PTC Forum Europe Real und virtuell wachsen zusammen

Autor / Redakteur: Dipl.-Ing. Ralf Steck / Juliana Pfeiffer

PTC hat am 28. November 2018 im ausverkauften Stuttgarter Kongresszentrum das PTC Forum Europe 2018 veranstaltet. Rund 2000 Teilnehmer informierten sich in Vorträgen und der begleitenden Ausstellung über die Produktpalette von PTC. Weitere über 1000 Teilnehmer verfolgten die Vorträge live über das Internet.

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In der begleitenden Ausstellung konnten sich die Teilnehmer die PTC Lösungen live ansehen und ausprobieren.
In der begleitenden Ausstellung konnten sich die Teilnehmer die PTC Lösungen live ansehen und ausprobieren.
(Bild: J. Pfeiffer/konstruktionspraxis)

Nach der Eröffnung durch Marketingleiter Eric Snow präsentierte Executive Kathleen Mitford die gesamte Produktpalette von PTC von der Modellierung bis zum IoT und Augmented Reality (AR). Ihr Motto zur Einstimmung lautete „Wer stehenbleibt, verschwindet“.

Bei den neuen Technologien gehe es nicht um das „Ob“, sondern nur noch um das „Wie“. Die Kunden verlangen immer smartere und vernetzte Produkte, dementsprechend müssen solche, immer komplexeren Produkte entwickelt werden. Produkte sind zudem nicht mehr statisch, sondern können ihren Funktionsumfang und ihr Verhalten durch Updates massiv erweitern und aktualisieren. Deshalb ist das eigentliche Geschäftsmodell, dem Kunden alle paar Jahre eine neue Produktgeneration zu verkaufen, obsolet – Services und Dienstleistungen sind die Zukunft.

Creo Simulation Live ermöglicht Simulation in Echtzeit

Eine wichtige Antwort von PTC auf diese Herausforderung ist Simulation. Diese war bisher im Prozess eher nach der Modellierung angeordnet und diente zur Verifizierung des fertig konstruierten Produkts. PTC hat nun in einer Partnerschaft mit Ansys deren neues Produkt Discovery Live als Creo Simulation Live in das CAD-System integriert. Das Interessante an Simulation Live: Die Simulation läuft – dank Unterstützung der Nvidia-Grafikkarte – extrem schnell, quasi in Echtzeit während der Modellierung. Der Anwender sieht also jederzeit die Auswirkungen einer Geometrieänderung auf die Festigkeit seines Teils oder seiner Baugruppe. Das Tool ist so integriert, dass sämtliche Definitionen von Randbedingungen in der Creo-Datei landen und später von Creo Simulation weiter genutzt werden können. Auch andersherum funktioniert die Integration: Lädt der Anwender ein Modell, die schon einmal mit Creo Simulation analysiert wurde, nutzt Simulation Live die enthaltenen Randbedingungen direkt.

Künstliche Intelligenz findet optimale Ergebnisse

Ergänzt wird die konstruktionsbegleitende Simulation durch einen aktuellen Zukauf: PTC hat Frustum Inc., einen führenden Anbieter generativer Designsoftware, für ca. 70 Mio. US-Dollar übernommen. Das Unternehmen wurde Ende 2013 gegründet und beschäftigt 15 Mitarbeiter. Seither hat Frustum etwa 5.000 Anwender weltweit gewinnen können.

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Frustum ist in Boulder, Colorado ansässig und hat eine cloudbasierte Engineering-Software entwickelt, mit deren Hilfe sich auf Basis von Lasten und Randbedingungen optimale Geometrien für bestimmte Anforderungen erzeugen lassen. Dabei errechnet die Software nicht nur ein einzelnes, optimales Design, sondern es entstehen Tausende Geometrien, die die vordefinierten Anforderungen erfüllen – wobei die einen dieser Ergebnisse die eine Anforderung besser erfüllen und andere Geometrien eher in einem anderen Bereich hervorstechen. Um aus diesen vielen, grundsätzlich die Anforderungen erfüllenden Varianten nun die über alles optimalen Ergebnisse zu finden, nutzt Frustum künstliche Intelligenz.

Sehr interessant bei Frustum ist, dass die Software eine ganze Reihe von Anforderungen zur Optimierung nutzen kann. Neben den „üblichen Verdächtigen“ wie Gewicht oder Materialverbrauch lassen sich Optimierungen auf bestimmte Fertigungstechnologien, Kosten und andere durchrechnen.

Der Slogan des Unternehmens ist „interactive generative design“, der Anwender kann in Echtzeit am Volumen „zupfen“ oder Parameter ändern und die Software rechnet sehr schnell die neue Form durch. Die Frustum-Software arbeitet mit einem parametrischen Volumenmodell, wobei das Ausgabeformat STL ist.

Creo 7 integriert Ansys AIM als neue Simulationsplattform

Auf die Integration der Generative Design-Funktionen, die Frustum entwickelt hat, müssen die Anwender noch bis Creo 7 warten, die Integration von Simulation Live wird dagegen im zweiten Quartal 2019 die Anwender erreichen, nacheinander im April für Creo 5, Mai für Version 4 und Version 6 im Juni. Brian Thompson, Senior Vice President des CAD-Business bei PTC, gab zudem bekannt, dass alle Anwender von Creo 5 in den nächsten Tagen mit einem der nächsten Zwischenupdates eine 20-Tage-Lizenz von Simulation Live erhalten. In einer späteren Session zum Thema wurde zudem bekanntgegeben, dass in Creo 7 Ansys AIM als neue Simulationsplattform integriert wird.

PTC schließt Partnerschaft mit Microsoft im AR-Bereich

AR ist inzwischen als vierte große Business Unit neben CAD (Creo), PLM (Windchill) und IoT (ThingWorx), die zugehörige Marke ist Vuforia. Die Leitung hat Mike Campbell als Executive Vice Director für Augmented Reality (AR) übernommen. Im AR-Bereich hat PTC eine Partnerschaft mit Microsoft geschlossen, um deren Holo-Lens-Hardware nutzen zu können. PTC sieht AR als Medium, um drei Herausforderungen zu begegnen: Dem immer drängenderen Facharbeitermangel, den komplexer werdenden Produkten und Arbeitsumgebungen, die immer mehr Know-how erfordern und den steigenden Anforderungen der Kunden. AR ermögliche es, neue Mitarbeiter schneller produktiv zu machen und Außendienstmonteure zu unterstützen, indem man ihnen einen erfahrenen Experten zur Seite stellt, der über die AR-Brille aus der Ferne Unterstützung geben kann. So lässt sich das im Unternehmen vorhandene Wissen effizienter nutzen.

Das entsprechende Produkt nennt sich Vuforia Chalk. Der Experte bekommt das Bild der Kamera der AR-Brille oder auch eines Tablets oder Smartphone übertragen und kann darauf Anmerkungen anbringen, beispielsweise wichtige Bauteile oder Schrauben markieren und schrittweise Anweisungen geben. Das System ist bidirektional, der Werker vor Ort kann ebenfalls Anmerkungen anbringen, um beispielsweise eine Frage zu illustrieren.

CAD-Modell des Produkts als Grundlage für die Erstellung von AR-Anwendung

Während Vuforia Chalk die interaktive Zusammenarbeit ermöglicht, bietet Vuforia Studio die Möglichkeit, Wartungs-, Fertigungs-, Montage- und andere Anleitungen mit AR-Unterstützung zu erstellen. Die Experiences – so nennt PTC die auf einen Anwendungszweck angepassten AR-Anwendungen – lassen sich direkt aus Creo und Windchill heraus erzeugen, beispielsweise indem das CAD-Modell des Produkts in Vuforia Studio importiert wird und dort als Grundlage für die Erstellung der AR-Anwendung dient. Übrigens bietet PTC mit Vuforia Engine Entwicklern auch direkten Zugriff auf die AR-Engine in Vuforia. So lassen sich eigenständige AR-Applikationen programmieren.

AR ist keine Zukunftstechnologie, sondern tatsächlich schon in der Praxis angelangt, vor allem in den letzten zwölf Monaten sah Campbell einen massiven Wandel von Pilotprojekten zur Integration von AR in reale Prozesse. Als Beispiel wurde BAE Systems genannt, ein Unternehmen, das unter anderem hybride Busantriebe entwickelt und fertigt. Das Unternehmen stellt seinen Mitarbeitern und Kunden AR-basierte Serviceanleitungen zur Verfügung und konnte mit dieser Technologie seine Servicekosten drastisch reduzieren, die Montagezeiten konnten halbiert, die Kosten in diesem Bereich auf ein Zehntel reduziert werden. (jup)

* freier Fachjournalist für die Bereiche CAD/CAM, IT und Maschinenbau in Friedrichshafen

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