Langzeitprognose Neue Methode zeigt, wie Dichtungen wirklich altern
Statische Dichtungen für Großanlagen müssen oft mehr als 20 Jahre halten. Bisher eingesetzte Berechnungswerkzeuge führen dazu, dass die Bauteile größer ausfielen, als notwendig. Wie das verhindert werden kann, zeigt eine neuartige Methode.
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Dichtungen im Maschinenbau müssen stets eine hohe Lebensdauer vorweisen können. Denn einmal verbaut, z.B. um die Verankerung des Turms einer Windkraftanlage im Meer gegen eindringendes Salzwasser zu schützen, soll die Dichtung mehr als zwanzig Jahre problemlos funktionieren. Die Lebensdauer einer Dichtung wird zum einen durch Setzen oder Dehnen begrenzt. Zum andern verliert das Material mit der Zeit durch chemische Veränderungen seine Elastizität.
Unter Einfluss von Sauerstoff oder Ozon sind zwei Effekte zu beobachten, die die Alterung von Dichtungen beeinflussen: Zum einen können die Polymerketten und -netze unter mechanischer Belastung aufbrechen, zum anderen können durch Oxidationsprozesse zusätzliche Sauerstoffbrücken in dem Netzwerk entstehen. Beide Effekte beeinflussen dichtungsrelevante Eigenschaften wie Steifigkeit, Kontaktdrücke oder die Fähigkeit, nach Verformung wieder die ursprüngliche Kontur zu erlangen.
Extrapolation mit Arrhenius-Methode
Ob ein Werkstoff die Anforderungen für eine bestimmte Anwendung erfüllt, ermitteln Ingenieure in der Regel durch sogenannte „Lagerungstests“, bei denen der Prüfling für längere Zeit – meist 1000 Stunden – Temperaturen von weit mehr als 100 °C ausgesetzt wird. Um die temperaturabhängige Alterung vorherzusagen, extrapolieren Ingenieure bislang die Messwerte nach einer Methode, die nach dem schwedischen Chemiker und Nobelpreisträger Svante August Arrhenius benannt ist.
Es gilt: Eine Erhöhung der Temperatur um 10 °C führt zu einer Verdopplung der Reaktionsgeschwindigkeit. Dies ermöglicht die Durchführung von beschleunigten Alterungstests bei erhöhten Temperaturen. Diese Methode kann zuverlässig funktionieren, wenn die richtigen Prüfparameter gewählt werden. Ansonsten kann die Lebensdauerprognose stark daneben liegen. Überprüfen lässt sich die Prognose nur durch Messungen. Es ist nachvollziehbar, dass dies kein zufriedenstellendes Verfahren ist, insbesondere wenn man über sehr lange Prüfzeiten spricht. Daher war eine Verbesserung der Methodik zwingend erforderlich.
Dichtungshersteller Freudenberg verfolgt dabei zwei wesentliche Ansatzpunkte: Zum einen verbesserten sie das Lebensdauermodell deutlich, indem sie chemische Oxidationsgleichungen, also den Sauerstoffangriff auf das Elastomer, mit dem strukturmechanischen Verhalten des Werkstoffes koppelten. Um mit diesem Modell beliebige Geometrien berechnen zu können, wurde es numerisch umgesetzt und in ein Finite-Elemente-Programm implementiert. Dieses ist in der Lage, die lokalen Oxidationsprozesse und Auswirkung auf das Werkstoffverhalten zu berechnen.
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Dichtungen
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Entwicklung mit der Forschung
Gleichzeitig war es aber auch notwendig, die Messmethoden weiterzuentwickeln, mit denen die Parameter für das Werkstoffmodell ermittelt werden. Das mit der zentralen Forschung, der Freudenberg Technology Innovation, entwickelte Verfahren wurde an Werkstoffproben verifiziert und wird auch beim Bau von Offshore-Windkraftanlagen verwendet. Eine Bibliothek mit den Modellen befindet sich im Aufbau. Parallel wird die Simulation erweitert, so dass anwendungsspezifische Zyklen mit wechselnden Temperaturen und mechanischen Lasten gerechnet werden können.
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