Getriebe Was das Wellgetriebe aus Kunststoff alles kann

Mit dem neuen Wellgetriebe aus Tribo-Polymeren erreichen die Kuststoffspe­zialisten von Igus hohe Übersetzung auf kleinem Bauraum, zudem ist es leicht und günstig. Stefan Niermann erklärt, wie die Getriebelösung funktioniert.

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Stefan Niermann leitet den Bereich Drylin Linear- und Antriebstechnik bei Igus.
Stefan Niermann leitet den Bereich Drylin Linear- und Antriebstechnik bei Igus.
(Bild: Igus)

konstruktionspraxis: Sie haben Wellgetriebe aus Tribo-Polymeren entwickelt. Welche Vorteile haben diese Kunststoff-Getriebe verglichen mit metallischen Varianten?

Stefan Niermann: Unser Ziel ist es, beim Kunden durch den Einsatz von Kunststoff die Technik zu verbessern oder die Kosten zu senken. Im besten Fall beides. So ist unsere Lösung allein durch die tribologischen Kunststoffe deutlich leichter. Vergleicht man die Dichte von Kunststoff zu Stahl, dann reden wir mindestens über einen Faktor 5. Bei metallischen Varianten ist darüber hinaus die notwendige Schmierung ein wesentlicher Nachteil und die damit verbundene Wartung. Ungeschmierte Metallteile, die sich gegeneinander bewegen, neigen zum Fressen und fallen dann schlagartig aus. Bei Kunststoffen kommt es natürlich auch zu Verschleiß, aber der ist berechenbar. Aufgrund der Versuche und generierten Daten in unserem Testlabor in Köln sind wir in der Lage, genaue Aussagen zur Lebensdauer in der individuellen Anwendung zu treffen.

konstruktionspraxis: Wo stoßen die Kunststoff-Getriebe an ihre Leistungsgrenzen?

Niermann: Die am Markt bekannten Wellgetriebe-Lösungen sind in der Regel vorwiegend aus Metall und werden mit hoher Präzision spanend hergestellt. Mit Kunststoffen erreichen wir natürlich noch nicht die gleichen mechanischen Kennwerte, daher muss der Anwender Abstriche bei der Präzision oder hohen Traglasten bzw. Drehgeschwindigkeiten machen. Das ist allerdings auch in vielen Anwendungen gar nicht gefordert. Und genau hier setzen wir an. Der Kunde hat eine günstige und leichte Alternative, wenn die technischen Anforderungen abgedeckt werden können.

Ergänzendes zum Thema
Das Wellgetriebe von Igus

Die Hauptbestandteile der Getriebe umfassen einen Wellgenerator und Flexring mit Außenverzahnung sowie einen gehäusefesten Außenring und ein drehbares Abtriebselement mit Innenverzahnung.
Die Hauptbestandteile der Getriebe umfassen einen Wellgenerator und Flexring mit Außenverzahnung sowie einen gehäusefesten Außenring und ein drehbares Abtriebselement mit Innenverzahnung.
( Bild: Igus )

Die Hauptbestandteile der Getriebe umfassen einen Wellgenerator und Flexring mit Außenverzahnung sowie einen gehäusefesten Außenring und ein drehbares Abtriebselement mit Innenverzahnung. Hierbei wird durch die Verwendung von schmierfreien igus Hochleistungskunststoffen die notwendige Flexibilität bei sehr hoher Verschleißfestigkeit erreicht. Der Wellgenerator weist eine elliptische Form auf, die auf den umliegenden Flexring übertragen wird. Dabei greift die Verzahnung des Flexrings an zwei Stellen in die Innenverzahnung von Außenring und Abtriebselement. Da der Außenring zwei Zähne mehr besitzt als die anderen Bauteile, wird der Flexring bei der Rotation des Wellgenerators pro Umdrehung nur um zwei Zähne weiterbewegt. Das Wellgetriebe kann in der letzten Achse von Gelenkarm-, Portal- und Delta-Robotern vor verschiedenen Greifersystemen eingesetzt werden.

konstruktionspraxis: Für welche Anwendungen sind die Getriebe denn besonders interessant?

Niermann: Im Moment fokussieren wir uns erst einmal auf die 5. Achse von Gelenkarmrobotern, den sogenannten Leichtbaurobotern. Hier liegen die zu drehenden Massen meist bei maximal 3 kg. Wir benötigen kein besonders schnell drehendes Getriebe, da die Zykluszeit der Roboter zwischen 3 s und 10 s liegt. Die mögliche Gewichtsreduzierung und Preisersparnis ist aus unserer Sicht für viele Roboterhersteller interessant. Die Reduzierung des Gewichts in der 5. Achse erhöht quasi 1:1 die zulässige Payload. 500 g im Getriebe einsparen und dafür 500 g mehr greifen und bewegen. Wenn wir weiterdenken, sind aufgrund der Eigenschaften des Kunststoff-Wellgetriebes – geringes Gewicht, hohe Übersetzung, keine Schmierung, günstige Herstellungskosten – dekbar, aber auch andere Anwendungsarten wie zum Beispiel Verstellungen in Verkehrs- und Transportmitteln.

konstruktionspraxis: Wie sieht ihr Getriebeportfolio aus?

Niermann: Wir haben derzeit zwei Varianten von Robotergetrieben im Programm: Wellgetriebe und Schneckengetriebe in unterschiedlichen Baugrößen. Beide Getriebearten basieren auf Hochleistungskunststoffen und profitieren jeweils von den genannten Vorteilen der Tribo-Polymertechnologie. Für das Schneckengetriebe gibt es sogar einen eigenen Baukasten, der sich „apiro“ nennt – das kommt aus dem Griechischen und bedeutet „unendliche Möglichkeiten“.

konstruktionspraxis: Wie unterscheiden sich das Well- und das Schneckengetriebe?

Niermann: Die äußerst kompakten Wellgetriebe ermöglichen hohe Übersetzungsverhältnisse, präzise Drehbewegungen und schnelle Richtungswechsel. Dabei arbeiten sie nahezu spielfrei und zeichnen sich durch eine hohe Laufruhe aus. Igus bietet aktuell Wellgetriebe mit dem Übersetzungsverhältnis von 28:1 an. Also eine hohe Übersetzung mit Selbsthemmung auf kleinem Bauraum. Hauptbestandteile der Wellgetriebe sind der Wellgenerator, der flexible Wellring aus verschleißfestem Iglidur-Hochleistungskunststoff mit einer Außenverzahnung und der starre Außenring mit einer Innenverzahnung. Schneckengetriebe haben wir schon seit Jahren im Programm. Sie zeichnen sich durch den einfachen Aufbau und die Schmiermittelfreiheit aus. Übersetzungen von 1:3 bis hin zu 1:70 sind möglich. Bei der Berührung zwischen Schneckengewinde und Zahnrad greifen gleichzeitig mehrere Zähne linienförmig ein. Das Resultat sind übertragbare Drehmomente von bis zu 50 Nm. Hinsichtlich des Wirkungsgrads und der Genauigkeit müssen sie sich nicht hinter metallischen Lösungen verstecken.

konstruktionspraxis: Ist es möglich, die Getriebe an kundenspezifische Anforderungen anzupassen?

Niermann: Abweichende Übersetzungen sowie geänderte Anschlussmaße und Außengeometrie können schnell realisiert werden. Wenn man mit Kunststoffen arbeitet, ist die Designflexibilität dank Spritzguss oder additiver Fertigung sehr hoch.

konstruktionspraxis: Vielen Dank Herr Niermann.

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