Faserverbundwerkstoff Leichtere Arbeit durch leichtere Stangen
Ursprünglich für den Einsatz in Hydraulikzylindern konzipiert, können Stangen und andere runde Bauteile aus H-CFK auch das Handling revolutionieren.
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Stahl und andere Metalle sind bis heute Inbegriff für Festigkeit und Stabilität. Mit Verbundwerkstoffen aus Carbon können Bauteile mit ähnlichen Festigkeitsgüten leichter gemacht werden. Die Herbert Hänchen GmbH & Co. KG aus Ostfildern hat das Potenzial dieses hoch belastbaren Verbundmaterials konsequent für neue Anwendungen erschlossen. Der eigenentwickelte Werkstoff H-CFK wurde bisher zur Fertigung von Hydraulikzylindern und Kolbenstangen verwendet. Der Einsatzbereich soll nun erweitert werden. Bei einer Gewichtsersparnis von bis zu 80 % kann jedes Bauteil individuell auf Festigkeit und Steifigkeit designt werden – zum Beispiel Handlingstangen zum Heben von LKW-Planen oder zum Reinigen von Silos.
Stangen zum Heben oder Reinigen
Beim Einsatz von knapp 7 m langen Stangen aus H-CFK zum Reinigen von Silos kommen die Möglichkeiten des neuen Werkstoffs eindrucksvoll zur Geltung. Bei Stangen dieser Länge entstehen durch das Eigengewicht sehr große Hebelkräfte, die der Benutzer mit den Händen halten muss. Hier bietet H-CFK völlig neue Konstruktionsmöglichkeiten. Diese Erfahrungen können auch auf die Logistik und andere Bereiche übertragen werden, in denen besonders lange Stangen für das Handling oder Reinigungszwecke eingesetzt werden. Hochregallager oder manuelle Eingriffe in automatische Transportsysteme sind Beispiele dafür. Der Schwerpunkt von Hänchen liegt vor allem in der Realisierung besonders kleinerer Serien. Das Unternehmen arbeitet dabei mit einer speziellen 7-Achs-Wickelmaschine, die eine komplette Eigenentwicklung ist. Sie ermöglicht es, die Fasern von 0° bis 90° zu legen. Somit ist ein an die Anforderungen optimal angepasster Laminataufbau konstruierbar.
Fast 7 m lang und nur 1500 g schwer
Bei der Handlingstange für die Siloreinigung sprachen verschiedene Vorgaben für den neuen Werkstoff. Holzstangen, eine klassische Lösung, brechen leicht und sind hygienisch nicht akzeptabel. Klassische Kunststoffe aber auch herkömmliche Faserverbünde waren nicht steif genug bei dieser Länge. Metalle, bevorzugt Stahl- oder Aluminiumlegierungen, waren zu schwer.
Carbon-Werkstoffe sind werkstoffbedingt spröder als Stahl. Doch das maßgeschneiderte Design des H-CFK-Verfahrens konnte dies ausgleichen. Die Handlingstangen im Silo haben bei einer Länge von 6800 mm eine Gesamtmasse von nur 1500 g und somit weniger als die Hälfte des Gewichts anderer Lösungen. Damit verringern sich die resultierenden Hebelkräfte im Vergleich zu anderen Materialien wie Stahl drastisch. Die Handkräfte, also die Belastung für den Benutzer, betragen bei waagerechtem Einsatz nur ca. 50 N Druckkraft im hinteren und unter 65 N Zugkraft im vorderen Handbereich. Dies erlaubt auch den ermüdungsarmen Langzeiteinsatz mit guten Handhabungseigenschaften. Der Außendurchmesser beträgt 34 mm, was gute Griffeigenschaften ergibt. Am vorderen Ende der Handlingsstange befindet sich ein Adapter aus Aluminium mit dem kundenspezifische Enden eingebracht werden können, seien es Besen zum Abkehren von Silowänden oder Haken zum Lösen oder Schieben eines Gegenstandes. Die Belastbarkeit der Stange auf Zug und Druck beträgt 40 kg. Handlingsstangen aus H-CFK sind ohne weiteres für Betriebstemperaturen über 50 °C einsetzbar. Zulässige Temperaturen bis 80 °C oder auch höher sind optional möglich.
Größtmögliche Belastbarkeit
Um eine größtmögliche Belastbarkeit der Handlingsstange zu erreichen, ist es erforderlich, einen Kombinations-Laminataufbau zu designen, bestehend aus UD-0°-Lagen kombiniert mit 45°-Lagen. Ein UD-0°-Lagen-Laminat kann Längskräfte sehr gut aufnehmen und gibt dem Bauteil eine hohe Biegesteifigkeit. Jedoch ist ein reines UD-0°-Lagen-Laminat – wie es etwa bei der Herstellung von pultrudierten Rohren entsteht – sehr bruchanfällig bei Stößen. Die im Handlingbereich hohen Anforderungen an die Schlagfestigkeit sind daher mit einem reinen UD-Laminat meist nicht erreichbar. Ein reiner 45°-Lagen-Aufbau könnte die Druckkräfte nicht ausreichend tragen und wäre nicht biegesteif genug. Das eingesetzte Harzsystem bietet höherwertige Festigkeits- und Steifigkeitswerte im Vergleich zu Einfachsystemen wie Pultrusionsharzen. Die Stange hat einen Temperaturausdehnungskoeffizient von 1,2*10-5 1/K. Auf die Gesamtlänge ergibt sich bei einer Temperaturdifferenz von 10 °C eine Verlängerung von nur etwa 1 mm, was typisch für das Material und in vielen Anwendungen ein deutlicher Vorteil gegenüber Metall ist.
Aramid-Geflecht verhindert Splittern
Selbst für den Fall einer Überlastung wird vorgesorgt: Bei Überschreiten der zulässigen axialen Druckbelastung kommt es zum Durchbiegen des Stabes. Eine dadurch ausgelöste Verkürzung des Stabes reduziert die Reichweite. Dies ist ein markantes Überlastungszeichen für den Anwender. Wird die Kraft trotz Durchbiegen aufrechterhalten, kann es zum Ausknicken des Stabes kommen. Durch ein in den Compound eingebundenes Aramid-Geflecht wird ein komplettes Splittern verhindert – ein vergleichbares System wie bei Sicherheitsglas. Damit ist auch für die Sicherheit der Mitarbeiter gesorgt. Ebenso gilt dies für die mögliche elektrische Isolation des Griffs. Die Leitfähigkeit der Einzelschichten von H-CFK wird durch eine Vielzahl von Parametern bestimmt. Unter anderem wirken sich der Harzgehalt, der Faserwinkel, das Laminatdesign und die direkten Faser-Faser-Kontakte auf die Leitfähigkeit aus. Um eventuell mögliche elektrisch indizierte Gefahren zu minimieren, bietet Hänchen einen isolierenden und farblich-akzentuierten Griffbereich an. Dieser kann nach den üblichen Verfahren evaluiert werden.
Hochfeste Verbindung mit Metall
Der Fertigungsprozess erlaubt zudem eine hochfeste Verbindung zwischen Endstücken mit Gewinden, Flanschen und anderen Komponenten, die wegen ihrer Form oder bestimmter Bearbeitungsprozesse aus Metall bestehen. Sie werden in das aus Carbon designte Bauteil eingebunden oder eingeklebt. Konventionell geklebte Verbindungen halten deutlich geringere Belastungen aus als eingebundene Enden. Für hohe Belastungen greift Hänchen auf die Erfahrungen aus der Hydraulik zurück. Die besondere Wickeltechnologie macht es möglich, metallische Objekte fest einzubinden. Mit diesem Verfahren können hochbelastbare hybride Leichtbauelemente designt und produziert werden. Lange Handlingstangen bestehen meist aus zwei gleich langen Abschnitten, die über eine innen liegende Muffe verbunden und verschraubt sind.
Chemische Beständigkeit
Die Außenoberfläche der Stange kann wickelrau oder mit der speziellen H-CFK-Oberfläche ausgeführt sein. Insbesondere bei der Anforderung nach Beständigkeit gegenüber aggressiven Medien, wie zum Beispiel Reiningungslaugen, bietet H-CFK durch den Einsatz einer besonderen Beschichtung Vorteile. Dies betrifft neben einer Reihe von Laugen und Säuren auch Medien wie Bremsflüssigkeit, Öle oder Adblue. Ebenso ist H-CFK sehr gut beständig gegenüber Salzwasser. So zeigt der Werkstoff im 96-Stunden-Salzsprühtest keine Veränderungen, was ihn für Einsätze im Seewasserbereich oder auf winterlichen Straßen geeignet macht. All dies zeigt, dass der Einsatz in Silos nur eine Möglichkeit der Verwendung von H-CFK im Handlingbereich ist. (qui)
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