Wälzlager Wälzlager unter extremen Bedingungen richtig auslegen

Von Barney Eley und Stefan Vogel

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Um auch unter rauen und extremen Bedingungen zuverlässig arbeitende Wälzlager zu gewährleisten, muss besonderes Augenmerk auf Schmierung, Werkstoffen, Oberflächenbeschichtungen und Wärmebehandlung liegen.

Die Lagersysteme von Barden bieten eine lange Nutzungsdauer und können mit hohen Drehzahlen betrieben werden – ideale Voraussetzungen für Turbomolekularpumpen zur Erzeugung von Vakuumumgebungen.
Die Lagersysteme von Barden bieten eine lange Nutzungsdauer und können mit hohen Drehzahlen betrieben werden – ideale Voraussetzungen für Turbomolekularpumpen zur Erzeugung von Vakuumumgebungen.
(Bild: HQW Precision)

Vakuumanwendungen, der Einsatz bei sehr hohen oder niedrigen Temperaturen oder in einer korrosiven Umgebung etwa führen bei Standardlagern zu Problemen und vorzeitigen Defekten. Ein Lagersystem besteht aus vielen Teilen, darunter Kugeln, Ringe und Käfige. Um die Zuverlässigkeit unter den genannten Bedingungen zu verbessern, muss jedes Teil kritisch geprüft werden. Wir betrachten nachfolgend die Schmierung, Werkstoffe, spezielle Wärmebehandlung und Beschichtungen, damit Lager für ihre Anwendung optimal konfiguriert werden können und eine lange Lebensdauer erreichen.

Wälzlager in Ultrahochvakuum-Umgebung

Speziell konstruierte Lager funktionieren auch 
in Ultrahochvakuum-Umgebungen wie etwa der Halbleiterfertigung zuverlässig.
Speziell konstruierte Lager funktionieren auch 
in Ultrahochvakuum-Umgebungen wie etwa der Halbleiterfertigung zuverlässig.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay)

In Ultrahochvakuum-Umgebungen, wie sie bei der Produktion von Elektronik, Halbleitern und LCDs vorkommen, kann der Druck unter 10-7 mbar liegen. Ultrahochvakuumlager werden oft in Betätigungskomponenten solcher Produktionsumgebungen eingesetzt. Eine weitere typische Vakuumanwendung sind Turbomolekularpumpen (TMP), die das Vakuum für Produktionsumgebungen erzeugen. Bei dieser letztgenannten Anwendung müssen die Lager häufig auch hohen Drehzahlen standhalten.

Schmierung

Unter diesen Bedingungen ist die Schmierung entscheidend. Bei Hochvakuum verdampfen und entgasen Schmierfette. Das Fehlen einer wirksamen Schmierung kann zu Lagerschäden führen. Es muss daher eine Spezialschmierung verwendet werden. In Hochvakuumanwendungen (bis etwa 10-7 mbar) können PFPE-Fette eingesetzt werden, da diese weitaus beständiger gegen Verdampfung sind. In Ultrahochvakuum-Umgebungen (10-9 mbar und weniger Druck) müssen Festschmierstoffe und Beschichtungen verwendet werden.

Bei Umgebungen mit mittlerem Vakuum (ca. 10-2 mbar) können bei sorgfältiger Auslegung und Auswahl von speziellem Vakuumfett Lagersysteme konstruiert werden, die im Dauerbetrieb und bei hohen Drehzahlen eine lange Lebensdauer von mehr als 40.000 Stunden (ca. fünf Jahre) erreichen.

Wälzlager im Einsatz bei niedrigen Temperaturen

Auch niedrige Temperaturen können für Standardlager problematisch sein.

Schmierung

Bei Tieftemperaturanwendungen, z.B. kyrogenischen Pumpenanwendungen mit Temperaturen im Bereich von -190 °C, verhärten Ölschmierungen, was zu Lagerschäden führt. Daher eignen sich eher Festschmierstoffe wie Molybdändisulfid (MOS2) oder Wolframdisulfid (WS2). Außerdem kann bei diesen Anwendungen das gepumpte Medium als Schmiermittel fungieren. Dazu müssen die Lager aber speziell für den Betrieb bei solch niedrigen Temperaturen konfiguriert werden, wobei Materialien zu verwenden sind, die mit dem Medium harmonieren.

Werkstoffe

Ein Werkstoff, der sich als geeignet erwiesen hat, weil er die Ermüdungslebensdauer und Verschleißfestigkeit von Lagern verbessert, ist SV30 - ein martensitischer, durchgehärteter, korrosionsbeständiger Stahl mit hohem Stickstoffgehalt. Ebenfalls empfohlen werden Keramikkugeln. Durch seine inhärenten mechanischen Eigenschaften gewährleistet dieses Material den Betrieb unter schlechten Schmierungsbedingungen und arbeitet bei niedrigen Temperaturen zuverlässig.

Auch das Material der Käfige sollte so verschleißfest wie möglich gewählt werden. Dabei sind Polyetheretherketon (PEEK), Polychlortrifluorethylen (PCTFE) und Polyamid-Imid (PAI)-Kunststoffe gute Optionen.

Wärmebehandlung

Ringe werden speziell wärmebehandelt, um die Formstabilität bei niedrigen Temperaturen zu gewährleisten.

Innenkonstruktion

Ein weiterer Faktor für den Betrieb bei niedrigen Temperaturen ist der innere Aufbau des Wälzlagers. Lager besitzen ein gewisses Radialspiel, aber mit abnehmender Temperatur erfahren die Lagerkomponenten eine thermische Kontraktion, wodurch sich das Radialspiel verringert. Wenn sich das Radialspiel während des Betriebs auf Null reduziert, führt dies zum Ausfall des Lagers. Lager, die für Anwendungen bei niedrigen Temperaturen vorgesehen sind, sollten mit mehr Radialspiel bei Raumtemperatur ausgelegt werden, um ein akzeptables Betriebsradialspiel zu erzielen.

Wälzlager im Einsatz bei hohen Temperaturen

Bei Lagern für Betätigungssysteme in Luft- und Raumfahrt sind Schmierung, Werkstoffe, spezielle Wärmebehandlung oder Beschichtungen in Betracht zu ziehen, um eine optimale Auslegung zu erreichen.
Bei Lagern für Betätigungssysteme in Luft- und Raumfahrt sind Schmierung, Werkstoffe, spezielle Wärmebehandlung oder Beschichtungen in Betracht zu ziehen, um eine optimale Auslegung zu erreichen.
(Bild: HQW Precision)

Hochtemperaturanwendungen, wie sie beispielsweise in Betätigungssystemen in der Luft- und Raumfahrt vorkommen, können für Standardlager eine große Herausforderung darstellen. Darüber hinaus kommt es innerhalb der technischen Einheiten zu immer höheren Temperaturen, weil diese immer kompakter werden und eine höhere Leistungsdichte aufweisen, was für Standardlager ebenfalls ein Problem darstellt.

Schmierung

Öle und Fette haben maximale Betriebstemperaturen; darüber beginnen sie, sich zu zersetzen und schnell zu verdampfen, was wiederum zu Lagerausfällen führt. Standardschmierfette sind oft auf eine maximale Temperatur von etwa 120 °C begrenzt, einige herkömmliche Hochtemperaturfette sind bei Temperaturen bis zu 180 °C beständig.

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Für Anwendungen, die noch höhere Temperaturen erreichen, sind spezielle fluorierte Schmierfette erhältlich, mit denen Temperaturen von über 250 °C erreichbar sind. Wo Flüssigschmierung nicht möglich ist, ist Feststoffschmierung eine Option, die zuverlässigen Betrieb bei niedrigen Drehzahlen und noch höheren Temperaturen ermöglicht. In solchen Fällen werden MOS2, WS2, Graphit oder Polytetrafluorethylen (PTFE) als Festschmierstoffe empfohlen, da sie über längere Zeit sehr hohen Temperaturen standhalten können.

Werkstoffe

Bei Temperaturen über 300 °C sind spezielle Ring- und Kugelwerkstoffe erforderlich. AISI M50 ist ein Hochtemperaturstahl, der hier üblicherweise empfohlen wird, da er bei hohen Temperaturen ausgezeichnete Verschleiß- und Ermüdungsfestigkeit aufweist. BG42 ist ein weiterer Hochtemperaturstahl, der eine gute Warmhärte bei 300 °C aufweist und gerne aufgrund seiner hohen Korrosionsbeständigkeit eingesetzt wird. Auch dieser Stahl ist weniger anfällig für Ermüdung und Verschleiß bei extremen Temperaturen.

Hochtemperaturlagerkäfige sind ebenfalls erforderlich und können aus speziellen Polymerwerkstoffen wie PTFE, Polyamid, PAI und PEEK hergestellt werden. Lagerkäfige für ölgeschmierte Hochtemperatursysteme können auch aus Bronze, Messing oder versilbertem Stahl hergestellt werden.

Beschichtungen und Wärmebehandlung

Beschichtungen und Oberflächenbehandlungen sorgen dafür, die Reibung zu verringern, Korrosion zu verhindern, den Verschleiß zu senken und so die Lagerleistung bei hohen Temperaturen zu steigern. Stahlkäfige können beispielsweise mit Silber beschichtet werden, um Leistung und Zuverlässigkeit zu verbessern. Im Falle von Schmiermittelversagen oder Mangelschmierung wirkt die Versilberung wie ein Festschmierstoff, sodass das Lager für kurze Zeit oder in einer Notfallsituation weiterlaufen kann.

Korrosionsbeständige Wälzlager

Lager, die für den Einsatz in korrosiven Umgebungen vorgesehen sind, müssen speziell konfiguriert werden, da sie Säuren, Laugen, Salzwasser sowie anderen korrosiven Chemikalien ausgesetzt sein können.

Werkstoffe

Das Schaubild zeigt den Grad der Korrosion über der Zeitachse für die drei Werkstoffe SV30, X65Cr13 und 100Cr6 in kontrollierten Salzsprühversuchen.
Das Schaubild zeigt den Grad der Korrosion über der Zeitachse für die drei Werkstoffe SV30, X65Cr13 und 100Cr6 in kontrollierten Salzsprühversuchen.
(Bild: HQW Precision)

Bei korrosiven Umgebungen sind die Werkstoffe von entscheidender Bedeutung. Standardwälzlagerstähle korrodieren leicht, was zu frühzeitigem Lagerausfall führt. In solchen Fällen sollte eine Kombination aus dem Ringmaterial SV30 und Keramikkugeln in Betracht gezogen werden, die sehr korrosionsbeständig ist. Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass SV30 in einer Umgebung mit Salzsprühnebel um ein Vielfaches länger halten kann als anderer korrosionsbeständiger Stahl. In kontrollierten Salzsprühnebelversuchen zeigt SV30 nach einem 1000-stündigen Testlauf nur leichte Korrosionserscheinungen, und die hohe Korrosionsbeständigkeit von SV30 ist an den Prüfringen deutlich zu erkennen. Spezielle keramische Kugelwerkstoffe wie Zirkondioxid und Siliziumkarbid können ebenfalls verwendet werden, um die Beständigkeit eines Lagers gegen korrosive Substanzen zu steigern.

Medium als Schmiermittel nutzen

Und schließlich kann die Herausforderung bestehen, dass das Medium als Schmiermittel dienen soll, z.B. Kältemittel, Wasser oder Hydraulikflüssigkeit. Bei all diesen Anwendungen ist der Lagerwerkstoff der wichtigste Aspekt, und SV30-Keramik-Hybridlager haben sich schon häufig als praktisch und zuverlässig erwiesen.

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* Barney Eley ist Senior Application Engineer bei The Barden Corporation und Stefan Vogel ist Sales & Applications Manager bei der HQW Precision GmbH.

(ID:46976380)