Wärmemanagement Forschungsprojekt senkt den Energieverbrauch von Straßenbahnen
Modernste Klimageräte und zahlreiche weitere Maßnahmen sollen aus Wiens modernster Straßenbahn eine Energiesparmeisterin machen. Nach dem Härtetest im Klima-Windkanal soll sie sich bis Mai 2014 „live“ auf der Wiener Linie 62 beweisen.
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Gerade noch war die Straßenbahngarnitur der Marke ULF (Ultra Low Floor) hochsommerlichen 35 Grad ausgesetzt, jetzt hängen Eiszapfen von den Scheiben und das Thermometer zeigt minus 25. Dramatische Wetterumbrüche in Wien? Nein, die Straßenbahn befindet sich im Klima-Windkanal des Rail Tec Arsenal im 21. Bezirk in Wien, einem weltweit einzigartigen Testlabor für Züge. Die Test-Garnitur der Wiener Linien wird unter anderem mit drei neuen Klimageräten mit Wärmepumpen, einem frequenzvariablen Kompressor und C02-Sensoren ausgestattet und soll damit ihrem Namen „Eco-Tram“ alle Ehre machen.
Energieverbrauch senken durch Wärmemanagement
„Heizung, Klima und Lüftung können 30 bis 40 Prozent des gesamten Energiebedarfs ausmachen“, weiß Dr. Walter Struckl, Siemens-Spezialist für nachhaltige Produktentwicklung. Das Eco-Tram-Projekt wird zeigen, wie weit man diesen Wert reduzieren kann. Die Experten rechnen mit einem Einsparpotential bis zu 3.000 MWh pro Jahr für die Wiener Linien. Das entspricht dem Stromverbrauch einer kleineren Ortschaft und vermeidet 600.000 kg CO2 pro Jahr.
Vorausschauend klimatisieren
„Wir haben intelligente Regler angebracht, die vorausschauend bewerten, ob es in nächster Zeit notwendig ist, zu kühlen oder zu heizen.“ Fährt der Wagen an einem Sommertag in einen Tunnelbereich, wo die Umgebungsluft kühler ist, so schaltet das System vorausschauend die Kühlung zurück. Ebenso bei Umkehrschleifen, wo keine Fahrgäste an Bord sind. „Wir testen die allerneuesten Klimaanlagen, um die optimalen Hard- und Softwareeinstellungen herauszufinden“, so Struckl.
Die Eco-Tram wurde im ersten Projektabschnitt im Klimakanal und im realen Fahrgastbetrieb vermessen, bevor sie umgebaut und noch einmal denselben Messungen unterworfen wurde. „Wir wollen das Einsparpotenzial wissenschaftlich belegen und nicht einfach die branchenüblichen Schätzungen abgeben“, erklärt Struckl.
Optimale Luftqualität
Wirklich alles wird getestet: die Zulufttemperaturen der Klimaanlagen, die Luftbewegungen im Wagen, die Auswirkungen der Abgabe von Wärme und Feuchtigkeit der Fahrgäste. Denn auch der Fahrkomfort darf nicht zu kurz kommen. Die Lüftungen sind auf maximale Besetzung der Trams ausgelegt. Aber alle zugeführte Luft muss gekühlt oder geheizt werden. „Wir messen den Kohlendioxid-Gehalt der Luft. Daraus lässt sich auf die Zahl der Fahrgäste rückschließen und die Frischluftzufuhr so dosieren, dass die Luftqualität optimal bleibt“, berichtet Struckl.
Forschungsprojekt läuft seit 2009
Das Forschungsprojekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Rahmen von „Neue Energien 2020“ gefördert und läuft bereits seit 2009. Siemens hat das komplette Fahrzeug gebaut, das Institut für Automatisierung und Regelungstechnik an der TU Wien hat die Reglersoftware entwickelt, Rail Tec Arsenal macht die Messtechnik und Vossloh Kiepe liefert die Heizungs- und Klimageräte. Die Schieneninfrastrukturgesellschaft (SCHIG) kümmert sich um das Projektmanagement.
Tram muss Alltagstauglichkeit beweisen
Wenn die Testgarnitur die harten Anforderungen im Klima-Windkanal überstanden hat, wird sie auf Schiene geschickt. Bis Mai 2014 wird die Tram auf der Linie 62 zwischen Oper und Lainz verkehren. Mitsamt viel versteckter Messtechnik, denn die Forschung endet nicht im Windkanal. Die Tram muss sich auch im Echtbetrieb bewähren. Wenn alles passt, ist die EcoTram eine der effizientesten Straßenbahnen der Welt. Und was wird der Fahrgast von all den neuen Maßnahmen bemerken? „Hoffentlich nichts!“, sagt Struckl, „die Kunst besteht darin, dass die Fahrgäste sich behaglich fühlen, wir aber trotzdem Energie sparen.“ (mz)
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