Erneuerbare Energien Deutschland 2018 aktuell Windkraft in der Krise – düstere Entwicklungen
Klimawandel, zögerliche Politik, Kosten und verlangsamter Ausbau – die Windenergie steht vor großen Herausforderungen. Ist der Industrie-4.0-Innovationstreiber Windindustrie in Deutschland noch zu retten?
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Die gute Nachricht vorab: Wind hat sich bis heute als die vielversprechendste erneuerbare Energiequelle erwiesen. „Die Stromproduktion mit Windenergieanlagen ist in unserem Energieversorgungssystem nicht mehr wegzudenken. Ein Drittel der Bruttostromerzeugung 2017 stammt aus erneuerbaren Energiequellen, davon knapp die Hälfte aus Windenergieanlagen an Land und auf See“, fasst Prof. Kurt Rohrig, Herausgeber des neu erschienenen „Windenergie Report Deutschland 2017“ des Fraunhofer IEE, die Bedeutung der Windenergie für die energiewirtschaftliche Zukunft zusammen.
Die Anteile der Energieträger Braunkohle, Steinkohle und Kernenergie sind weiterhin rückläufig. Der Windenergiebeitrag zur deutschen Bruttostromerzeugung von 80 TWh im Vorjahr stieg im Jahr 2017 um mehr als 34 % auf 107,5 TWh.
Zubau an Land 2017 auf Rekordniveau
1850 Windenergieanlagen mit 5514 MW Nennleistung nahmen 2017 den Betrieb auf. Damit wurde das bisherige Rekordergebnis von 2014 mit 4665 MW übertroffen. Deutschlandweit tragen mittlerweile rund 29.300 Windenergieanlagen an Land mit knapp 51.000 MW Nennleistung zur Energieversorgung bei.
Der größte absolute Leistungszubau fand mit 1445 MW in Niedersachsen statt. Die durchschnittliche 2017 gebaute Windenergieanlage dreht sich auf einem Turm mit 128 m Nabenhöhe, hat 113 m Rotordurchmesser und 3 MW Nennleistung. Allerdings stellt eine jährlich erstellte „Kurzanalyse des Marktes für Windkraft in Deutschland“ des renommierten Hamburger Beratungsunternehmen Övermöhle Consult & Marketing eine düstere Prognose für die kommenden Jahre: „Nach dem Rekordausbau der Windenergie im letzten Jahr wird die Zahl neu errichteter Windenergieanlagen in diesem Jahr erheblich sinken. Gemäß den konkreten Planungen der befragten Windkraftprojektierer werden an Land etwa 4000 MW (minus 25 %) neu zugebaut“, erläutert der ÖCM Geschäftsführer Klaus Övermöhle. Dieser negative Trend wird sich der Analyse nach auch 2019 fortsetzen, sollte die Bundesregierung ihren Ankündigungen nicht unverzüglich konkrete Gesetzesinitiativen folgen lassen. Werden die Ausbaukorridore nicht erhöht, verschlechtern sich die Aussichten weiter.
Was will die Politik?
Das EEG hat sich doch in Bezug auf den Ausbau der erneuerbaren Energien als „ausgesprochen erfolgreich“ erwiesen, steht im „EEG-Erfahrungsbericht für den deutschen Bundestag 2011“. Und Zweck des Gesetzes sei im „Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen.“ So weit so gut – allerdings wurde in der letzten Novelle (2016) des EEG der Ausbau der erneuerbaren Energien nach oben auf 45 % im Strommix gedeckelt. Der damalige Wirtschaftsminister Gabriel wollte mit der EEG-Novelle die Förderung der erneuerbaren Energien beenden und sie in den Markt entlassen. Und so kam es dann auch: Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht in Zeile 3.274, dass „ausschließlich bundesemisionsschutzrechlich genehmigte Projekte“ an Marktausschreibungen teilnehmen dürfen. Diese Vorschrift – einst zur Unterstützung der demokratischen Energiewende gedacht – hat sich aber ins Gegenteil gekehrt.
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Windpark
Höchste Windkraftanlagen der Welt gehen ans Netz
Windparks auf dem Papier
Es dauert meist länger als ein Jahr und kostet bis zu 100.000 Euro, eine solche Genehmigung zu erhalten, schreibt die „Zeit“ in einem kürzlich erschienenen Artikel. Hinzu kommt, dass Ausschreibungsauktionen von Parks mit Windrädern kalkuliert werden, die in Größe und Leistung noch gar nicht existieren. Projektierer bieten daher mit spekulativen Preisen. Nach der Ausschreibung haben die Firmen bis zu vier Jahre Zeit, die teuren Genehmigungen nachzureichen und die Fantasie-Windräder tatsächlich zu bauen.
Wie viele Anlagen dann am Ende des Tages aufgestellt werden, bleibt allerdings unklar. Gingen im vergangenen Jahr noch Windanlagen mit einer Kapazität von mehr als 5300 MW ans Netz, rechnet der Bundesverband Windenergie im kommenden Jahr mit nur noch 1000 MW. „Der deutschen Windbranche bricht damit ein Großteil des Geschäfts weg“, warnt Matthias Zelinger, Geschäftsführer des Verbands VDMA Power Systems.
Windkraft ist Innovationskraft
Noch ist die Windenergiebranche innovativ und wartet mit vielen Neuheiten auf: Windräder mit bis zu 80 Meter langen Rotorblättern und einem Rotordurchmesser von über 160 Metern sollen für maximale Energieausbeute sorgen. Fraunhofer-Forscher entwickeln gemeinsam mit Industriepartnern hochbelastbare thermoplastische Schäume und Verbundwerkstoffe, die die Blätter von Offshore-Windrädern leichter und recycelbar machen. Zeitgleich arbeitet das Fraunhofer IWES im Projekt „Smart Blades“ an Rotorblättern, die durch eine neuartige Biegetorsions-Kopplung in der Lage sind, auf hohe Schwankungen der Windstärken besser zu reagieren. Damit sollen unter anderem Stillstände bei starkem Wind verhindert werden. Das Gesamtbild wird durch konsequente Digitalisierung und Automation abgerundet – intelligente Steuerungstechnik, wie Entwicklungen der TU München, können komplexe Windturbulenzen in ganzen Windparks berechnen und so die Leistung deutlich erhöhen. Jede Komponente, die in neue Windenergieanlagen verbaut wird, ist entweder eine Neu- oder eine Weiterentwicklung, die maximale Effizienz verspricht. Wie aber soll diese Innovationsgeschwindigkeit aufrecht erhalten werden, wenn die Aktienkurse wie auch die Zubau-Zahlen kontinuierlich sinken bzw. gesetzlich gedeckelt werden?
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Nordex Aktienentwicklung der letzten 3 Jahre
Ein steifer Wind aus Osten
Der Markt findet einen Weg – und es sieht danach aus, dass dieser aus Deutschland weg führt. China ist mit 188.232 MW das Land mit der größten Leistung 2017 und hat mit 510.000 Beschäftigten vor Deutschland mit 160.000 Arbeitsplätzen auch die meisten Beschäftigten in der Windindustrie. Prognostiziert wird bis 2020 ein jährlicher Zubau von 20 GW – für Deutschland nur 1,6 GW.
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Offshore-Windkraft
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