Medizinroboter werden immer besser
Robotersysteme agieren immer häufiger als verlängerte Arme der Ärzte. Wir zeigen, welche Techniken es gibt und wie sie beim Patienten ankommen.
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Robotik in deutschen Krankenhäusern ist nicht neu – in der Urologie beispielsweise operieren Chirurgen schon seit mehreren Jahren mit Robotern. In der Stadtklinik Bad Tölz wurde vor Kurzem erst das 100. Da-Vinci-Chirurgie-System Deutschlands installiert. Doch Roboter agieren immer häufiger als „verlängerte Arme“ von Ärzten und Pflegepersonal, werden immer besser und vielseitiger. Ihre Akzeptanz unter Klinikmanagern, das heißt denjenigen, die sie anschaffen, Ärzten, die sie benutzen, und Patienten, die sich ihnen anvertrauen müssen, steigt. So prognostizieren zwei von drei Klinik-Managern, Maschinen würden zukünftig sogar besser operieren als Menschen. Dies ist ein Ergebnis der Studie „Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft“ von der Personalberatung Rochus Mummert Healthcare Consulting.
Wer ist also besser – Mensch oder Roboter? In der Medizintechnik erscheint diese Frage besonders brisant. Denn „Menschen nehmen Roboter unterschiedlich wahr, je nachdem, in welchem Kontext sie ihnen begegnen. Roboter als Staubsauger oder Rasenmäher werden gerne gesehen. Davon fühlt sich kaum jemand bedroht. Im Krankenzimmer reagieren viele sensibler“, erklärt die Beraterin Edith Karl von der Power Management GmbH.
Wer ist besser – Mensch oder Roboter?
Sich auf die Technik einzulassen, sich ihr anzuvertrauen, erfordert Mut von denjenigen, die sich von Robotern behandeln oder pflegen lassen. In einer Umfrage der European Commission von 2014 gaben nur knapp 20 % der befragten Deutschen an, sich beim Gedanken wohlzufühlen, dass ein Roboter einen medizinischen Eingriff an Ihnen vornimmt. In Polen dagegen sind es über 40 %. Auch für Ärzte und Pflegende stellt sich die Frage: Wer beherrscht die bessere Technik, arbeitet präziser? Wer ist stärker und länger belastbar?
Die Antwort derjenigen, die Robotersysteme anbieten, fällt naturgemäß zugunsten der Robotertechnik aus. So meldete Stryker im Oktober 2016, mehr als 50.000 Eingriffe am Knie und mehr als 10.000 an der Hüfte seien international bereits mit ihrem Operationsroboter Mako durchgeführt worden. Mako führe orthopädische Eingriffe nicht nur präziser, sondern auch sicherer aus, wirbt der Hersteller. Gestützt wird diese Aussage von Professor Dr. Henning Windhagen, Direktor der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Diakovere Annastift. Als Anwender sagt der Mediziner: „Die aktuelle semi-autonome Technik unterscheidet sich von der autonomen Robotertechnologie von vor 15 Jahren. Wir können unsere Eingriffe sehr genau planen und besonders präzise umsetzen.“ Entmündigt fühlt sich Windhagen daher nicht. Bei der Operation müsse der Chirurg den Roboterarm eigenständig führen, ein Tastsinn ermögliche dann aber eine präzisere und fehlerreduzierte Fräsung.
Ein Plädoyer für Robotersysteme
Ein Plädoyer für Robotersysteme hält auch Prof. Stephan Michels, stellvertretender Chefarzt der Augenklinik des Zürcher Stadtspitals Triemli. Sein Spezialgebiet: Sehbehinderungen wie die Makuladegeneration, eine Erkrankung, die das Sehvermögen stark beeinträchtigt. Patienten mit dieser Erkrankung benötigen regelmäßige Injektionen ins Auge – eine unangenehme Prozedur, die bislang nur spezialisierte Ärzte vornehmen. Durchgeführt werden könnte sie zukünftig aber auch von einem Roboter, wie ihn das Start-up Ophthorobotics entwickelt. Er erstellt mit Hilfe zweier Kameras ein 3D-Bild des Auges, berechnet die Einstichstelle und positioniert selbstständig die Injektionsnadel. Der Arzt überwacht diese Aktion in Echtzeit und startet per Knopfdruck die Injektion. Sicherer als der Mensch ist der Roboter, weil er mithilfe von Sensoren misst, ob der Patient das Auge vor dem Einstich bewegt – er kann hierauf „schneller reagieren als wir Ärzte“, gibt sich der Chefarzt Michels bescheiden.
Daneben bringt die Maschine weitere Vorteile mit sich, die charakteristisch für das Leistungsvermögen von Robotertechnik sind: Der Roboter speichert automatisch die Daten der Behandlung, beispielsweise welche Dosis in welches Auge gespritzt werden muss und an welche Stelle er injiziert hat. So kann er beim nächsten Mal eine andere Einstechposition berechnen, da zu häufiges Spritzen an derselben Stelle das Auge schädigt. Die Rechenleistung und daraus resultierende künstliche Intelligenz ist also ein weiteres Plus, das der Roboter dem Menschen voraushat. Erstaunlich ist hier das Ergebnis einer Befragung von Ophthorobotics, wonach sich 15 von 15 Patienten mit Makuladegeneration einer Roboter-Behandlung anvertrauen würden.
Bleibt der Arzt zentrale Figur am OP-Tisch?
Während der Augenroboter von Ophthorobotics oder auch das Da-Vinci-System aus dem Hause Intuitive Surgical den Arzt aus dem Operationssaal entlassen, gibt auch Konzepte, die den Arzt nicht vom OP-Tisch trennen. Ein solches System bietet Medineering an. Dr. Maximilian Krinninger ist CTO und Gründer des Start-ups. Er erklärt: „Im Gegensatz zum Da-Vinci-System bleibt der Chirurg bei unserem System die zentrale Figur am OP-Tisch. Er kann den Grad der robotischen Assistenz selbst wählen.“ Das System wurde für den Einsatz an anatomisch beengten und sensiblen Körperregionen entwickelt. Es besteht aus einem kompakten Roboter mit einem intelligenten Positionierarm, der direkt an die OP-Tisch-Schiene geschraubt wird und den Roboter trägt. Die Zulassung des Systems ist für diesen Herbst geplant. (sh)
Erstveröffentlichung auf www.devicemed.de.
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Medica / Compamed 2017
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* Kathrin Schäfer ist Redakteurin beim Fachmagazin DeviceMed.
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