Gleichstrom Gasisolierte Gleichstrom-Leitungen statt Stromtrassen für die Energiewende?

Redakteur: Katharina Juschkat

Für die Energiewende muss der Strom der erneuerbaren Energien teilweise hunderte von Kilometern durch Deutschland transportiert werden – nur das Wie ist noch nicht geklärt. Eine Lösung könnten völlig neu entwickelte Gleichstrom-Leitungen sein.

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Neu entwickelte Gleichstromleitungen könnten fünf Gigawatt Leistung auf einer Trassenbreite von nur sechs Metern übertragen – Freileitungen benötigen für weitaus geringere Leistungen etwa 60 Meter breite Trassen.
Neu entwickelte Gleichstromleitungen könnten fünf Gigawatt Leistung auf einer Trassenbreite von nur sechs Metern übertragen – Freileitungen benötigen für weitaus geringere Leistungen etwa 60 Meter breite Trassen.
(Bild: Gregor Rynkowski / TU Darmstadt)

Erneuerbare Energien bringen die Herausforderung mit sich, ortsabhängig zu sein. Windenergie wird hauptsächlich im hohen Norden erzeugt, muss aber auf ganz Deutschland verteilt werden. Wie aber bringt man die Energie in den Süden?

Mit Gleichstrom-Leitungen Energie transportieren

Hochspannungsleitungen rufen Widerstand bei den betroffenen Anwohnern hervor, und klassische Wechselstrom-Erdkabel können Energie nicht über mehrere hundert Kilometer wirtschaftlich transportieren. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Energie über neu entwickelte Gleichstromkabel zu transportieren – doch bisher ist das technisches Neuland, die geplante Übertragungsspannung von bis zu ± 550.000 Volt befindet sich zum Teil noch in der Qualifizierungsphase.

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Eine sinnvolle Ergänzung zu den genannten Übertragungstechniken mit weniger Platzbedarf stellen neue, gasisolierte Gleichstrom-Übertragungsleitungen dar (DC GIL, Direct Current Gas-insulated Transmission Lines).

So funktionieren die neuen Gleichstrom-Leitungen mit Isoliergas

Dabei verläuft ein metallischer Innenleiter, gestützt auf Isolatoren, innerhalb eines metallischen Außenrohrs. Durch den auf Hochspannung liegenden Leiter fließt Gleichstrom von bis zu 5.000 Ampere. Zwischen dem Innenleiter und dem Außenrohr befindet sich ein Isoliergas, das die hohe Gleichspannung elektrisch isoliert. Aufgrund der kompakten Bauweise dieser Leitungen lassen sich fünf Gigawatt Leistung – das ist die Leistung von vier bis fünf großen Kraftwerksblöcken – auf einer Trassenbreite von nur sechs Metern übertragen.

Zum Vergleich: Freileitungen benötigen für weitaus geringere Leistungen etwa 60 Meter breite Trassen.

Erster Langzeitversuch mit neuen Gleichstromleitungen

Erstmals wird nun diese bislang wenig erforschte, aber potenziell zukunftsträchtige Technologie an der TU Darmstadt einem mindestens einjährigen Langzeitversuch unter realistischen Betriebsbedingungen unterzogen. Die Wissenschaftler des Fachgebiets Hochspannungstechnik wollen in Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen und Industriepartnern herausfinden, ob die unterirdischen gasisolierten Gleichstromleitungen die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen können:

  • höhere Übertragungsleistung
  • geringerer Landschaftsverbrauch
  • geringere elektrische Verluste
  • hohe Zuverlässigkeit
  • höhere Wirtschaftlichkeit

So soll der Versuch ablaufen

Für die Untersuchung der Leitungen unter realen Bedingungen sind Spannungen im Bereich von ± 550.000 Volt und Ströme im Bereich von 5.000 Ampere notwendig. Das entspricht rechnerisch etwa der Leistung von vier bis fünf Kraftwerksblöcken, die sich nicht einfach dem Stromnetz entnehmen lässt. Das Fachgebiet Hochspannungstechnik hat daher eine neuartige synthetische Prüfmethode entwickelt, um den Leistungsbedarf für den Langzeitversuch auf die Leistung eines 200-PS-Motors zu reduzieren.

Das Testfeld liegt in Griesheim neben dem August-Euler-Flugplatz, direkt am Stadtrand von Darmstadt. Für das Projekt errichtete die TU eine 670 Quadratmeter große Versuchshalle, die die Technik zur Spannungs- und Stromerzeugung beherbergt. Hallenkonstruktion und Fundamente sind eigens für die Arbeit mit hohen Spannungen ausgelegt. Von hier aus ziehen sich insgesamt 250 Meter gasisolierte Leitungen durch das ein Hektar große Versuchsfeld, die wegen der leichteren Zugänglichkeit teilweise oberirdisch, teilweise aber auch in etwa zwei Metern Tiefe unter der Erdoberfläche verlegt wurden.

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Wer hinter dem Projekt steht

Die TU Darmstadt und die Firma Siemens koordinieren das gesamte Projekt. Die TU Darmstadt ist insbesondere für die Umsetzung und Erprobung neuester Prüfmethoden zuständig. An der Versuchstrasse werden außerdem thermische und mechanische Messungen durch die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg durchgeführt, um die Bodenmechanik und die thermischen Grenzwerte der Leitung zu studieren. Die Erforschung der elektrischen Zustandserfassung der Hochspannungsleitung – auch das ist technisches Neuland – erfolgt gemeinsam mit der Firma Power Diagnostix sowie der TU Berlin. Für die Entwicklung und den Bau der neuartigen gasisolierten Leitung ist insbesondere der Kooperationspartner Siemens verantwortlich.

Das Projekt mit einem finanziellen Gesamtumfang von etwa 3,2 Millionen Euro wird zur Hälfte vom Hessischen Wirtschaftsministerium durch Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

Seminartipp

Das Seminar Spannungsqualität und Netzrückwirkungen vermittelt die Grundlagen, um Störungen im Netz zu erkennen, Messkonzepte durchzuführen und die Messdaten zu analysieren.

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