Leichtbau Eine Schaltgabel, die es in sich hat

Von Martin Wollenberg*

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Um Leichtbau zu erreichen, ersetzt Koki Technik eine Schaltgabel aus Aluminium-Druckguss durch Kunststoff und integriert im Spritzguss neben einem faserverstärkten Einleger auch Sensoren, Magnete und eine Schaltstange.

Die Faserverbund-Schaltgabel für ein Kfz-Hochleistungsgetriebe läuft unter dem Markennamen Car-Na-Trix und wurde 2019 mit dem GKV/Tec-Part-Innovationspreis ausgezeichnet.
Die Faserverbund-Schaltgabel für ein Kfz-Hochleistungsgetriebe läuft unter dem Markennamen Car-Na-Trix und wurde 2019 mit dem GKV/Tec-Part-Innovationspreis ausgezeichnet.
(Bild: Koki Technik Transmission Systems)

Die Firma Koki Technik Transmission Systems entwickelt und produziert seit dem Jahr 2000 innere Schaltsysteme für PKW- und NKW-Getriebeanwendungen. Unter dem Markennamen Car-Na-Trix werden seit 2017 unterschiedliche Leichtbauapplikationen entwickelt, so auch die mit dem GKV/Tec-Part-Innovationspreis 2019 ausgezeichnete Faserverbund-Schaltgabel für ein Kfz-Hochleistungsgetriebe. Bei dieser Entwicklung wurde ein Hochtemperatur-PPA-Compound der Produktlinie Luvocom im Spritzguss mit einem Carbonfaser-Tape verstärkt. Gleichzeitig wurden magnetische Komponenten, drahtlose Sensoren und eine metallische Schaltstange umspritzt. Die zwei Magnete ermöglichen eine Positionserfassung der Schaltgabel im Getriebe. Die RFID-Sensoren unterscheiden sich: Während der erste Sensor die Schwingungen der Schaltgabel aufnimmt, misst der zweite Sensor die Temperatur.

Auch die E-Mobilität profitiert

Durch die zunehmende Elektrifizierung des Antriebsstrangs, wird insbesondere bei den Hybridfahrzeugen eine Möglichkeit gesucht, temporär ungenutzte Komponenten (z.B. den E-Motor) aus dem Triebstrang auszukoppeln um dessen Effizienz zu erhalten. Diesen Zweck erfüllen vermehrt sogenannte Decoupling Units oder Disconnect Units, welche in ihrer Funktion einem Schaltgetriebe ähnlich sind. Da bei diesen Schaltungen normalerweise die Temperaturen und Kräfte etwas geringer sind als im Schaltgetriebe, werden hier bereits im Serienprozess hergestellte Vollkunststoff-Schaltelemente der Firma Koki eingesetzt. Hierbei kann sogar auf UD-Tapes verzichtet werden, was nochmals deutlich zur Senkung der Herstellkosten beiträgt.

Werkstoffverbundlösung favorisiert

Schaltgabeln konnten bisher in zwei wesentliche Designs unterteilt werden – gefertigt aus geschweißten Stahlblechteilen oder aus montierten Aluminiumdruckgussteilen. Koki fokussierte sich bislang auf die Stahlblechkonstruktionen, da die verwendeten Feinschneid- und Stanzteile auch in den weiteren Schaltungskomponenten wie Parksperren und Schaltdome zum Einsatz kommen.

Als wettbewerbsfähige Alternative zu den Aluminiumschaltgabeln kam nur die Entwicklung einer Faserverbund-Kunststoff-Schaltgabel (Car-Na-Trix) in Betracht.
Als wettbewerbsfähige Alternative zu den Aluminiumschaltgabeln kam nur die Entwicklung einer Faserverbund-Kunststoff-Schaltgabel (Car-Na-Trix) in Betracht.
(Bild: Koki)

Um insbesondere im Bereich der Schaltgabeln weitere Marktanteile erschließen zu können, sollte eine wettbewerbsfähige Alternative zu den Aluminiumschaltgabeln entwickelt werden. Als möglicher Lösungsansatz kam nur die Entwicklung einer Faserverbund-Kunststoff-Schaltgabel in Betracht, da diese im Spritzguss hergestellt werden kann und damit den hohen Ansprüchen an die Formgebung aus dem verfügbaren Bauraum gerecht wird.

Baukasten löst 95 % der Anforderungen

Basierend auf der Analyse der bestehenden Lastenhefte wurde schnell klar, dass die hohen Lasten gepaart mit Temperaturen bis 150 °C besondere Anforderungen an Werkstoff und Konstruktion stellen, um unter anderem die Lebensdaueranforderungen erfüllen zu können.

Für die Werkstoffentwicklung hat sich Koki starke Partner wie DSM und Lehvoss gesucht, die sich auf das Customizing von Werkstoffen spezialisiert haben. Aus dem von uns bereitgestellten Anforderungsprofil wurde die wettbewerbsfähigste Lösung als Basispolymer herausgearbeitet. Durch das Customizing haben wir uns einen Composite-Baukasten geschaffen, der mit wenigen unterschiedlichen Werkstoffen 95 % der relevanten Anforderungen abbilden kann. In Einzelfällen sind auch Werkstoffmodifikationen möglich, um bestimmte Schwerpunkte der kundenseitigen Bauteilanforderungen zu unterstreichen.

Der Bauraum als limitierende Größe

Konstruktionsseitig stellen Koki die Bauraumvorgaben immer wieder vor große Herausforderungen, da in den Konzeptphasen häufig nur Aluminiumlösungen berücksichtig werden, welche dann für eine Kunststofflösung den limitierenden Faktor darstellen. Dies beeinflusst maßgeblich die erreichbare Steifigkeit der Kunststofflösung. In vielen Fällen kann jedoch durch eine beratende Begleitung in der Konzeptphase weiterer notwendiger Bauraum freigehalten werden. So kann durch Erhöhung der geometrischen Steifigkeit eine ähnliche Gesamtsteifigkeit wie bei einer Aluminiumlösung erreicht werden. Spätere Iterationsschleifen in der Bauteilentwicklung können vermieden werden.

Design und Fertigung eng gekoppelt

Auch die zur Anwendung kommenden Composites mit einem E-Modul von bis zu 48 GPa können bereits einen erheblichen Beitrag zur Steifigkeit leisten. Damit ein faserverstärkter Kunststoff hier im gleichen Maße performt wie vergleichbare Bauteile aus Aluminium, benötigt es umfassendes Know-how in der Gestaltung und Verarbeitung von Composites.

In kaum einem anderen Anwendungsfeld sind Design und Fertigung so eng gekoppelt wie bei hochbelasteten Verbundwerkstoffen unter thermischer Beanspruchung. Denn bei der Verarbeitung des Kunststoffes entstehen im Werkzeug Drücke über 2000 bar und die Verarbeitungstemperaturen liegen bei über 300 °C. Zudem muss die ins Bauteil integrierte Sensorik in der Position gehalten und darf nicht thermisch beschädigt werden.

Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, werden bei Koki Technik Transmission Systems mittels CAD funktions-, bauraum- und fertigungsgerechte Bauteile entwickelt. In einer Moldex-3D-Fließsimulation werden die durch das Fließverhalten entstehenden theoretischen Faserorientierungen im Bauteil berechnet und anschließend mit den multiskalaren Werkstoffdaten auf das FEM-Modell gekoppelt. Mit dieser FEM-Simulation werden die Spannungen und Verformungen berechnet. Auf dieser Basis sind dann auch Aussagen über die mögliche Betriebssicherheit des Bauteils unter einem Temperaturkollektiv über alle Lastzyklen hinweg möglich.

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Sensorik für vorbeugende Wartung

Um die Simulationsergebnisse detailliert zu verifizieren und zusätzliches Know-how über das Werkstoffverhalten und die im Realbetrieb auftretenden Anforderungsprofile zu erhalten, entstand der Bedarf nach einer funktionsnahen Sensorik. Über die Sensorik kann für bestimmte Anwendungen ein zusätzlicher Funktionsinhalt generiert werden, indem die Daten der Sensorik beispielsweise für predictive Maintenance Verwendung finden. Die Verwendung einer kabellosen Sensorik mit eigenem Energie- und Datenspeicher sollte ebenfalls getestet werden, um ein möglichst breites Anwendungsspektrum zu erreichen. Der Einsatz der umspritzten Sensoren ist in vielen weiteren Anwendungen denkbar. Das hochintegrative Schaltgabelsystem ist damit hervorragend als Technologieträger geeignet. (qui)

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* Martin Wollenberg, Head of CarNaTrix, Koki Technik Transmission Systems, Niederwürschnitz

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