Dr. Anne Lamp (31) hat der weltweiten Plastikverschmutzung den Kampf angesagt: Die Verfahrensingenieurin hat einen Stoff erfunden, der in vielen Bereichen Plastik ohne großen Aufwand ersetzen kann. Das Traceless-Granulat lässt sich praktisch wie Kunststoff-Granulat verarbeiten, besteht aber nicht aus Erdöl, sondern aus Getreide-Abfall. Für eine Tonne Traceless-Granulat wird eine Tonne weniger Plastik hergestellt – und das bei 1,7 Tonnen weniger CO2-Ausstoß. Dafür wurde das junge Unternehmen, das sich bereits über zahlreiche Auszeichnungen freuen darf, jetzt mit dem Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Start-up ausgezeichnet.

Biozirkulär – mehr als Recycling

Die zum Patent angemeldete Technologie des Unternehmens ermöglicht es erstmals, aus pflanzlichen Reststoffen der Agrarindustrie eine Kunststoffalternative herzustellen, die vollständig biozirkulär ist. Traceless ist unter natürlichen Bedingungen kompostierbar, beispielsweise auf dem Heimkompost, wo es abhängig von den Bedingungen nach zwei bis neun Wochen spurlos verschwunden ist. Obwohl das Material biobasiert ist, steht es dank der Nutzung von Produktionsresten nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelherstellung.

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Zudem ist das Material klimafreundlich: Die Herstellung und Entsorgung von Traceless verursacht bis zu 87 Prozent weniger CO2-Emissionen als Neukunststoff. Da das neuartige Material auf natürlichen Polymeren basiert, ist es gänzlich plastikfrei, und fällt nicht unter die EU-Kunststoffrichtlinie. Die Technologie weist ein hohes Skalierungspotenzial auf, und wird auf industriellem Produktionsniveau auch preislich mit Neukunststoffen in der EU konkurrieren können.

Eigenschaften des Bio-Plastikersatzes

  • Das Unternehmen produziert Traceless als Basismaterial in Form eines Granulats. Dieses Granulat kann von der kunststoffverarbeitenden Industrie mit bestehenden Anlagen zu flexiblen Folien, soliden Formteilen, Beschichtungs- und Klebstoffanwendungen weiterverarbeitet werden.
  • Traceless ist für eine Vielzahl von Produkten geeignet, die leicht in die Umwelt gelangen können - von Verpackungen über Einwegartikel bis hin zu Produkten mit hohem Abrieb.
  • Mit dem Material verfolgt das Unternehmen einen ganzheitlichen Ansatz. Es wurde mit Blick auf alle Wirkungsindikatoren entwickelt. Eine erste Ökobilanz (Life-Cycle-Assessment) misst die Umweltauswirkungen des Materials über den gesamten Lebenszyklus - von Rohmaterialien über das Produkt bis hin zur Entsorgung. Die nach wissenschaftlichen Standards durchgeführte Analyse belegt die positive Wirkung auf Ressourcenverbrauch, Klimaauswirkungen und Landnutzung. Die Analyse ist online verfügbar: www.traceless.eu/impact

In allen Wirkungsindikatoren nachhaltig

Untrennbar mit dem Traceless-Granulat verbunden ist die Traceless-Technologie, der von Dr. Lamp entwickelte, innovative Bioraffinerie-Prozess, der aus Getreide-Abfall Plastik-Ersatz macht. „Das spezifische Material ist nicht komplett neu“, erläutert die Erfinderin, „es ist die neue Art und Weise, wie die Moleküle, die Bausteine der Natur, genutzt werden können und wie sie ihre Funktionalisierung erhalten, die das Material in der Verarbeitung dem Kunststoff so ähnlich macht. Die Innovation ist der Prozess vom Abfallprodukt der Lebensmittel-Produktion hin zum Kunststoff-Ersatz.“

Das Ergebnis: Traceless ist in allen Wirkungsindikatoren – also etwa CO2-Emissionen, Bio-Basis, Nicht-Toxizität – so nachhaltig einzigartig, dass es dafür noch nicht einmal ein Zertifikat gibt, das Traceless-Kunden für Endverbraucher als Zusatz-Information auf die Verpackung drucken könnten. Die Lösung ist eine „Ingredient Brand“: „Unser Ziel ist, Traceless auch bei Endkunden so bekannt zu machen, dass ein schlichter Hinweis darauf zeigt, dass man mit diesem Produkt nichts falsch macht“, sagt COO Johanna Baare.

Was schon realisiert ist: Cradle-to-Cradle-Pommesgabeln

Können Großveranstaltungen klima- und ressourcenschonend gestaltet werden? Um das herauszufinden, haben die Bands Die Ärzte und Die Toten Hosen im August 2022 drei Konzerte auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin gegeben. Diese Konzerte wurden in ein Labor für eine klima- und ressourcenschonende Welt verwandelt, genannt Labor Tempelhof. Rund um diese Konzerte wurde versucht, alle Produkte und Prozesse durch Cradle-To-Cradle(C2C-)-Innovationen zu optimieren.

Ziel ist es zu zeigen, wie bereits heute existierende Cradle-to-Cradle-Lösungen zu einer Kreislaufwirtschaft führen können, die einen ökonomischen, ökologischen und sozialen Mehrwert für die gesamte Gesellschaft bietet – und wie daraus abgeleitet auch Großereignisse mit positiven Auswirkungen für Mensch und Umwelt zum Standard werden können.

Der Anteil von Traceless: Pommesgabeln für den Kompost. Das Projekt C2C-Pommesgabel wurde gemeinsam mit dem Eventgastronomen GTB Gastro Team Bremen angestoßen, konnte aber aus Zeitgründen nicht final skaliert werden. Daher sind bisher nur Prototypen zur Anschauung verfügbar. Es gibt bereits Gespräche über eine Weiterarbeit und Skalierung über die vier Konzerte hinaus.

Was geplant ist

Lufthansa und Otto zählen zu den ersten Industriekunden, die das in der Traceless-Pilotanlage in Buchholz in der Nordheide (bei Hamburg) hergestellte Granulat auf Herz und Nieren prüfen. Das wird dann beispielsweise zu Catering-Verpackungen von Lufthansa verarbeitet. Noch in diesem Jahr werden die Schutzhüllen auf einzelnen Lufthansa-Flügen unter Realbedingungen getestet. 40 weitere Konsumgüterhersteller und rund ein Dutzend Partner aus der Kunststoff-Industrie, vor allem Verpackungshersteller und Kunststoffhändler, haben schon ihr Interesse bei Traceless angemeldet.

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Über das Unternehmen

Die Traceless Materials GmbH wurde 2020 von Dr. Anne Lamp und Johanna Baare in Hamburg gegründet. Das Circular Bioeconomy Start-up zeigte von Beginn an klare Ambitionen, Traceless schnell auf den Markt zu bringen und somit den größtmöglichen Impact zur Lösung der globalen Plastikverschmutzung zu leisten. Das stetig wachsende Team aus aktuell 23 Mitarbeitenden hat eine erste Pilotanlage zur Materialproduktion errichtet. Nach einer erfolgreichen Seed-Investmentrunde im Frühjahr 2021 erhielt Traceless die Zusage für eine 2,42 Mio. Euro Förderung des European Innovation Council (EIC) im Rahmen des Horizon Europe Programms EIC Accelerator. Eine weitere Investmentrunde ist für Ende 2022 geplant. Weitere Infos zu Traceless.

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