Produktpiraterie Plagiate von Anfang an verhindern
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Dahinter stecken Wettbewerber, Geschäftspartner oder auch Großplagiatoren: Im deutschen Maschinen- und Anlagenbau spielt Produktpiraterie eine große Rolle. Was man dagegen tun – und zwar am besten gleich zu Beginn einer Produktentwicklung – erklären zwei Experten des Fraunhofer AISEC hier.

Herr Jarisch, welche Bedeutung hat Produktpiraterie im deutschen Maschinen- und Anlagenbau?
Ferdinand Jarisch: Das Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC erstellt regelmäßig die Studie „Produktpiraterie“ im Auftrag des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA. Das aktuelle Ergebnis von 2022 zeigt: 72 Prozent der Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau sind betroffen. Der Branche entstehen jährlich Schäden in Höhe von rund 6,4 Mrd. Euro. Das sind 2,9 Prozent des Jahresumsatzes.
Die einzelnen Formen der Produktpiraterie sind vielseitig und reichen von der unlauteren Nachahmung des äußeren Erscheinungsbilds, über den Nachbau einzelner Komponenten und ganzer Maschinen bis hin zum Plagiieren von Produktkatalogen und Websites. Die Studie zeigt auch, dass größere Unternehmen tendenziell häufiger Opfer von Plagiatoren werden, kleine und mittlere Unternehmen jedoch einen überproportional großen wirtschaftlichen Schaden davontragen.
Ein beachtlicher Schaden. Wie hoch ist Ihrer Einschätzung nach das Bewusstsein in der Branche?
Ferdinand Jarisch: Während die jährliche Schadenssumme in der Dekade von 2010 bis 2020 mit über 7 Mrd. Euro auf einem hohen Niveau verharrte, ist sie nun deutlich auf 6,4 Mrd. Euro gefallen. Der durch Plagiatoren angerichtete Schaden ist damit um 1,2 Mrd. Euro niedriger als der zuletzt im Jahr 2020 ermittelte Wert. Das deutet darauf hin, dass die Maschinen- und Anlagenbauer in der Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie in den vergangenen beiden Jahren einen guten Schritt vorangekommen sind. Insbesondere sehen wir eine deutliche Zunahme an Schutzmaßnahmen, die eingeleitet wurden. Das können einzelne und zielgerichtete technische Lösungen sein oder ein umfassendes und durchdachtes Security-Konzept, das bereits früh in die Entwicklung einfließt.
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Wie relevant sind Maßnahmen gegen Produktpiraterie für Konstrukteure und Entwickler?
Bartol Filipovic: Die Fertigungstiefe des Unternehmens ist dafür der entscheidende Faktor. Je tiefer diese ist, desto wichtiger sind Schutzmaßnahmen. Für Konstrukteure und Entwickler von Elektronik- bzw. IT-Bauteilen bietet es sich an, die Gefahrenlage frühzeitig bewerten zu lassen. Gemeinsam mit Security-Experten, wie z. B. dem Fraunhofer AISEC, können sie dann nachhaltige und effektive Maßnahmen entwickeln und umsetzen.
Welche Möglichkeiten gibt es, um Produkte gegen Piraterie zu schützen?
Bartol Filipovic: Schutzbedarfe und Angriffsflächen unterscheiden sich von Produkt zu Produkt. Dennoch gibt es einen allgemeingültigen Dreiklang, an dem sich Unternehmen orientieren können: Beim Produktschutz ist immer die organisationale, rechtliche und technische Ebene zu beachten. Das heißt, ich muss wissen, wo das zu schützende Wissen liegt, wer und wie viele Mitarbeitende darauf Zugriff haben, und ob es durch Patente sowie Erfindungsmeldungen oder durch Produkt- bzw. Geräte-Konstruktion, Zugriffsrechte bzw. Verschlüsselungstechniken geschützt ist.
Letzteres ist die Kernkompetenz des Fraunhofer AISEC. So lassen sich z. B. eingebettete Systeme durch eine Kombination aus vertrauenswürdiger Geräte-Identifikation, abgesicherter Zugangskontrolle und regelmäßigen Softwareupdates vor Manipulation und Wissensklau schützen. Ein grundlegender Faktor ist auch die Verwendung speziell gefertigter Sicherheits-Chips. Das verhindert, dass Nachahmer Hardware-Komponenten einfach nachbauen lassen oder aufgespielte Software auslesen können. Das Fraunhofer AISEC verfügt über das erforderliche Know-how, um diese Sicherheits-Chips auszuwählen und in Produkten einzusetzen.
Wenn ein Unternehmen seine neu entwickelte Komponente etwa vor unlauterem Nachbau schützen möchte: Wie sollte es vorgehen?
Bartol Filipovic: Es ist wichtig, dass man dem Plagiatsschutz schon sehr früh in der Entwicklung ausreichend Beachtung schenkt. Wenn das Produkt noch nicht bis ins letzte Detail designt ist, besteht noch Handlungsspielraum, was wiederum die Aufwände für den Einbau von Security-Komponenten senkt. Aber auch an bestehenden Produkten sind Nachbesserungen möglich. Ein Security-Check sollte in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden und kann sich etwa an den Innovationszyklen in der Produktentwicklung orientieren.
Ein Beispiel aus der Komponentenentwicklung
Auch bei der Entwicklung von mechanischen Komponenten lassen sich von Beginn der Produktentwicklung an Maßnahmen integrieren. Bei der Präsentation der Studie während der Hannover Messe 2022 wurde folgendes Beispiel genannt: Drehende Bauteile können derart getrimmt werden, dass sie nur im Zusammenspiel mit Originalteilen in der Bewegung ihre maximale Leistung bringen – wird ein Plagiat irgendwo in der Prozesskette eingesetzt, werden die Drehzahlen zum Beispiel automatisch reduziert.
Welche Möglichkeiten bietet das Fraunhofer-AISEC in diesem Zusammenhang?
Bartol Filipovic: Die Expertise des Fraunhofer AISEC liegt in der Beratung und Umsetzung technischer Maßnahmen. Mit umfangreichem Security-Know-how können unsere Experten zielgerichtet unterstützen, z. B. um den Plagiatsschutz bestehender oder sich in der Entwicklung befindender Produkte auf Herz und Nieren zu prüfen, deren Security-Schwachstellen zu analysieren und darauf aufbauend Angriffsflächen zu minimieren und ein individuelles Security-Konzept zu entwickeln. Wir haben einen breiten Überblick über mögliche Angriffsszenarien und deren Abwehr und können daher sehr gut einschätzen, wie umfassend der individuelle Schutz jeweils sein muss.
Wie können Interessenten von der Expertise des Fraunhofer AISEC profitieren?
Bartol Filipovic: Am Fraunhofer AISEC ist die Abteilung Product Protection and Industrial Security hierfür die richtige Stelle.
Über das Fraunhofer AISEC
Das Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC ist eine der international führenden Einrichtungen für angewandte Forschung im Bereich Cybersicherheit. Mehr als 150 hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten an maßgeschneiderten Sicherheitskonzepten und Lösungen für Wirtschaftsunternehmen und den öffentlichen Sektor, mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit von Kunden und Partnern zu verbessern.
Dazu zählen Lösungen für eine höhere Datensicherheit sowie für einen wirksamen Schutz vor Cyberkriminalität wie Wirtschaftsspionage und Sabotageangriffe.
Das Kompetenzspektrum erstreckt sich von Embedded und Hardware Security, über Automotive und Mobile Security bis hin zu Sicherheitslösungen für Industrie und Automation. Zudem bietet das Fraunhofer AISEC in seinen Testlabors die Möglichkeit zur Evaluation der Sicherheit von vernetzten und eingebetteten Systemen, von Hard- und Software-Produkten sowie von Web-basierten Diensten und Cloud-Angeboten.
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