Predictive Maintenance Ein Wächter für die Datenleitung
Der Etherline Guard überwacht in ethernetbasierten Netzwerken der Automatisierungstechnik die Lebensdauer einer ausfallgefährdeten Datenleitung, um ungeplante Maschinenstillstände zu verhindern. Wir stellen die Neuentwicklung von Lapp im Detail vor.
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Um Maschinenstillstände zu vermeiden hatten Wartungstechniker bisher nur zwei Alternativen:
- 1. den reaktiven Wartungsansatz, bei dem Teile erst ausgetauscht werden, wenn die Maschine bereits stillsteht oder
- 2. den Ansatz der präventiven Wartung, bei der noch funktionsfähige Teile vorsorglich in bestimmten Zeitintervallen ersetzt werden.
Um unvorhergesehene Produktionsausfälle zu vermeiden und Instandhaltungskosten zu reduzieren, gibt es Dank Industrie 4.0 und Digitalisierung eine noch viel effizientere Alternative, nämlich das Konzept der vorausschauenden Wartung. Es basiert auf Sensordaten, die während des Prozesses erfasst und ausgewertet werden und dabei Rückschlüsse auf die tatsächliche Alterung des Teils zulassen. Das ist auch bei Verbindungssystemen, wie Leitungen oder Steckverbindern, möglich. Zwar halten Leitungen üblicherweise viele Jahre, aber bei hochdynamischen, anspruchsvollen Bewegungen mit hohen Geschwindigkeiten und starker Torsion ist es vorteilhaft und kostensparend, wenn die Verbindungssysteme überwacht werden, um unvorhergesehene Stillstände und somit eine Beeinträchtigung der Produktivität zu vermeiden.
Für diese Datenleitungen eignet sich der Etherline Guard
Der Etherline Guard von Lapp ist ein stationäres Überwachungsgerät, das die aktuelle Leistungsfähigkeit einer Datenleitung auswertet und in Prozent angibt. Grundlage dafür sind Daten, die über eine Sensorik aus den physikalischen Eigenschaften der Datenübertragung ermittelt werden. Die Realzeit-Zustandsanzeige macht es möglich, die Verschleißgrenze einer Leitung zu erkennen und den optimalen Austauschzeitpunkt im Voraus zu planen.
Lapp empfiehlt den Etherline Guard vor allem für Datenleitungen gemäß Übertragungsstandard 100BASE-TX (bis zu 100 Mbit/s) nach IEEE 802.3, aber auch für Ethercat-, Ethernet/IP- und 2-paarige Profinet-Anwendungen, wie zum Beispiel der Etherline Torsion Cat. 5 oder der Etherline PN Cat. 5 FD. Diese Leitungen werden in vielen Branchen in den letzten Metern beziehungsweise auf der Prozessebene einer Anwendung eingesetzt und sind somit häufig Teil von Schleppketten oder torsionsbehafteten Kabelführungen, wie sie in Roboterarmen vorkommen. Der Etherline Guard ist für die Hutschienenmontage vorbereitet (Schutzart IP 20).
In diesen zwei Varianten ist der Etherline Guard erhältlich
Der Etherline Guard ist in zwei Varianten erhältlich:
- als eine kabelgebundene LAN-Variante „PM03T“ und
- als eine kabellose WiFi-Variante „PM02TWA“.
Das Gerät ist nur etwas größer als eine Streichholzschachtel (49 mm breit, 76,5 mm hoch und 36 mm tief). Es wird mit 24 V DC betrieben, ist für einen Temperaturbereich von –40 °C bis 75 °C vorgesehen und gemäß DIN EN 60529 vibrations- und schockfest. Eine einfach zu bedienende SET-Taste ist für das Aufrufen verschiedenster Funktionen, wie beispielsweise dem Teach-in, oder dem Aktivieren des Accesspoints vorgesehen.
Der Etherline Guard wird zwischen die kritische Anwendung bzw. der zu überwachenden Leitung und der Steuerungsseite in einen Datenleitungsknoten gesteckt. Dafür verfügt das Gerät über einen Guard-/Data-Port für die zu überwachende Datenleitung mit RJ45-Stecker, die von der kritischen Anwendung zum Gerät führt, sowie einen Data-Port für die Datenleitung mit RJ45-Stecker, die vom Gerät zur Steuerung führt. Über den Anschluss einer dritten Datenleitung an der LAN-Buchse (Variante PM03T) oder über die Verwendung des Antennenanschlusses für Wi-Fi (Variante PM02TWA) können die Wartungsdaten an eine übergeordnete Steuerung übertragen werden. Beide Varianten können für die Cloud-Kommunikation mit MQTT konfiguriert werden. Der externe SMA-Antennenanschluss gewährleistet eine sichere Funkstrecke, wenn sich das Gerät beispielsweise im Schaltschrank befindet. Die Antenne wird dann außerhalb montiert. Der Etherline Guard ist außerdem mit einem fünfpoligen Klemmterminal für Einzeladerverdrahtung ausgestattet. Auf dem Terminal finden sich Anschlüsse für die Spannungsversorgung, für die Verbindung der Funktions-Erdung (FE) und für die digitalen Ausgänge Q1 (push/pull- Schaltausgang) und Q2 (PWM moduliertes Ausgangssignal), welche zur Ausgabe des Kabelstatus dienen.
So lässt sich der Etherline Guard einstellen
Die Entwickler von Lapp haben ganz bewusst nur einfach gehaltene Diagnose- und Einstellmöglichkeiten am Gerät vorgesehen. Am Gerät befinden sich neben den üblichen LEDs an jedem RJ45-Port drei zentral angeordnete mehrfarben Diagnose-LEDs:
- PWR für Betriebsbereitschaft,
- STATUS für den Zustand der zu überwachenden Datenleitung und
- COM für Connect (LAN-Version) oder Wi-Fi (WiFi-Version).
Möchte ein Nutzer auf darüberhinausgehende Einstellungen oder Funktionsparameter zugreifen, oder sich über die grafische Verlaufshistorie des Kabelstatus informieren, bietet das Webinterface von Etherline Guard einen einfachen und komfortablen Zugang. Hier finden sich zum Beispiel auch die Einstellungen für die Einbindung des Geräts in eine Steuerungsebene via MQTT. Darüber hinaus kann das Gerät mittels Firmware-Update auf einen neuen Stand gebracht werden, wenn künftig beispielsweise zusätzliche Funktionen entwickelt werden und den Funktionsumfang nochmals steigern.
Die Inbetriebnahme erfolgt mit einer automatisierten und selbstlernenden Parametrisierung („Teach-In“) in wenigen Minuten. Gestartet wird über Tastendruck oder über das Webinterface. Für die Anwendung werden keine fabrikneuen Datenleitungen oder Änderungen am Kabeldesign benötigt. Das bedeutet, dass ein Retrofit in die bestehende Netzstruktur jederzeit möglich ist. Dank der zwei Varianten und einem breiten Spektrum an diversen Anschlussmöglichkeiten kann der Anwender entscheiden, wie die benötigten Statusinformationen an die übergeordnete Prozessebene übertragen werden sollen. Am Gerät selbst kann der Kabelstatus an einer der rundum sichtbaren LED schnell erkannt werden. Die Art der Anzeige orientiert sich an einem Ampelsystem:
- Sie leuchtet dauerhaft grün, wenn die Leitung perfekt funktioniert und sich innerhalb der Spezifikationen befindet.
- Meldet das Webinterface den gelben Bereich bzw. blinkt die Status-LED rot, sind bereits erste Verschleißerscheinungen eingetroffen und es entsteht Handlungsbedarf: Hier sollte die Leitung zumindest geprüft werden und gegebenenfalls ein baldiger Austausch erfolgen.
- Leuchtet die LED dauerhaft rot, ist das Ende der Lebensdauer erreicht.
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Patentierte Predictive-Maintenance-Algorithmen als Basis
Mit den patentierten Predictive-Maintenance-Algorithmen von Lapp können Unregelmäßigkeiten in den analysierten Daten leicht erkannt werden. Die beiden digitalen Ausgänge Q1 und Q2 ermöglichen die Ausgabe des Kabelstatus als Schaltsignal oder als PWM moduliertes analoges Signal, wobei die Alarmschwelle für den Schaltausgang Q1 vom Anwender vorgegeben werden kann. Sowohl die LAN- als auch die Wi-Fi-Variante können den Kabelstatus via MQTT ausgeben. Dazu gibt es in der LAN-Variante den LAN-RJ45-Anschluss, in der Wi-Fi-Variante funktioniert die Kommunikation drahtlos. So ist eine verlässliche IIoT-Kommunikation garantiert. Die Daten können ebenso per Nutzung des Accesspoints beispielsweise ganz einfach mit einem mobilen Endgerät ausgelesen werden. Weiterhin ist es möglich, sämtliche Daten über mehrere Jahre hinweg auf einer (Micro-)SD-Karte zu speichern.
Der Etherline Guard berechnet kontinuierlich den Kabelzustand und schlägt Alarm, wenn die Leistung bzw. die Übertragungseigenschaften einer Leitung nachlassen und ein Ausfall drohen könnte. Die Alarmauslöseschwelle ist werkseitig auf 80 Prozent eingestellt, kann aber individuell zwischen 99 Prozent und 21 Prozent angepasst werden.
Tests mit Pilotkunden brachten wichtige Erkenntnisse
Bereits 2020 kam Etherline Guard bei drei Pilotkunden aus den Branchen Medizintechnik, Automotive und Intralogistik sowie im Dienstleistungs- und Logistikzentrum von Lapp in Ludwigsburg zum Einsatz. Die frühe Vorstellung bei ausgewählten Kunden hat Lapp bei der Entwicklung extrem geholfen. Dank des direkten Kundenfeedbacks konnte verhindert werden, dass die Innovation am Markt vorbei entwickelt wurde. Im Zuge der Pilotprojekte konnte das Entwicklerteam von Lapp einige wichtige neue Erkenntnisse gewinnen.
Besonders spannend waren die Ergebnisse in Bezug auf den Alterungsprozess von Ethernet-Leitungen. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung, dass ein auftretender Drahtbruch im Kupferleiter das Ende der Lebensdauer einer dynamisch bewegten Datenleitung verursacht, kam heraus, dass in den meisten Fällen die Abnutzung und Veränderung in der Isolationsschicht schuld an der Verschlechterung der Übertragungseigenschaften von Datenleitungen ist.
Der Grund: Die Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen wird nicht durch das Kupfer, sondern hauptsächlich durch die Isolation bestimmt. Wird also eine Datenleitung dauerhaft hoher mechanischer und dynamischer Belastung ausgesetzt, bewirkt das eine Veränderung der Isolierschicht. Dies hat beispielsweise eine örtliche Kapazitätsänderung zur Folge, was wiederum den lokalen Wellenwiderstand der Leitung ändert. An diesen Störstellen kommt es dann zu unerwünschten Reflexionseffekten oder es treten unzulässige Signallaufzeitunterschiede auf, was wiederum die Datenübertragungseigenschaften vermindert. Dieser Effekt tritt einige Zeit vor dem eigentlichen Kupferdrahtbruch auf.
Mit Etherline Guard ermöglicht Lapp den Kunden nun einen weiteren Schritt auf dem Weg zur smarten Fabrik.
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* Dipl.-Ing. Stefan Hilsenbeck hat nach seinem Studium im Fachgebiet Optoelektronik-Lasertechnik an der Hochschule Aalen mehrere Jahre Erfahrung im Bereich industrielle Sensortechnik und Automation gesammelt. Mit seinem Wechsel zur Lapp Gruppe 2018 und seiner aktuellen Tätigkeit als Senior Engineer Advanced Technology in der Lapp Holding AG treibt er maßgeblich relevante Technologiethemen wie EMV und Predictive Maintenance voran.
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