Antrieb Herausforderung EMV bei elektrischen Kleinantrieben
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Das Fachbuch „Elektromagnetische Verträglichkeit von elektrischen Kleinantrieben“ unterstützt dabei, bereits in der Entwicklung von Motorreglern für Kleinantriebe nötige Basismaßnahmen zu berücksichtigen. Wir zeigen in diesem Kapitel die grundsätzlichen Herausforderungen der EMV auf.

In Systemen mit elektrischen Kleinantrieben wird die elektrische Energie zum Teil mehrfach umgeformt. Dabei treten elektrische Wechselgrößen als Spannungen und Ströme mit sehr unterschiedlichen Frequenzen auf. Die möglichen Störquellen, die dabei auftreten, werden in folgender Aufzählung erläutert. Abb. 2.1 zeigt den Gesamtaufbau eines geregelten Antriebssystems inklusive Versorgungsnetz. Die auf diesen Aufbau zurückzuführenden in der Aufzählung benannten Störungen sind dort über die Referenznummern eingetragen. Abb. 2.2 zeigt die Störquellen im Antriebsregler selbst, dort finden sich die weiteren Referenznummern zur folgenden Aufzählung.
Störquellen in elektrischen Antrieben
1. Netzspannung Sinusförmige Spannungen mit 50 Hz ... 60 Hz oder höher in Sondernetzen
2. Motorströme Bei BLDC-Motoren mit sinusförmiger Ansteuerung liegen die Grundschwingungen der Motorströme bei bis zu 1 kHz für einen 4-pol Motor bei 30.000 min-1. Zusätzlich treten je nach Ansteuerung energiereiche Oberschwingungen bis in den 100-kHz-Bereich auf. Bei DC-Motoren und BLDC-Motoren mit Blockkommutierung ergibt sich zusätzlich ein pulsierender Motorstrom mit einer Kommutierungsfrequenz, die Vielfaches der Motorgeschwindigkeit ist. Bei DC-Motoren hängt die Kommutierungsfrequenz von der Teiligkeit des Kollektors ab, bei BLDC-Motoren von der Polpaarzahl des Motors. Bei DC-Motoren treten über die mechanische Kommutierung zum Teil Funken am Kommutator auf. Das Frequenzspektrum dieser Motoren ist sehr breit und reicht dadurch bis deutlich in den MHz-Bereich. Einen typischen Zuleitungsstrom eines BLDC-Motors mit Blockkommutierung zeigt Abb. 2.3. Für einen DC-Motor ergäbe sich ein vergleichbarer Verlauf, jedoch mit ungerader Teiligkeit.
3. Getaktete Endstufe Über eine mit Pulsweitenmodulation (PWM) betriebene Endstufe wird aus der DC-Versorgung die Motorspannung generiert. Die Schaltfrequenz der PWM muss für Motoren mit eisenloser Wicklung vergleichsweise hoch gewählt werden, da deren elektrische Zeitkonstanten mit ca. 50 μs … 200 μs um mindestens eine Größenordnung unter derjenigen üblicher eisenbehafteter Wicklungen liegt. Typische PWM-Frequenzen liegen hier bei 50 kHz … 100 kHz, um keine unnötigen PWM-bedingten Verluste in den Motoren zu erzeugen. Die relevanten Oberschwingungen reichen bis in den unteren MHz-Bereich und nehmen mit 20 dB pro Dekade der Frequenz ab.
4. Umschaltvorgänge in der Endstufe An jeder Schaltflanke der Endstufen werden kapazitive Lasten umgeladen. Das sind einerseits die Gate-Ladungen der Mosfets, andererseits deren parasitäre Drain-Source-Kondensatoren sowie die kapazitiven Leitungsbeläge der Motorleitungen. Im Umschaltpunkt können dabei für kurze Zeit sehr hohe Spitzenströme fließen. An Endstufen auf Basis von Si-Mosfets sind die Schaltvorgänge nach 5 ns ... 50 ns abgeschlossen. Die energiereichen Anteile dieser Signale gehen daher bis in den 100-MHz-Bereich. An den Umschaltpunkten ergeben sich zusätzlich hochfrequente Einschwingvorgänge auf den Motorausgangsspannungen im unteren MHz-Bereich. In Abb. 2.4 weisen die Ausgangsspannungen einen Spitze-Spitze-Wert von 33 V auf, bei 24 V Versorgung. Die Differenz ergibt sich aus den Einschwingvorgängen an jeder Schaltflanke. In Abb. 2.5 sind die benannten Einschwingvorgänge auf den Phasen gut zu erkennen.
5. Taktfrequenz der internen DC/DC-Wandler Die internen DC/DC-Wandler der Regelelektronik werden mit Schaltfrequenzen zwischen mehreren 100 kHz und ca. 2 MHz betrieben. Auch hier reichen die energiereichen Oberschwingungen bis in den MHz-Bereich.
6. Taktfrequenz der Prozessoren Antriebsregler bei elektrischen Kleinantrieben werden typischerweise über μ-Controller mit integriertem Flash-Speicher für das Programm realisiert. Deren Taktfrequenzen liegen – bedingt durch die begrenzte Flash-Geschwindigkeit – im Bereich zwischen 16 MHz und 200 MHz.
7. Taktfrequenz von Positionssensoren Positionsgebersysteme mit Inkremental- oder Absolutschnittstelle weisen Signalfrequenzen im Bereich von ca. 500 kHz bis ca. 5 MHz auf. Hallsignale, die zur Kommutierung von BLDC-Motoren verwendet werden, liegen mit den Grundfrequenzen wieder genau bei den Grundfrequenzen der kommutierten Motorströme. Durch die Rechteckform mit steilen Flanken treten hier jedoch ebenso wie bei der PWM energiereiche Oberschwingungen auf.
8. Taktfrequenzen von Kommunikationsleitungen Die Regelelektronik kann über eine Kommunikationsleitung mit einem übergeordneten System verbunden sein. Die dabei auftretenden Signalfrequenzen liegen zwischen 10 kHz (RS232) und 100 Mhz (Ethernet).
Zusammenfassung der Frequenzanteile
Abb. 2.6 zeigt zusammenfassend die wichtigsten Störsignale, ihre Frequenzbereiche und eine qualitative Abschätzung der Störleistung.
Von der Funkentstörung zur EMV
Alle elektrischen und magnetischen Wechselgrößen sind über die Maxwell‘schen Gleichungen mit entsprechenden Wechselfeldern verkoppelt. Entscheidend sind hier die Induktion und das Durchflutungsgesetz (s. Abb. 2.7).
Das Durchflutungsgesetz gibt an, wie Ströme J von magnetischen Feldern B umgeben sind: Die Feldstärke ist proportional zur Stromstärke, die Amplituden sind zueinander proportional. Insbesondere sind dadurch Wechselströme von Wechselfeldern gleicher Frequenz umgeben.
Das Induktionsgesetz beschreibt, wie magnetische Wechselfelder (∂B)/∂t ihrerseits Spannungen U = ∫∂AE•ds in Leiterschleifen induzieren: Die Höhe der induzierten Spannung ist proportional zur Fläche der Leiterschleife und zur Änderungsrate des magnetischen Felds [3].
In verteilten Aufbauten koppeln die Felder unterschiedlicher Signale ineinander über und beeinflussen oder stören sich wechselseitig. Aufgefallen waren die von der Energienutzung ausgehenden Störungen zuerst in den 1920er-Jahren, als der aufkommende Rundfunk von elektrischen Bahnen gestört wurde [4]. 1934 wurde mit dem CISPR (Comité international spécial des perturbations radioélectriques, Internationales Sonderkomitee für Funkstörungen) ein internationaler Sonderausschuss gegründet, mit dem Ziel, international einheitliche Messverfahren und Grenzwerte zunächst nur für die Funkstörung durch Geräte zu erarbeiten. Waren Elektromotoren selbst zunächst eher eine Störquelle, so mussten mit der steigenden Verbreitung von mikroelektronischen Steuerungen auch die auf die elektrischen Antriebe wirkenden Störungen mitberücksichtigt werden.
Damit musste auch der wechselseitigen Beeinflussung mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Statt Funkentstörung zu betreiben, wird daher inzwischen die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) der Geräte betrachtet. Es geht also nicht mehr nur um Elektroantriebe als Störquelle im Funkfrequenzbereich, sondern auch um deren eigene Störfestigkeit.
Unter EMV werden inzwischen viele Phänomene inklusive der Rückwirkung in die Versorgungsnetze betrachtet. Der betrachtete Frequenzbereich reicht theoretisch von 0 Hz bis 400 GHz. Beim CISPR, inzwischen unter Schirmherrschaft des IEC (International Electrotechnical Commission), wird weiterhin die Funkstörung bearbeitet, direkt bei der IEC die Störfestigkeit. Deren Arbeitsergebnisse werden als IEC-Norm veröffentlicht. Der veränderte Umgang mit der EMV kann leicht an Produkten aus den jeweiligen Zeiträumen nachvollzogen werden. Als Beispiel wird in nebenstehender Tabelle (Abb. 2.8) die Entstörung eines Kleinantriebs in einer Modellbahn herangezogen.
* Dr. Andreas Wagener ist Autor des Fachbuchs „Elektromagnetische Verträglichkeit von elektrischen Kleinantrieben“.
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