Faserverbundwerkstoff Leichte Halbzeuge nach Kundenwunsch

Redakteur: Dipl.-Ing. Dorothee Quitter

Covestro hat im März 2018 mit der Großserienproduktion von endlosfaserverstärkten thermoplastischen Verbundwerkstoffen (CFRTP) begonnen. Konstruktionspraxis sprach mit Dr. Michael Schmidt, Co-CEO der Sparte Thermoplastic Composites, über den neuartigen Werkstoff.

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Die CFRTP-Composites können z.B.zu verschiedenen Laptop-Deckeln verarbeitet werden: mit im Werkzeug texturierter farbiger PU-Oberfläche, aus recyceltem Material, mit farbigem PU als Matrix oder mit einer Folie als Oberschicht (v.l.n.r.).
Die CFRTP-Composites können z.B.zu verschiedenen Laptop-Deckeln verarbeitet werden: mit im Werkzeug texturierter farbiger PU-Oberfläche, aus recyceltem Material, mit farbigem PU als Matrix oder mit einer Folie als Oberschicht (v.l.n.r.).
(Bild: D.Quitter/konstruktionspraxis)

Herr Dr. Schmidt, Covestro ist für die Produktion von Polycarbonat und Polyurethan bekannt. Wie kam es zur Erweiterung um Organobleche?

Viele Industriesegmente benötigen moderne Leichtbauwerkstoffe um die Ressourcen- und Energieeffizienz im Sinne der Nachhaltigkeit zu steigern und gleichzeitig den Wunsch von Endanwendern und Konsumenten nach leichteren und dünneren Produkten zu erfüllen. Durch moderne thermoplastische Verbundwerkstoffe (CFRTP) wie z.B. Uni-Direktional (UD) verstärkte Folien sowie daraus hergestellte Organobleche sind wir in der Lage, unseren Beitrag zu leisten.

Welcher Produktionsprozess liegt den CFRTP-Halbzeugen zu Grunde?

Unser Produktionsprozess basiert auf der Herstellung von Uni-Direktional (UD) verstärkten Folien als Primärprodukt. Dabei werden Carbon-oder Glasfasern gespreizt und mit Thermoplastschmelzen über ein spezielles In-House-Verfahren impregniert. Die Güte der Impregnierung und die Faserspreizung sind dabei ganz entscheidend für die Qualität der CFRTP-Leichtbauhalbzeuge hinsichtlich mechanischer Eigenschaften und ästhetischer Oberflächenqualität. Ferner sind wir in der Lage, über einen automatisierten Prozess UD-Folien mit variabler Faserorientierung herzustellen.

Organobleche wiederum bestehen aus einem mehrlagigen Aufbau von UD-Folien. Diese werden je nach Anwendungsanforderung über einen Pressvorgang in variablen Lagenaufbauten und Abmaßen entsprechend der Kundenbedürfnisse hergestellt.

Welche Materialien sind als Fasern und Matrix möglich?

Wir verwenden als Verstärkungsfasern Carbon und Glas. Viele andere Fasern wie Aramid, Basalt oder Naturfasern sind auch möglich und können verwendet werden, wenn dies für die Anwendung sinnvoll ist. Als Basismaterialien können die meisten Thermoplaste verarbeitet werden. Die größte Erfahrung besitzen wir in der Verarbeitung der von Covestro hergestellten Materialien Polycarbonat und thermoplastische Polyurethane.

Gibt es die CFRTPs nach Festigkeit abgestuft und nach Faserorientierung sortiert oder produzieren Sie nach Kundenwunsch?

Generell stellen wir unsere Produkte entsprechend spezifischer Kundenbedürfnisse her, welche letztlich durch die zugrundeliegenden Anwendungsanforderungen bestimmt werden. Festigkeitsänderungen ergeben sich aus den sogenannten Faserwinkeln, Faservolumengehalten und den jeweils eingesetzten Fasern wie z.B. Glas- oder Carbonfasern.

Welche Abmaße haben die Organobleche?

Die Organobleche werden entsprechend der jeweiligen Kundeanforderung in verschieden Größen angeboten. Die technisch maximalen Abmaße betragen 2500 mm x 800 mm x 3 mm. Weiterhin verfügen wir über ein großes Netzwerk von Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette, so dass je nach Bedarf auch Sondermaße möglich sind.

Mit welchen Verfahren können die CFRTP-Platten zu Bauteilen weiterverarbeitet werden?

CFRTPs werden über das klassische Thermoformen sowie über sogenannte Hybrid-Molding-Verfahren zu Bauteilen weiterverarbeitet. Beim Hybrid-Molding Verfahren erfolgt ein Umformen des CFRTP-Verbundwerkstoffes in einem Spritzgusswerkzeug in Kombination mit einem Hinterspritzen des umgeformten Verbundwerkstoffes mit Spritzgießthermoplasten. Durch das Hinterspritzen werden Funktionselemente in das Bauteil integriert - somit werden die Kosten pro Bauteil durch die erfolgte Funktionsintegration signifikant gesenkt. Zusätzlich bieten Bauteile aus Organoblechen Designern eine Vielzahl von Optionen. So können ästhetische Designelemente wie z.B. Texturen, Dekorfolien oder Oberflächenbeschichtungen problemlos integriert bzw. appliziert werden. Unsere UD-Folien wiederum können über sogenannte ATL-Verfahren (Automated Tape Laying) in Vorformlinge bzw. Kontouren von Bauteilen gelegt werden.

Welche Fügetechniken sind zwischen den Organoblechen möglich und welche zu anderen Werkstoffen?

Wir erwarten, dass in der Zukunft viele Bauteile hybrider Natur sein werden. In diesem Multimaterialmix werden CFRTP-Verbundwerkstoffe als Leichtbaumaterialien vertreten sein. Sie können, zusätzlich zum Hybrid-Molding-Verfahren, über Schweißverfahren (z.B. Laserschweißen und Vibrationsschweißen), Kleben und weitere mechanische Verbindungen wie z.B. Verschrauben mit einer Vielzahl von Werkstoffen verbunden werden.

Wo sehen Sie das Einsatzpotenzial ihrer CFTRPs?

Wir sehen z.B. Einsatzpotenziale in der Automobilindustrie und hier besonders in der stetig wachsenden Elektromobilität. Abseits der Automobilindustrie finden CFRTPs hohes Interesse in so unterschiedlichen Branchen wie der Elektro- und Elektronikindustrie, in der Medizintechnik, bei Sportartikel-, Schuh- und Kofferherstellern sowie bei Haushaltsgeräte- und Möbelproduzenten.

Bietet Covestro auch eine Anwendungsberatung und Konstruktionsunterstützung an?

Bestandteil unseres Angebotes und Leistungsspektrums ist ein technischer Service, welcher in der Lage ist, mit einem Multimaterialmix zu arbeiten und der Kunden von der Ideengenerierung , über die Anwendungsentwicklung bis zur Umsetzung unterstützt. Hierzu operieren wir auch mit Partnerschaften in unserem Technologienetzwerk.

Vielen Dank Herr Dr. Schmidt.

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