Konzeptstudie Mit Musik zum eigenen 3D-Druck-designten Lautsprecher
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Materialise entwickelte einen Algorithmus, mit dem sich Lautsprechergitter auf Basis einzelner Musiksongs mittels 3D-Druck automatisch individualisieren lassen. Klingt verrückt? Wir erklären die Idee dahinter.

Welche Möglichkeiten beim 3D-Druck hinsichtlich Designautomation und Individualisierung von Serienprodukten bestehen, zeigt eine Konzeptstudie von Materialise. Ein Konstruktionsteam des belgischen Anbieters von 3D-Druck-Software und -Dienstleistungen entwickelte Algorithmen, die akustische Parameter in Liedern in einzigartige Lautsprechergitter-Strukturen verwandeln. Das Prinzip lässt sich auf zahlreiche andere Anwendungen übertragen. Als Grundlage kann dabei vieles dienen, vom Fingerabdruck bis zum Aussehen der Iris.
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Additive Fertigung
Wie mit Verfahren des Kunststoff-3D-Drucks Bauteile aus Metall, Keramik oder Glas entstehen
Einzigartige musikalische Signatur aus dem 3D-Drucker
Zu Beginn der Konzeptstudie stand das Ziel, Bauteile für den Innenraum von Autos zu entwickeln, die sich mittels 3D-Druck gut personalisieren lassen. Auf der Suche nach möglichen Anwendungen kam das Ingenieurteam von Materialise schnell auf die Idee, sich mit den Lautsprechergittern zu beschäftigen und diese auf Basis von Musik – zum Beispiel des Lieblingslieds des späteren Besitzers – zu individualisieren. Mit dem Wissen, dass jeder Song eine einzigartige musikalische Signatur besitzt, war dann die Frage zu klären, wie sich diese Merkmale visualisieren und dreidimensional drucken lassen.
Zunächst stand allerdings noch die Materialauswahl im Vordergrund. Hier betrachtete das Team verschiedene Werkstoffe. Grundsätzlich denkbar waren einige Metalle und Kunststoffe. Letztere wurden jedoch schnell ausgeschlossen, weil sich damit nicht filigran genug drucken lässt, um ein individualisiertes, optisch ansprechendes und zugleich ausreichend stabiles Gitter zu erhalten. Ein weiterer Kandidat, Aluminium, kam für die Entwicklungsgruppe ebenfalls nicht in Frage. Das Team wollte beim Gitter durch abschließendes Polieren bestimmter Stellen deutliche optische Effekte erzielen. Bei Aluminium waren die realisierbaren Kontraste jedoch nicht groß genug, um den eigenen Ansprüchen zu genügen. Die Wahl fiel daher auf Edelstahl und als luxuriösere Variante auf Titan.
Zur Umwandlung von Musikstücken in eine einzigartige Gitterstruktur kam die sogenannte prozedurale Modellierung zum Einsatz. Bei dem Verfahren lassen sich mit Hilfe von Algorithmen Designprozesse automatisieren und schnell komplexe Entwürfe erstellen.
Was sich hinter prozeduraler Modellierung verbirgt
Zur Umwandlung von Musikstücken in eine einzigartige Gitterstruktur kam die sogenannte prozedurale Modellierung zum Einsatz. Bei dem Verfahren lassen sich mit Hilfe von Algorithmen Designprozesse automatisieren und schnell komplexe Entwürfe erstellen. Indem bestimmte Parameter oder die ursprünglichen Zuordnungen geändert werden, sind Entwürfe anschließend auch leicht variierbar. Im Fall der Lautsprechergitter ist es möglich, dass Kunden für einen einzelnen Song mit wenigen Knopfdrücken verschiedene Designvorschläge erhalten und daraus auswählen können.
Als Parameter für die Designautomatisierung wählte das Fachpersonal für die Konzeptstudie die Tonhöhe (Frequenz) und die Lautstärke (Amplitude). Danach wurden unter Verwendung von Rhino mit dem Grasshopper-Plug-in und von APIs, die Materialise selbst entwickelt hat, verschiedene Algorithmen entworfen. Sie bestimmten, in welcher Weise Veränderungen von Frequenz und Amplitude das Design bestimmter sichtbarer Elemente des Lautsprechergitters beeinflussen.
Tiefe Töne führen zu breiteren, runderen bis hin zu ringförmigen Elementen, hohe Töne zu schärferen, feineren Formen.
Im Ergebnis sieht eine Algorithmusvariante vor, dass tiefe Töne zum Beispiel zu breiteren, runderen bis hin zu ringförmigen Elementen führen, hohe Töne zu schärferen, feineren Formen. Bei einer zweiten Variante werden kleine balkenartige Elemente entsprechend der Tonhöhe in einer bestimmten Weise ausgerichtet. Die Amplitude bestimmt parallel, wie stark die einzelnen erhabenen Elemente aus dem Lautsprechergitter herausstehen bzw. wie stark sie voneinander entfernt sind.
Beim Design der Gitter wurde grundsätzlich auch darauf geachtet, dass nach dem Druck so gut wie keine manuelle Nachbearbeitung nötig ist. Einige der so entworfenen Lautsprechergitter wurden abschließend im Metall-Kompetenzzentrum für 3D-Druck von Materialise in Bremen gefertigt.
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Additive Fertigung
Die Schraube aus dem 3D-Drucker
Mit dem Lieblingssong zum individuellen, 3D-gedruckten Lautsprecher
Das Designteam ist bereits dabei, die Eingabeparameter und auch die Arten von Audiodateien, die visualisiert werden können, zu erweitern. Audiodateien werden in eine für den 3D-Druck geeignete, optisch überzeugende Struktur umgewandelt. So können Kunden eine beliebige Audiodatei auswählen, um ihre individuellen Gitter zu erstellen – sei es ihr Lieblingssong oder die Stimme eines geliebten Menschen, der ihren Namen sagt.
Mit der Konzeptstudie hat Materialise bewiesen, dass sich unter der Voraussetzung eines tiefgreifendes Software-, Design- und Prozessverständnisses selbst sehr ungewöhnliche und anspruchsvolle Ideen für die individualisierte Serienfertigung umzusetzen lassen. Viele weitere komplexe Individualisierungsvorhaben sind denkbar. Auf Basis von Audiodateien können zum Beispiel auch einzigartig gestaltete Kopfhörer entstehen. Fingerabdrücke könnten in Formen umgesetzt werden, mit denen sich zum Beispiel Taschen kennzeichnen lassen. Und das Aussehen einer Iris könnte sich durch Muster im Rahmen einer Brille widerspiegeln – gute Nachrichten für alle Hersteller und Marken, die ihren Kunden Einzigartiges bieten möchten.
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