Messtechnik Sensortechnik in Industrial IoT-Plattformen

Von Peter Rohrmann, Jan Homann*

Anbieter zum Thema

Das Industrial Internet of Things eröffnet der industriellen Mess- und Prüftechnik neue Anwendungsmöglichkeiten. Geeignete Lösungen stehen schon heute zur Verfügung.

Mit einem IIoT-Komplettsystem lässt sich eine komfortable Fernüberwachung einrichten mit einer Datenübertragung in nahezu Echtzeit. So können beispielsweise Materialermüdungen erkannt werden.
Mit einem IIoT-Komplettsystem lässt sich eine komfortable Fernüberwachung einrichten mit einer Datenübertragung in nahezu Echtzeit. So können beispielsweise Materialermüdungen erkannt werden.
(Bild: Althen)

Die Cloud hat längst die Industrie erreicht: Mit dem Industrial Internet of Things (IIoT) erwächst eine Variante des IoT, die im produzierenden und industriellen Bereich eingesetzt wird. Dabei sollen riesige Datenmassen und Zustandsinformationen für die Weiterverarbeitung in End-to-End-Analytics-Lösungen Produktions- und Anwendungsprozesse optimieren. Verarbeitung, Interpretation und Analyse der Daten sind von zentraler Bedeutung.

Mehrwert von Daten erschließen

Aufgrund dieser Entwicklung erwarten die Analysten von IDC in einer aktuellen Studie bis 2025 eine Verzehnfachung der weltweiten Daten auf 163 Zettabyte (dies entspricht 1.000.000.000.000.000.000.000 Byte), wovon rund 60 % von Unternehmen erzeugt werden. Während in der letzten Dekade noch die Konvertierung von analogen zu digitalen Daten im Vordergrund stand, liegt für die Industrie nun zunehmend der Mehrwert dieser Daten im Fokus.

Das Marktforschungsunternehmen Gartner hat in einer aktuellen Marktbetrachtung des IIoT keinen Marktführer identifiziert.
Das Marktforschungsunternehmen Gartner hat in einer aktuellen Marktbetrachtung des IIoT keinen Marktführer identifiziert.
(Bild: Gartner)

Dass das Marktforschungsunternehmen Gartner in einer Marktbetrachtung des IIoT im vergangenen Jahr jedoch keinen Marktführer identifiziert, lediglich Innovatoren (PTC, Hitachi, SAP) und diverse Nischenanbieter, zeigt das Potenzial für Hersteller und Herstellerkooperationen.

Intelligente Test- und Messanwendungen

Was bedeutet dies für Unternehmen? Sie müssen eine genaue Bestands- und Bedarfsanalyse vornehmen und IIoT-Lösungen finden, die ihnen bereits heute einen Mehrwert bieten können. Der Einsatz intelligenter Test- und Messanwendungen ist deshalb ein bedeutender Einsatzbereich vieler IIoT-Anwendungen.

Das allgemeine Ziel beim Einsatz von IIoT-Lösungen besteht darin, die betriebliche Effektivität zu erhöhen, flexible Produktionstechniken zu implementieren und Prozesse der Datenerfassung und -verarbeitung zu optimieren. Eine zentrale Rolle spielen dabei in vielen Anwendungsbereichen Sensoren und Sensordaten, die die Datenbasis für Automationsprozesse und selbstlernende Maschinen liefern; vorausschauende Wartung ist hier schon heute ein wichtiges Thema. Die Herausforderung an die erforderliche Technik ist groß: Strukturen und Systeme in Test- und Messanwendungen ändern sich rasant, entsprechende Datenerfassungssysteme müssen diesen Entwicklungen Schritt halten können, um sich nicht als Investitionssackgasse zu erweisen.

Hohe Anforderungen an die Technik

Gleichzeitig gilt: Kein IIoT ohne Analytics. Um schneller und effizienter arbeiten zu können, müssen Daten in Echtzeit überwacht werden, was schnell zu einer gigantischen Datensammlung führen kann, die kaum effektiv bearbeitet oder wirtschaftlich auf einen entfernten Server übertragen und gespeichert werden kann. Die Herausforderung besteht deshalb nicht nur im Sammeln von Daten, sondern einer sinnvollen Reduzierung der Rohdaten noch am Entstehungsort, um nur die relevante Information zu übertragend. Die Datenverarbeitung muss zudem an den hohen Anforderungen der Performance, Skalierbarkeit und Security ausgerichtet sein.

Wie sehen konkrete IIoT-Lösungen für industrielle Mess- und Prüftechnik aus? Ein Beispiel dafür bietet die Kooperation von Gantner Instruments und Althen Mess- und Sensortechnik. Der Spezialist für dezentrale Mess- und I/O-Systeme sowie das Messen mechanischer, thermischer und elektrischer Größen Gantner steuert der IIoT-Lösung seine Datenerfassungs- und Konnektivitätslösungen sowie Fernkonfiguration und Auswertesoftware bei. Althen integriert seine Sensoren in die Komplettsysteme und übernimmt die kundenspezifischen Voreinstellungen der Messbereiche, der Justage-Parameter für kalibrierte Sensoren sowie mögliche mathematische Berechnungen und Alarmeinstellungen.

Aus der Ferne die Qualität im Blick

Daraus ergeben sich vielseitige Anwendungsmöglichkeiten, beispielsweise die Überwachung von Materialermüdung in Kernkraftwerken und Kernfusionsanlagen, die Qualitätsüberprüfung des Streckennetzes im öffentlichen Nahverkehr, die Dehnungsmessung an flexiblen Pipeline-Systemen, die Messung von Dehnungen an Kranauslegern, die vorausschauende Wartung von Maschinen, Anlagen oder auch in mobilen Geräten, etwa in Baumaschinen und Eisenbahnen.

Cloud-Daten im Dashboard der Testanwendung.
Cloud-Daten im Dashboard der Testanwendung.
(Bild: Althen)

Ein konkretes Beispiel ist das Monitoring einer Brücke. Zum Einsatz kommt hier die Q-Series X von Gantner, ein dezentrales, hochflexibles Messsystem in Modulbauweise, auch für die für DIN-Schienenmontage. Konkret werden Module für den Anschluss der Sensoren und ein Controller für den Anschluss und das Handling der Module sowie für Berechnungen und Übertragung in die Cloud eingesetzt.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

An individuelle Aufgaben anpassbar

Diese typische Bauform eines dezentralen Messsystems bietet hohe Flexibilität und viele Schnittstellen. Die beliebige Zusammenstellung von Datenerfassungsmodulen erlaubt eine optimale Anpassung an die Aufgabenstellung und ist für dezentrale Anwendungen bestens geeignet.

Vervollständigt wird das System mit 3-achsialen Beschleunigungsaufnehmern von Althen, die mit den Q-Series X-Modulen verbunden werden. Zusätzlich zur Beschleunigung wird die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit (stellvertretend für Bausubstanzfeuchtigkeit in der Brücke) und ein Potentiometer (stellvertretend für eine Wegmessung der Dehnungsfuge der Brücke) überwacht.

Diese IIoT-Lösung ermöglicht die komfortable Fernüberwachung in nahezu Echtzeit. Aus der Analyse der Daten über einen längeren Zeitraum sind Veränderungen der Struktur ebenso wie Materialermüdungen zu erkennen. Ebenso können Rückschlüsse auf mögliche Defekte und damit auch auf die restliche Betriebszeit einer Brücke gezogen werden.

Auf weitere Anwendungen übertragbar

Mit ähnlicher Topologie ließe sich dieses Beispiel auf weitere Überwachungsaufgaben im Infrastrukturbereich übertragen, etwa für Eisenbahn-, Straßen- und Autobahnbrücken, wichtige Gebäude, Staudämme, Deiche oder Industrieanlagen wie Raffinerien, Chemieanlagen, Windkrafträder, etc.

Die Althen-Sensoren werden derzeit mit drei verschiedenen Geschwindigkeiten ausgelesen und liefern Daten über die Gantner-Infrastruktur mit 10 Hz, 1 kHz, 10 kHz in die Cloud. Es wurden auch bereits Tests mit der maximal möglichen Messgeschwindigkeit von 100 kHz durchgeführt. Diese Messgeschwindigkeiten sind jedoch in der Realität derzeit nicht unbedingt erforderlich und würden die Anforderungen an die Bandbreite und Serverkapazitäten unnötig erhöhen.

Buchtipp

Das Fachbuch Data Analytics bietet nicht nur einen guten Überblick zu den in Produktion und Logistik anwendbaren Data Mining Algorithmen, sondern liefert auch konkrete Use Cases, die mit diesen Algorithmen erfolgreich umgesetzt werden können.

Datenmengen möglichst reduzieren

Eine Beschränkung und Vorauswertung sind auch bei der bestehenden Konfiguration sinnvoll, da sich bereits bei wenigen Sensoren große Datenmengen ergeben: Würde ein Sensor mit 1000 kHz Schwingungen messen, ergäbe sich pro Tag ein Datenvolumen von ca. 345 MByte, und pro Jahr etwa 120 GByte. Auf das Anwendungsbeispiel mit 15 Messwerten bezogen, entspräche dies 3,7 TByte an Rohdaten pro Jahr.

Entsprechend erfolgt eine Vorauswertung auf Basis von Algorithmen nach entsprechender Konfiguration bereits im Controller vor Ort (Edge Computing), aber auch in der Cloud, um das Datenvolumen entsprechend zu reduzieren. Die Übergabe der Clouddaten an externe Analyseprogramme ist ebenfalls möglich, sowohl über das klassische CSV-Format, als auch über eine vollständige, integrierbare API-Schnittstelle. Bereits vorliegende Datensätze lassen sich ebenfalls über einen CSV-Upload vollständig in die aktuellen Datensätze integrieren, verarbeiten und im selben Interface visualisieren.

Anwendertreff Maschinensicherheit

Die Maschinensicherheit ist ein wichtiges Thema: Die richtigen Normen müssen berücksichtigt und die Anforderungen der Maschinenrichtlinie müssen eingehalten werden. Der Anwendertreff Maschinensicherheit unterstützt Entwickler und Konstrukteure, die funktionale Sicherheit von Maschinen und Anlagen zu gewährleisten.

Mehr Infos

Nahezu unbegrenzt skalierbar

Derartige IIoT-Konstruktionen bleiben selbstverständlich nicht auf ein Bauwerk beschränkt, sondern sind über die Cloudanbindung und die Nutzung entsprechender Analytics-Anwendungen nahezu unbegrenzt skalierbar. Vorstellbar ist beispielsweise ein Dienstleister aus dem Bereich Geo-Monitoring, der eine Vielzahl von Brücken hinsichtlich Belastung und Beschädigungen zeitsynchron zu überwacht. Mit der beschriebenen Lösung könnte er sämtliche Sensoren auf allen Brücken aus der Ferne überwachen, bei Überschreitung definierter Schwellen (z.B. Dehnung oder zu hohe Schwingungsamplituden) Alarme versenden und entsprechend aus der Ferne eingreifen, z.B. über die Schaltung variabler Geschwindigkeitsanzeigen.

Der Dienstleister kann damit seinem Kunden einen hohen Mehrwert anbieten: vorausschauende Wartung, schnelle Spezifische IIoT-Anwendungen sind keine Zukunftsmusik, sie sind notwendige Realität auf dem Weg zu dem, was IDC „Data Age 2025“ nennt. Denn bis dahin, so die Marktforscher, sollen 30 % aller Daten in Realtime-Anwendungen genutzt werden.

* Peter Rohrmann, ALTHEN GmbH Mess- und Sensortechnik; Jan Homann

(ID:46546964)