Getriebe Getriebe mit digitalem Zwilling

Autor / Redakteur: Philipp Abele / Dipl.-Ing. (FH) Sandra Häuslein

Ein digitaler Getriebezwilling bietet Anwendern Vorteile bei Konfiguration und Leistungsfähigkeit. Welche, weiß SEW-Eurodrive: Das Unternehmen bietet solch einen Zwilling im Baukasten seiner Präzisionsplanetengetriebe PxG an.

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SEW vergleicht Messungen an realen Getrieben in definierten Prüfständen – sogenannten Referenzapplikationen – mit Simulationsergebnissen aus unterschiedlichen physikalischen Teilgebieten.
SEW vergleicht Messungen an realen Getrieben in definierten Prüfständen – sogenannten Referenzapplikationen – mit Simulationsergebnissen aus unterschiedlichen physikalischen Teilgebieten.
(Bild: SEW)

SEW-Eurodrive hat den Baukasten für kompakte Präzisionsplanetengetriebe der Produktfamilie PxG um einen digitalen Getriebezwilling erweitert. Der Baukasten besteht aus den Perfomance-Klassen P5.G, die für dynamische Bewegungen optimiert ist, P6.G mit dem Schwerpunkt auf Effizienz und P7.G, die sich durch eine erhöhte Überlastfähigkeit auszeichnet. Es gibt jeweils sechs Baugrößen mit Übersetzungen von 3 bis 1000, die einen Drehmomentbereich von 20 Nm bis 6500 Nm ab­decken und in Verdrehspielen bis kleiner als eine Winkelminute verfügbar sind. Getriebekomponenten lassen sich flexibel austauschen und aufgrund durchgängiger Schnittstellen im Getriebe applikationsspezifisch einsetzen.

Entwickler und Anwender profitieren vom Getriebezwilling

Die zentrale Motivation für den digitalen Getriebezwilling aus Anwendersicht ist es, Informationen mit skalierbarem Tiefgang an Produktinformationen aus einem kontrollierten Datenbestand zu erhalten. Gleichzeitig sollen die Anforderungen der Getriebeentwickler – beispielsweise ein generischer und besonders durchgängiger Entstehungsprozess – unter Verwendung validierter Berechnungsmodelle mit einem hohen Wiederverwendungswert zur Abbildung der großen Variantenvielfalt berücksichtigt werden.

Die Bandbreite der Bedarfssituationen reicht dabei vom Entwurf einer technischen Anlage und der Inbetriebnahme bis zu deren Überwachung und Instandhaltung. So ermöglicht es die Skalierbarkeit der Informationstiefe im Ent­wurfsprozess, standardisierte Kataloginformationen durch individuelle Datenblätter zu ergänzen. Zur Inbetriebnahme der Anlage werden die Angaben der Betriebsanleitung um individuelle Randbedingungen aus der Projektierung erweitert. Das sichert eine zuverlässige Realisierung der Bewegungsaufgabe. Auch wenn die Getriebe der Produktfamilie PxG für einen lebenslangen Einsatz konzipiert sind, können prozess- oder umweltbedingte Störungen auftreten. Hier helfen konfigurationsbezogene Anregungsfrequenzen der Maschinenelemente im Getriebe, um die zustandsbasierte Überwachung der Präzisionsgetriebe zu erleichtern.

Mit digitalem Zwilling Datenbestand stetig weiterentwickeln

Das ganze Konzept basiert auf einem kontrollierten Datenbestand, der von den Getriebeentwicklern während der Produktentstehung aufgebaut und auch zukünftig durch die Weiterentwicklung der Technik ausgebaut wird. Die Getriebedaten sind dabei das Berechnungsergebnis eines automatisierten Generierungsprozesses. Aufgrund der durchgängigen Bauraumschnittstellen entstehen im Baukasten mit wenigen hundert Norm- und Fertigteilen unzählige Getriebevarianten. Zur Absicherung dieser hohen Wiederverwendung von Berechnungsmethoden ist die Validierung ein wesentlicher und notwendiger Schritt. Ausgehend von Referenzbaugrößen wurden für die Produktfamilie PxG Effekte analysiert, verstanden und bei physikalischer Relevanz virtuell abgebildet, um diese in gezielten Grenzmustern zu bestätigen. Anschließend wurde die Methode auf die gesamte Produktfamilie übertragen.

Bei dieser Flachbildlasermaschine wurden vier Servogetriebe vom Typ P7.G von SEW-Eurodrive verbaut.
Bei dieser Flachbildlasermaschine wurden vier Servogetriebe vom Typ P7.G von SEW-Eurodrive verbaut.
(Bild: SEW-Eurodrive)

Die Digitalisierung physikalischer Prozesse stellt dabei den Übergang von der realen in die virtuelle Welt dar. Die Methodik sieht einen Vergleich von Messungen an realen Getrieben in definierten Prüfständen – sogenannten Refe­renzapplikationen – mit Simulationsergebnissen aus unterschiedlichen physikalischen Teilgebieten vor. Zur Bestimmung der Simulationsergebnisse sind physikalisches Verständnis, Modellierungswerkzeuge sowie die zugehörige Infrastruktur notwendig. Bei SEW-Eurodrive bearbeitet ein interdisziplinäres Team die Aufgaben in Versuchen und Simulationen agil, um die iterative Feinabstimmung zwischen realer und virtueller Welt durchzuführen. Die unterschiedlichen Blickwinkel und Erfahrungen der beteiligten Arbeitsbereiche fördern dabei das Gesamtverständnis.

Dank digitalem Zwilling die Wälzlagermontage optimieren

Ein konkretes Ergebnis dieser digitalen Transformation ist beispielsweise die Entwicklung einer simulationsbasierten Montage von Wälzlagern. Wälzlager sind ein wesentliches Element von Servoplanetengetrieben, wobei die Abtriebswelle mit einer in O-Anordnung angestellten Lagerung besonders wichtig ist. Die Lebensdauerberechnung auf Basis der Pressungsverteilung der einzelnen Wälzkörper und die Getriebesteifigkeit beruhen auf einem Steifigkeitsmodell. Durch den Einsatz der Finite-Elemente-Methode ist es möglich, die Berechnungsgenauigkeit, Montagemethodik und Steifigkeitsvorhersage von Wälzlagern durchgängig zu optimieren, um Wälzlager in Seriengetrieben oder applikationsspezifisch optimierten Ausführungen bestmöglich den Anforderungen entsprechend auszuführen.

* Philipp Abele ist M. Sc. Berechnungsingenieur bei SEW-EURODRIVE in Bruchsal.

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