Hubgetriebe Hubsysteme trotzen –80 °C in der Antarktis
Um eine Forschungsstation an jeweilige Schnee- und Eisaufkommen anpassen zu können, sorgen 36 gewaltige Stahlfüße für eine Niveauregulierung. Dahinter stecken elektrische Hubzylinder der Neff Gewindetriebe GmbH. Was die Antriebe leisten müssen, lesen Sie hier.
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Dass seine Antriebstechnik heute eine ganze Forschungsstation in der Antarktis hebt und senkt, hätte Wilhelm Neff vor über 100 Jahren sicherlich nicht gedacht. Denn damals begann alles mit einer mechanischen Werkstatt. Später dann fertigte Neff einfache Gewindetriebe für Haushaltsgeräte und Hobelbänke. Dann kamen höhenverstellbare Klavierstühle und Couchtische dazu. Und heute arbeiten 36 gewaltige Hubzylinder bei –80 °C auf einem Gletscherplateau im Osten der Antarktis. Eines der außergewöhnlichsten Projekte, die man bei der Neff Gewindetriebe GmbH je umgesetzt hat. Als Spezialist linearer Antriebstechnik löst das Familienunternehmen mit seinen Kugelgewindetrieben, Spindelhubgetrieben und Teleskopgewinden hauptsächlich mechanische Probleme im Maschinen- und Anlagenbau. Aber auch individuelle Lösungen in der linearen Antriebstechnik gehören zum Tagesgeschäft von Neff.
Forschungsstation 1.250 km vom Südpol entfernt
Das außergewöhnliche Projekt begann, als im Sommer 2021 ein russisches Großunternehmen auf Neff zukam mit der Anfrage, Hubgetriebe für die Wostok-Forschungsstation in der Antarktis zu fertigen. Auf der flachen Schneefläche des Gletscherplateaus der Ostantarktis auf einer Höhe von 3.488 m über dem Meeresspiegel ca. 1.250 km entfernt vom Südpol liegt die Forschungsstation über dem größten subglazialen See der Erde. Bereits seit den 1950er-Jahren wird dort von der Sowjetunion Forschung zu den aktuellen Fragen der Klimatologie und Meteorologie (Klimawandel), Glaziologie, Ozeanographie, Geowissenschaften, Meeresbiologie, Sedimentologie/Seismologie und anderer Fachdisziplinen betrieben. Nun sollte die Forschungsstation mit einer Neuinstallation ausgebaut und deutlich erweitert werden.
Die größte Herausforderung bestand darin, die Hubgetriebe in den geeigneten Materialien für diese extremen Kältewerte von bis zu –80 °C auszulegen und zu dimensionieren.
Für die Standbeine benötigt man eine Niveauregulierung. Hier kommen die Neff-Hubelemente ins Spiel – genauer gesagt: 36 Hubgetriebe C100. Diese müssen nicht nur sehr hohe Hubkraft (1.000 kN) aufweisen, sondern vor allem den extremen Witterungsverhältnissen und der unvorstellbaren Kälte standhalten. „Die größte Herausforderung bestand darin, die Hubgetriebe in den geeigneten Materialien für diese extremen Kältewerte von bis zu –80 °C auszulegen und zu dimensionieren“, erklärt Hartmut Wandel, Geschäftsführer der Neff Gewindetriebe GmbH. Alle Anbauteile – vom Getriebemotor über die elektronischen Fühler zur Temperaturüberwachung, die Sensoren zur Hubbegrenzung bis hin zur Hubmessung – müssen diesen widrigen Umgebungsbedingungen gewachsen sein. „Auch die nötige Schmierung und die Dichtung des gesamten Systems ist eine nicht alltägliche Aufgabe“, beschreibt Hartmut Wandel die Anforderungen des Projekts.
Kältetest für elektrische Hubzylinder
Um die Funktionssicherheit der Hubsysteme zu gewährleisten, wurde von Anfang an ein Kältetest vorgesehen. Dazu wurde ein kompletter elektrischer Hubzylinder mehrere Tage abgekühlt. Bei einer Kerntemperatur nahe –80 °C wurde das System mit 100 Tonnen statisch belastet. Nachdem die Kerntemperatur auf –35 °C einreguliert war, wurde der Versuch im zweiten Schritt dynamisch ausgeführt. Dies bedeutet, dass die Last von 1.000 kN (100 Tonnen) durch das Hubsystem angehoben wurde. „Die intensiven Tests waren nötig, da im Zusammenhang mit den extrem niedrigen Temperaturen über Materialeigenschaften meist wenig bekannt ist. Bis –40 °C sind relativ gesicherte Angaben verfügbar, darunter wird die Aktenlage dünn“, sagt Hartmut Wandel.
Als kritisch betrachtet wurden vor allem folgende Eigenschaften:
- die Kaltversprödung von verwendeten Materialien,
- das Ausdehnungsverhalten von verschiedenen Materialien sowie
- die Funktions- und Kontaktsicherheit der verwendeten elektrischen und elektronischen Bauelemente.
Auch bei der Montage des Hubgetriebes in den eigentlichen Stahlfuß wurde seitens Neff tatkräftig unterstützt. Ein extra aus Russland herbeigeschaffter Original-Standfuß der Forschungsstation diente dem Neff-Team zusammen mit russischen Monteuren als Testobjekt für den Einbau. Das auf 36 höhenverstellbaren Stahlfüßen lastende Gebäude wurde nämlich zunächst partiell im Ural (Russland) aufgebaut. Anschließend wurde das komplette Material, einschließlich der Neff-Hubelemente mit einem Eisbrecher von Bremerhaven aus direkt in die Antarktis transportiert, dort gelöscht – also entladen – und auf dem Landweg ca. 1.500 km zur Forschungsstation über das polare Eis transportiert.
Projektabwicklung in Rekordzeit
Neben den technischen Herausforderungen war daher auch der enorme Zeitdruck von Anbeginn an ein sehr wichtiges Thema. Aufgrund des antarktischen Sommers (immerhin ca. –30 °C) war der Liefertermin mit dem Auslaufen des Schiffes fix. Dies bedeutete für Neff eine festgelegte Lieferzeit. Ab Beginn der Bestellung galt es binnen einer Rekordzeit von sechs Monaten die Konstruktion, Fertigung und Auslieferung unter einen Hut zu bekommen.
„Was uns antreibt ist immer die Idee, mit unseren Kunden Neues zu bewegen. Wir denken, planen, realisieren und liefern intelligente Lösungen für komplexe antriebstechnische Probleme. Das zeichnet uns aus. Wir bieten Ingenieursleistung 'Made in Germany' und sind weltweit aufgestellt, um als persönliche Ansprechpartner vor Ort zu sein“, sagt Hartmut Wandel abschließend.
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