Stirnrad-Industriegetriebe Seilbahn-Retrofit mit Antriebssystemen von Nord
Bei der Modernisierung der Pendelseilbahn an der Grande Motte im französischen Tignes kommen Industriegetriebe von Nord Drivesystems zum Einsatz – hier das ganze Projekt im Detail.
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Insgesamt 44 Bergbahnen vom einfachen Schlepplift bis zur schienengebundenen Standseilbahn betreibt die Société des Téléphériques de la Grande Motte (STGM). Eine der wichtigsten ist die Pendelseilbahn zur Grande Motte. Sie startet auf 3038 m Höhe an der Bergstation der unterirdisch von Tignes heraufkommenden Standseilbahn und endet auf 3454 Höhenmetern im Gletschergebiet auf der Grande Motte. Dieser Gletscher ist mit 3656 m einer der höchsten Gipfel der Region und liegt im Herzen des Nationalparks Vanoise.
Aufgrund der guten Erschließung und seiner außergewöhnlichen Lage ist das Skifahren hier bis in den Sommer hinein möglich. Für ambitionierte Alpinisten ist dies auch ein idealer Startpunkt für Berg- und Gletschertouren. Winterliche Schneehöhen zwischen sechs und zehn Meter locken an der Grande Motte bis zu 20.000 Feriengäste an.
30.000 Fahrten pro Jahr
Nach zweijähriger Bauzeit wurde die Pendelseilbahn an der Grande Motte Heiligabend 1975 in Betrieb genommen. Seitdem transportiert sie bis zu 1010 Personen pro Stunde und Richtung über eine Länge von 1696 m bei einer maximalen Steigung von 55 %. Das raue Hochgebirgsklima mit Eis, Schnee, Sturm und Regen sowie 30.000 Fahrten pro Jahr setzen trotz sorgfältiger Wartung auch dieser Ingenieurleistung zu.
Nach über 40 Jahren war klar, dass diese wichtige Anlage eine Renovierung nötig hatte. Zwar wird die Sicherheit bei Seilbahnen besonders streng überwacht, aber die Zeit war an der Antriebstechnik und den Kabinen nicht spurlos vorüber gegangen. Aufwand und Kosten für die Wartung stiegen, und der Komfort für die Passagiere war nicht mehr zeitgemäß.
Komplette Antriebstechnik erneuert
Nach einer gründlichen Planungsphase wurde die Bahn von 2016 bis 2018 in drei Projektschritten generalüberholt, technisch modernisiert und mit neuen Kabinen versehen. Ein zentraler Punkt des Projektes war die Erneuerung der kompletten Antriebstechnik unter Einsatz eines Nord-Antriebssystems. Ebenso wurden die Trag- und Zugseile ausgetauscht. Verantwortlich für dieses Projekt ist die Doppelmayr/Garaventa-Gruppe. Der Technologie- und Marktführer im Seilbahnbau realisierte bereits über 15.000 Seilbahnsysteme weltweit und ist auch mit den speziellen Herausforderungen eines Altbau-Retrofits vertraut. Die erneuerte Pendelbahn wurde von Garaventa eigens dafür konzipiert, den extremen Witterungsbedingungen im hochalpinen Gelände standzuhalten.
Seilbahn mit Dachterrasse
Jede der beiden Seilbahnkabinen fasst 100 Personen. Sie wurden vom schweizerischen Kabinenspezialisten CWA nicht nur mit dem nötigen Reisekomfort im Inneren ausgestattet. Als besonderes Highlight bieten sie außerdem eine offene Aussichtsplattform auf dem Kabinendach. Bis zu 20 Personen können auf diese Weise im Sommer einen Panoramablick genießen. Im Inneren der Kabinen können dann 80 Personen mitfahren. Damit ist sie die größte Seilbahn der Welt mit einer Dachterrasse. Für den Winterbetrieb werden die Aussichtsterrassen demontiert. Die Seilbahn kann je nach Witterung eine Höchstgeschwindigkeit von 10 m/s erreichen. Die Fahrt dauert dann fünf Minuten.
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Definition
Was ist eigentlich ein Heavy-Duty-Getriebe?
Tragseilspanngewicht beträgt 150 t pro Spur
Bei Seilbahnen steht die Sicherheit von Menschen an erster Stelle, denn bei Fehlfunktionen droht schnell Lebensgefahr. Deshalb wird hier bei der technischen Auslegung zum Teil mit fünffachem Sicherheitspuffer gerechnet. Das Tragseilspanngewicht der Seilbahn beträgt 150 t pro Spur. Das heißt, jedes der vier Tragseile muss 75 t Gewicht aufnehmen.
Aufgrund der exponierten Lage und der extremen Wetterbedingungen kann bei den Spanngewichten zudem ein hydraulisches Dämpfungssystem aktiviert werden, welches die Dynamik bei plötzlichem Eisabfall von den Seilen aufnehmen kann. Mit einem 46 t schweren Zugseilspanngewicht wird die Spannung der Zugseilschlaufe garantiert. Die 49 mm dicken Tragseile wiegen 13,5 kg/m. Eisbehang kann dieses Gewicht verdoppeln oder sogar verdreifachen und den Durchmesser des Seils bis auf 240 mm vergrößern.
Stirnrad-Industriegetriebe, vormontierte Kupplungen und Schwungscheiben
Nord Drivesystems lieferte an die Garaventa AG für das Seilbahnprojekt zwei aufstellfertige Stirnrad-Industriegetriebe sowie vormontierte Kupplungen und Schwungscheiben, die von der KTR Systems GmbH zugeliefert wurden. Die Stirnradgetriebe, die große Drehmomente bis 250.000 Nm ermöglicht, weisen eine besonders kompakte Bauform im Block-Gehäuse auf. Aufgrund des beengten Raumverhältnisses in den Bestandsgebäuden der Seilbahn an der Grande Motte war dies von besonderer Bedeutung. So mussten auch Anschlüsse individuell versetzt und die Peripherie genau ausgelegt werden, um in den vorgegebenen Maßen der Sicherheitseinhausung zu bleiben.
Die eingesetzten zweistufigen Maxxdrive-Stirnrad-Industriegetriebe von Nord Drivesystems in der zweitgrößten Baugröße 14 zeichnen sich durch hohe Leistungsdichte, geräuscharmen Lauf und Zuverlässigkeit aus. Große Wälzlager sorgen für eine besonders hohe Radial- und Axial-Belastbarkeit sowie Langlebigkeit. Außerdem bieten diese Schwergewichte der Antriebstechnik ein modulares, flexibles Design sowie viele Montagemöglichkeiten.
Aufbau eines redundanten Antriebssystems
Beim Einsatz in der Seilbahntechnik stellen die besonders hohen Sicherheitsanforderungen einen wichtigen Aspekt dar. Die Seilbahn ist deshalb mit einem redundanten Antriebssystem in gespiegeltem Aufbau ausgestattet. Die Antriebsachse tritt auf beiden Seiten der zentral angeordneten großen das Zugseil antreibenden Seilscheibe mit 2800 mm Durchmesser aus. Beide Seiten sind mit je einem baugleichen Antriebssystem verbunden. Jeder der beiden luftgekühlten 600 kW starken Hauptantriebe ist über eine drehelastische Klauenkupplung mit Bremsscheibe mit der Antriebsseite eines Nord-Industriegetriebes verbunden. Die Bremsscheibe sorgt für zusätzliche Schwungmasse. Eine weitere Bremsscheibe ist auf der gegenüberliegenden Gehäuseseite der Industriegetriebe auf die Antriebsachsen montiert. Die vier Bremsscheiben sind mit je einer federbetätigten, schnell einfallenden Betriebsbremse ausgestattet.
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Kommt es beispielsweise zu einem Stromausfall, können die Antriebsachsen über die Betriebsbremsen schnell, aber relativ sanft abgebremst werden, denn grobe Bremsungen sollten möglichst vermieden werden. Die hohe Massenträgheit der Bremsscheiben unterstützt den sanften Bremsvorgang und verhindert Gefahren und Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste. Im Normalbetrieb werden die Antriebswellen über den Frequenzumrichter des Antriebes abgebremst.
Hydraulischer Notantrieb für Evakuierungsfahrten
Auf der jeweiligen Abtriebsseite des Industriegetriebes stellt eine drehelastische Bolzenkupplung mit elektrisch isolierenden, elastischen Puffern die Verbindung zur Antriebsscheibe her. Mit ihr kann der jeweilige Antrieb im Revisionsbetrieb für Wartungsarbeiten ausgekuppelt werden. Dann kann die Seilbahn mit halber Beladung bei voller Geschwindigkeit oder bei halber Geschwindigkeit mit voller Beladung weiter betrieben werden. Gleiches gilt für den Sonderbetrieb, bei dem der zweite Antriebsstrang eingekuppelt bleibt und ohne Last mitdreht. Im Normalbetrieb teilen sich die Antriebe die Arbeit.
Beim Anfahren mit einer Beschleunigung von 0,3 m/s2 beträgt das maximale Drehmoment an der Seilscheibe 135 kNm, im Betrieb sind es 110 kNm. Zwei federkraftbetätigte Sicherheitsbremsen auf der Antriebsscheibe können diese bei Stillstand arretieren. Für Evakuierungsfahrten steht ein hydraulischer Notantrieb zur Verfügung, der zugeschaltet werden kann. Dieser kuppelt dann in einen Zahnkranz an der Antriebsscheibe ein. Für die nötige Energie sorgt ein Notstromaggregat. Das Getriebe wird dann jeweils mitgedreht. Lassen sich die Kabinen im Störfall nicht zurück in die Station fahren, steht an der Bergstation auf jeder Seilseite eine einfache Bergebahn bereit. Diese wird eingehängt und kann über eine dieselbetriebene Winde zur Evakuierung bis an die Kabinen gefahren werden.
Erfolgreiche Inbetriebnahme- und Testphase
Damian Zenklusen, Projektleiter Engineering Spezialbahnen bei Garaventa, führte das Modernisierungsprojekt mit seinem Team durch: „In der Anfangsphase des Betriebes wurden Vibrationsanalysen und Analysen des Getriebeöls durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Industriegetriebe und das gesamte Antriebssystem perfekt und wie vorgesehen arbeiten. Qualitativ und technisch sind die mechanischen Komponenten sehr gut.“
Auch Jean-Dominique Maurin, Responsible Maintenance, STGM (Société des Téléphériquer de la Grande Motte), zieht ein positives Fazit: „Garaventa baut die besten Seilbahnen der Welt. Die Pendelseilbahn ist ein Kernstück der Infrastruktur zur Erschließung der Grande Motte für den Ski- und Bergtourismus. Deshalb ist absolut zuverlässige Technik unverzichtbar. Das Ergebnis des Retrofits erfüllt alle unsere Erwartungen. Die neuen elektromechanischen Komponenten, insbesondere die Antriebe und Getriebe, arbeiten absolut wirtschaftlich und zuverlässig.“
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