Industrielle Kommunikation 5G für die Industrie im Praxistest

Von Dr. Susanne Krichel und Ralf Moebus

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Wie kann 5G in der Industrie optimal genutzt werden? Dazu hat kürzlich der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) einen Leitfaden herausgebracht. Lapp hat in zwei Anwendungsfällen mitgewirkt.

5G soll künftig die Mobilität von Kommunikationsteilnehmern in industriellen Anwendungen weiter optimieren.
5G soll künftig die Mobilität von Kommunikationsteilnehmern in industriellen Anwendungen weiter optimieren.
(Bild: Gorodenkoff Productions OU)

Funktechnik in der Industrie gibt es schon lange. WLAN und Bluetooth werden bereits für Anwendungen wie Handheld-Scanner oder fahrerlose Transportsysteme (FTS) standardmäßig eingesetzt. Vereinzelt wird Funk auch für echtzeitkritische Anwendungen zur Übertragung von Feldbussen und Steuerungsdaten über drahtlose Verbindungen verwendet.

Die Vorteile dieser Technologie: In bewegten Anwendungen innerhalb von Maschinen, wo Kabel durch ständige Bewegung verschleißen, kann mittels drahtloser Datenübertragung der Verschleiß reduziert werden. Auch bei mobilen Anwendungen, bei denen Kabel die Mobilität einschränken, wird die Funktechnik bevorzugt.

5G echtzeitfähig machen

In weiteren Anwendungen des Produktionsumfelds konnten sich Funksysteme bisher nur bedingt durchsetzen, weil mit den vorhandenen Funktechnologien die Übertragung von Echtzeitdaten für die SPS-Steuersignale nur für relativ langsam laufende Prozesse zuverlässig machbar war. 5G hingegen könnte eine interessante Technologie für die Industrie werden. Geringe Latenzen von bis zu 1 ms sprechen für Echtzeitfähigkeit – eine Grundlage für automatisierte, schnelllaufende Produktionsprozesse.

Hohe Erwartungen werden in die 5G-Funktion MMIMO (Massive Multiple In Multiple Out) gesetzt. MMIMO bedeutet, dass wesentlich mehr Antennen als bisher (UMTS/LTE) zum Einsatz kommen. Diese Technik ermöglicht auch das sogenannte Beamforming. Die Teilnehmer können sich dabei quasi von mehreren Signalen das stärkste aussuchen. Das ermöglicht eine bessere Abdeckung und damit eine höhere Verbindungsstabilität. Gleichzeitig sind mehr Teilnehmer mit weniger Energieverbrauch und, wenn nötig, höherer Bandbreite möglich. Mit 5G wird TSN (Time Sensitive Network) als Echtzeitprotokoll eingeführt. TSN, das bereits seit längerem für industrielle Netzwerke diskutiert wird, soll auch 5G echtzeitfähig machen. Damit werden, im Endausbau von 5G, Kommunikationszyklen < 1 ms möglich sein. Verglichen mit heutigen Funktechnologien wären auf dieser Grundlage wesentlich dynamischere Prozesse drahtlos steuerbar.

Kein Funk ohne Kabel

Experten von Lapp beschäftigen sich schon länger sehr intensiv mit dem Thema 5G und wissen inzwischen: kein Funk ohne Kabel. Lapp sieht 5G als Ergänzung seiner Lösungen und nicht als Bedrohung. Deshalb hat das Unternehmen den VDMA bei der Erstellung eines praxisnahen Leitfadens unterstützt. Lapp hat einige Anwendungsfälle mitgestaltet und sich dabei mit Marktbegleitern an einen Tisch gesetzt und offen die Chancen von 5G diskutiert.

Besonders interessant ist der Anwendungsfall „Fahrerlose Transportsysteme (FTS)“. FTS werden heute in der Intralogistik oder bei hochautomatisierten Fertigungen wie im Automobilbereich eingesetzt. Sie können autonom in den Fabrikhallen Güter oder Werkzeuge von A nach B transportieren und somit die Produktionsmitarbeiter entlasten.

Fahrerlose Transportsysteme im Logistikzentrum von Lapp in Ludwigsburg.
Fahrerlose Transportsysteme im Logistikzentrum von Lapp in Ludwigsburg.
(Bild: Lapp)

Fahrerlose Transportsysteme bei Lapp

FTS kommen beispielsweise im Lapp-Logistikzentrum in Ludwigsburg zum Einsatz. Die drei Hallen umfassen insgesamt 30.000 m². Über ein rund 700 m langes Förderband werden die Kabeltrommeln vollautomatisch zu den Regalen transportiert. Fahrerlose Transportsysteme, die mit einer autonomen Navigationseinrichtung ausgerüstet sind, bringen sie zur Ablängerei oder transportieren angebrochene Trommeln zur Fördertechnik zurück. Die FTS finden ohne Bodenmarkierungen oder ergänzende Spiegel ihren Weg.

Mit 5G könnte die Technologie der FTS optimiert werden. Die benötigten Latenzzeiten liegen in einem Bereich, der mit 5G möglich ist. 5G erlaubt voraussichtlich eine kürzere Roamingdauer als das heutige WLAN. Ist sie zu lang, bleibt das FTS stehen. Das geschieht vor allem beim Wechsel von einer Halle in die nächste. Bei WLAN-Strecken kann dieses Roaming 30 ms bis 50 ms dauern. Mit Einsatz von 5G sind diese Zeiten deutlich niedriger, da das An- und Abmelden entfällt.

Weiterer positiver Effekt: Mit 5G sind wesentlich geringere Latenzzeiten als bei WLAN möglich. Somit wird der störungsfreie Betrieb eines FTS zusätzlich gesichert. Eine weitere interessante Eigenschaft von 5G ist die Lokalisierungsfunktion, welche mit Release 15 noch mit 20 m und mit Release 16 bereits 3 m zum Ziel hat. Mit den Folge-Releases wird von einer weiteren Verbesserung der Genauigkeit ausgegangen, womit ein Einsatz für FTS zunehmend interessanter wird.

Profinet über 5G

Bei den zwei weiteren Anwendungsfällen „Echtzeitfähige Datenstrecken in verschleißbehafteten Anwendungen“ und „M2M / Remote IO mit Feldbus“ hat Lapp ebenfalls intensiv mitgearbeitet. Der Lapp-Application-Guide zeigt, welche Profinet-Strecken in Anlagen aus drei Kernbranchen verbaut sind. Im Leitfaden wurde besonders die Übertragung eines Ethernet-basierten Feldbusses wie zum Beispiel Profinet über 5G auf den Prüfstand gestellt. Die Funktechnik könnte dabei direkt in ein dezentrales EA-System (=Remote IO) integriert sein und die Datenleitung im Dresspack ersetzen.

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Stand heute gilt die drahtgebundene Verbindung als sicher, zuverlässig und stabil, vor allem bei den hohen Präzisionsanforderungen von Antriebssystemen und Robotern. Ist aber der Bauraum begrenzt, die Dynamik immer höher und der Arbeitsraum größer, führt das zu hohen Belastungen der Datenleitungen und somit zu erhöhtem Verschleißrisiko.

Ein über 5G drahtlos angebundenes Remote IO würde die Anbindung und Übertragung von mehreren Sensoren bzw. Aktoren erlauben. Dabei ist es wichtig, dass die Ansteuersignale in Echtzeit an beispielsweise einen Greifer geschickt werden, bereits mit dem 5G-Release 15 würde die mögliche Latenzzeit von 5 ms dafür ausreichen. Heutige WLAN-Strecken sind auf 10 ms begrenzt. Die Latenzen reichen für Aktoren wie Servo-Antriebe jedoch noch nicht aus. Eine Lokalisierung des End-of-Arm-Tools auf bis zu +/- 0,5 mm ist Stand heute mit 5G noch nicht machbar.

Die Etherline-Access-Switches für Profinet gehören zu den kleinsten auf dem Markt. Lapp sieht im Bereich der Switches TSN als wichtige Zukunftstechnologie.
Die Etherline-Access-Switches für Profinet gehören zu den kleinsten auf dem Markt. Lapp sieht im Bereich der Switches TSN als wichtige Zukunftstechnologie.
(Bild: Lapp)

Wo flexible Kommunikationskonzepte nötig sind

5G bietet in diesen Anwendungsfällen insbesondere dort Chancen, wo kleine Losgrößen und häufiges Umrüsten flexible Kommunikationskonzepte erfordern. In spezifischen Anwendungen kann auch eine Gewichtsreduzierung interessant sein: Je weniger Kabel im Dresspack verbaut sind, umso höher kann die Dynamik sein, umso kleiner kann die Kinematik an sich bauen. Auch Energiespareffekte wären möglich. Spannend ist auch die Kombination von TSN mit 5G. Lapp sieht im Bereich des Etherline-Access-Industrial-Ethernet-Switch-Portfolios TSN als wichtige Zukunftstechnologie. Durch TSN über 5G wäre damit eine durchgängige Echtzeitkommunikation der drahtgebundenen zu den drahtlosen Netzwerken denkbar.

Bei Lapp zieht man folgendes Fazit zur 5G-Technologie: 5G wird die Mobilität von Kommunikationsteilnehmern in indus­triellen Anwendungen weiter optimieren. 5G und alle anderen existierenden Funktechnologien sind eine ideale Ergänzung zu drahtgebunden Kommunikationslösungen, jede mit ihren eigenen spezifischen Vor- und Nachteilen. 5G wird vieles verändern, aber auch nicht alles.

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* Dr. Susanne Krichel ist Senior Manager Business Development IoT bei Lapp und Ralf Moebus leitet das Produktmanagement Automation bei Lapp.

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