Corona-Krise Zehn Tipps gegen den Lagerkoller
Das Corona-Virus legt das öffentliche Leben in vielen Teilen Deutschlands lahm. Wie die Wochen oder gar Monate mehr oder weniger isoliert in den eigenen vier Wänden überstehen? Zehn Tipps gegen den drohenden Lagerkoller.
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Über die gesundheitlichen Gefahren und wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise sind viele Menschen aktuell nicht nur besorgt, sondern fragen sich mit wachsender Unsicherheit, wie sie die Wochen oder gar Monate mehr oder weniger isoliert in der eigenen häuslichen Umgebung überstehen sollen. „Wir alle befinden uns derzeit in einer so nie da gewesenen und für die meisten völlig ungewohnten Ausnahmesituation“, sagt Prof. Dr. Stephan Mühlig, Inhaber der Professur Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Chemnitz und Leiter der Raucherambulanz Chemnitz sowie der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz (PHA-TUC GmbH). Er hat zehn Tipps, wie man dazu beitragen kann, die eigene psychische, soziale und körperliche Gesundheit aufrechtzuerhalten und sich vor dem Lagerkoller zu schützen:
1. Tagesrhythmus beibehalten
Auch im Home-Office oder Homeschooling ist ein regelmäßiger Tagesrhythmus mit festen Aufsteh-, Arbeits- und Schlafenszeiten wichtig. Dadurch wird eine regelmäßige Tagesstruktur geschaffen und die emotionale Stabilität begünstigt.
Auch die Kinder sollten eine angemessene Tagesstruktur aufrechterhalten auch wenn sie nicht zur gleichen Zeit geweckt werden müssen wie zur ersten Schulstunde, so der Experte. Schulkindern sollte dabei geholfen werden, die übermittelten Schulaufgaben zu strukturieren und in sinnvollen „Portionen“ zu bearbeiten. Andernfalls fühlen viele Kinder sich durch die ungewohnte Menge an Aufgaben, die von den Lehrern „geballt“ für eine Woche oder länger übermittelt werden, regelrecht „erschlagen“ und reagieren mit Verängstigung, Stress und Widerstand.
Unter den gegebenen Bedingungen kommt es für einige Berufstätige zu einer akuten Doppelbelastung zwischen Home-Office-Beanspruchung und gleichzeitiger Kinderbetreuung im eigenen Haushalt. Im Zweifelfall sollte die Fürsorge für kleine Kinder Vorrang haben vor den beruflichen Aufgaben, rät Prof. Mühlig. Für die richtige Balance, sollten demnach Home-Office-Aufgaben tageszeitlich so eingetaktet werden (z. B. in die Abendstunden verlegt), dass sie sich mit der Kleinkinderbetreuung vereinbaren lassen. Arbeitgeber und Vorgesetzte sind gefordert, unter den Ausnahmebedingungen Verständnis zu zeigen und Zugeständnisse an die Arbeitsleistung der Mitarbeiter zu machen.
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2. Bewegung an der frischen Luft anstreben
Bewegung und frische Luft kommt der körperlichen wie der psychischen Gesundheit zugute, das Immunsystem wird angeregt. „Wird die Lunge durch moderate Anstrengung belüftet, ist sie besser durchblutet, was wiederum die Infektabwehr auch gegen SARS-CoV-2 unterstützt“, sagt Prof. Dr. Stephan Mühlig. Ein zumindest kurzzeitiger Ortswechsel verhindert die Reizmonotonie in den eigenen vier Wänden und steigert das Wohlbefinden.
3. Trainingsplan für die sportliche Betätigung zu Hause erarbeiten
Auch sportliche Betätigung im eigenen Zuhause trägt zur Gesunderhaltung bei und verbessert die Lebensqualität. „Stellen Sie sich einen Indoor-Trainingsplan zusammen und kommen Sie mindestens 15 bis 30 Minuten täglich in Bewegung, möglichst unter guter Raumbelüftung“, rät der Experte. Im Internet gibt es zahlreiche, auch wissenschaftlich getestete, Indoor-Trainingsprogramme für unterschiedliche Altersstufen und Trainingsgrade. Regelmäßige moderate sportliche Beanspruchung (bis zum leichten Schwitzen) stabilisiert das Herz-Kreislauf-System, die Immunabwehr, aber auch das psychische Wohlbefinden und dient dem Spannungs- und Stressabbau.
4. Auf Zigaretten und Alkohol verzichten
Wer raucht, sollte schnellstmöglich damit aufhören. Eine vorgeschädigte oder akut gereizte Lunge ist wahrscheinlich mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf verbunden, falls Raucher sich infizieren und erkranken sollten. Auch Alkoholkonsum ist nicht hilfreich. Alkohol tötet Viren nur im Reagenzglas. Alkohol in der Blutbahn schützt hingegen nicht vor einer Virusinfektion, stört aber das Immunsystem. Dies gilt auch für andere Drogen.
5. Soziale Kontakte über Internet und Telefon pflegen
Es ist für viele Menschen extrem schwer, über längere Zeit ihre sozialen Kontakte auszusetzen, nicht unter Leute gehen zu dürfen. ”Wir sind soziale Wesen und brauchen den Kontakt und Austausch mit anderen Menschen“, sagt Prof. Mühlig. Für das emotionale Gleichgewicht sollte man sich deshalb klar zu machen, dass der Ausnahmezustand zeitlich überschaubar bleibt. Eine Ausweichmöglichkeit bieten hierbei die sozialen Medien: in Echtzeit schreiben bzw. chatten, telefonieren und per Videochat sehen und unterhalten. „Man sollte diese Möglichkeiten voll ausnutzen, Kontakt halten und den Austausch mit möglichst vielen Angehörigen, Freunden und Bekannten über Social Media suchen“, rät der Psychologe. Man sollte auch daran denken, sich proaktiv bei alleinlebenden Menschen zu melden, um deren Vereinsamungserleben zu lindern.
6. Sinnvolle und abwechslungsreiche Beschäftigungen suchen
Auch unter Isolationsbedingungen zu Hause kann man sich sinnvoll beschäftigen, z. B. Dinge erledigen, die man zu Hause schon immer mal erledigen wollte, z. B. Ordnung machen, die Wohnung „ausmisten“ bzw. neu gestalten, die Festplatte aufräumen, Fotos archivieren, Unterhaltungsspiele mit der Familie erleben oder mal wieder ein Buch lesen. Fernsehen, Computerspiele, Netflix-Streaming etc. dienen der Ablenkung und sind selbstverständlich möglich. ”Falls sich die Isolation über mehrere Wochen hinziehen sollte, ist passive Unterhaltung oder Videospielen aber zu einseitig“, warnt der Experte. Wichtig für die emotionale Stabilität ist es, sich Aufgaben zu suchen, mit denen man in der Wartezeit produktiv bleiben kann. Zudem führt stundenlanges Streamen von Spielfilmen und Serien oder ähnliche hohe Datenmengenübertragungen zu Freizeitzwecken möglicherweise zur Überlastung der Netze. Der gesellschaftliche Datenaustausch für Home-Office-Tätigkeiten könne somit stark beeinträchtigt werden.
7. Balance zwischen Zusammensein und Für-sich-sein-Können finden
Beim engen Zusammenleben unter einem Dach über längere Zeit kommt es häufig dazu, dass uns „die Anderen“ auf die Nerven gehen, man sich selbst über Kleinigkeiten extrem ärgern kann und schnell Konflikte und Streit entstehen. Hier gilt es, eine gute Balance zwischen Zusammensein und Für-sich-sein-Können zu finden. Dazu zählt in erster Linie, die eigene Privatsphäre zu schützen und die der anderen zu respektieren. Jedem Haushaltsmitglied müssen Rückzugsräume und -möglichkeiten geschaffen und erhalten werden.
8. Regeln für das Zusammenleben im Haushalt finden
Eine gemeinsame Ordnung im Haushalt und Regeln des Zusammenlebens zu finden, gehört zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Wenn alle mehr Rücksicht aufeinander nehmen, gibt es weniger Anlass zum Streit. Wenn man sich nicht aus dem Weg gehen kann, sollte man Konflikte vermeiden oder schnell regeln. Für ein angenehmes Zusammenleben ist es auch hilfreich, einige Aktivitäten mit allen Haushaltsmitgliedern regelmäßig gemeinsam zu machen, z. B. das Ritual gemeinsamer Mahlzeiten, aber auch gemeinsame Freizeitaktivitäten (Gesellschaftsspiele, Basteln, Puzzeln o. ä.). Die Zeit für sich selber kann man – statt ausschließlich mit Medienkonsum und Ablenkung – auch sinnvoll nutzen, indem man gezielt etwas für den eigenen Geist tut, z. B. durch Entspannung, Meditation oder Musikhören bzw. selbst Musizieren oder Singen.
9. Auf seriöse Informationsquellen achten
Es ist wichtig und möglich, nicht den Kopf zu verlieren. Einerseits sollten alle den Ernst der Lage erkennen und sich entsprechend verhalten. Andererseits gibt es trotz allem keinen Grund, in Panik zu verfallen. „Wir leben in einem reichen Land mit vielen Ressourcen und werden diese Krise letztlich durchstehen“, sagt Prof. Mühlig. Um die Lage sachlich und vernünftig einschätzen zu können gehört es dazu, sich ausreichend und korrekt zu informieren. Dabei sollte auf die Seriosität der Informationsquellen geachtet werden. Leider kursieren im Internet schon wieder zahlreiche Falschinformationen und Verschwörungstheorien, mit denen sich einige skrupellose Personen wichtig machen oder sogar Geld verdienen. Diese Fake News verführen zu falschen Einschätzungen und falschem Handeln. Sie sind insofern gefährlich, weil Nichtbeachtung von Sicherheitsempfehlungen uns alle gefährdet. „Sie können hierzu insbesondere auf Informationen der Bundes- und Landesregierung sowie des Robert Koch-Instituts zurückgreifen“, empfiehlt der Experte. Den Kindern sollte man die Lage in altersgerechter Sprache erläutern, ohne sie zu überfordern oder zu ängstigen. Die Botschaft sollte sein: Alles wird wieder gut, wir schaffen das!
10. Bei Überforderung Hilfe suchen
Wer den Eindruck habe, trotz alldem mit der Situation überfordert zu sein, oder bspw. unter Angstzuständen, Unruhe, starker Anspannung, Überaktivität, Gereiztheit, aggressiven Ausbrüchen oder ausgeprägter Niedergeschlagenheit leidet, sollte rechtzeitig mit dem professionellen Hilfesystem (z. B. Beratungsstellen bei den Krankenkassen, Sorgentelefon, psychotherapeutische Beratungsstellen) Kontakt per Telefon oder E-Mail aufnehmen, rät Prof. Dr. Stephan Mühlig.
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