Digital Engineering Digitaler Zwilling steigert Ertrag im Unterwassergewächshaus

Quelle: Pressemitteilung Luca Gamberini, Alastair Orchard

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Pflanzen im Unterwassergewächshaus wachsen lassen – das ist das Ziel von Nemo's Garden. Und das junge Unternehmen hat schon vielerlei Pflanzen geerntet. Um die Biosphäre kommerziell nutzbar zu machen, setzen die Ingenieure jetzt auf den Digitalen Zwilling, mit dem virtuell getestet und optimiert werden kann.

Im Unterwassergewächshaus von Nemo's Garden gedeihen Gemüse und Früchte aller Art. Bisher aber stand das Team vor der Herausforderung, dass ihnen nur ein Innovationszyklus pro Jahr zur Verfügung stand. Digitalisierung schafft Abhilfe.
Im Unterwassergewächshaus von Nemo's Garden gedeihen Gemüse und Früchte aller Art. Bisher aber stand das Team vor der Herausforderung, dass ihnen nur ein Innovationszyklus pro Jahr zur Verfügung stand. Digitalisierung schafft Abhilfe.
(Bild: Siemens Digital Industries Software)

Vor der italienischen Küste spielt sich unter der Meeresoberfläche etwas Erstaunliches ab: In Nemo's Garden gedeiht eine neue Form der Landwirtschaft, die an eine am Meeresboden verankerte Blüte aus Riesenquallen erinnert. Diese großen durchsichtigen Kuppeln, auch Biosphären genannt, sind eine einzigartige neue Art von Unterwassergewächshaus. Die Biosphären machen sich die positiven Umweltfaktoren des Ozeans zunutze – Temperaturstabilität, Frischwassererzeugung durch Verdunstung, CO2-Absorption und natürlicher Schutz vor Schädlingen – und schaffen so ein ideales Umfeld für den Anbau aller Arten von Produkten.

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Hinter Nemo's Garden steht Sergio Gamberini, Präsident des Tauchausrüstungsherstellers Ocean Reef, der 2012 von einem Freund angeregt wurde, seine Erfahrung bei der Entwicklung von Tauchausrüstungen mit seiner Leidenschaft für Gartenarbeit zu verbinden. In den letzten zehn Jahren bewiesen Gamberini und das Team von Nemo's Garden, dass der Anbau von Obst und Gemüse unter Wasser möglich ist. Sie haben nicht nur erfolgreich eine Vielzahl von Pflanzen aus ihren Prototyp-Biosphären geerntet, sondern auch festgestellt, dass die in dieser Umgebung angebauten Pflanzen einen höheren Nährstoffgehalt aufwiesen als solche aus herkömmlichem Anbau.

Aber: Die nächste große Hürde bestand darin, den Prototyp in eine Lösung zu verwandeln, die weltweit eingesetzt werden könnte – es war klar, dass ihnen dafür keine weiteren zehn Jahre zur Verfügung standen.

Herausforderung: Nur ein einziger Zyklus pro Jahr

Strenge Winter, kurze Sommer und anfängliche Genehmigungsbeschränkungen für die Nutzung des Meeresbodens beschränkten Nemo's Garden auf einen Wachstumszyklus pro Jahr, was nur einen Innovationszyklus pro Jahr bedeutete. Erst nach Abschluss der Vegetationsperiode und der Ernte konnte das Team die Auswirkungen einer Design- oder Prozessänderung auf die Pflanzen vollständig nachvollziehen, was die Geschwindigkeit der Weiterentwicklung und Skalierung des Projekts einschränkte.

Jede Konstruktionsänderung, die zur Kostensenkung, zur Erhöhung der Produktionskapazität oder zur Verbesserung von Pflanzengesundheit und Ertrag vorgenommen wurde, erforderte diesen langwierigen physischen Testschritt zusammen mit den damit verbundenen Investitionskosten für den Prototyp. Stark manuelle Überwachungsprozesse während des Wachstumszyklus erhöhten diese Kosten zusätzlich.

Vom Prototyp zur praktikablen Landwirtschaftslösung

Nemo's Garden wandte sich an Tek-Sea, ein Beratungsunternehmen, das sich auf die Anwendung von Industrie 4.0-Technologien konzentriert, um Unternehmen bei der Entwicklung nachhaltiger Lösungen zu unterstützen. Matteo Cavalleroni von Tek-Sea identifizierte Siemens Software als Technologiepartner, der dabei helfen könnte, den Prototyp in eine praktikable alternative Landwirtschaftslösung zu verwandeln, die überall auf der Welt hergestellt und installiert werden könnte.

Nemo's Garden begann mit der Implementierung des Xcelerator-Portfolios an Software und Services, und die Zusammenarbeit weitete sich von der Automatisierung der Sensorüberwachung auf die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie aus, in deren Mittelpunkt ein digitaler Zwilling der Biosphäre steht.

Unterwassergewächshaus virtuell testen und optimieren

Ein digitaler Zwilling ist die virtuelle Darstellung eines physischen Produkts oder Prozesses, mit deren Hilfe sich die Leistungsmerkmale des physischen Gegenstücks verstehen, vorhersagen und optimieren lassen. Mithilfe eines digitalen Zwillings kann Innovation in einer virtuellen Welt stattfinden, ohne dass die Kosten für physische Prototypen und die zeitlichen Beschränkungen eines herkömmlichen Ansatzes anfallen.

Ein umfassender digitaler Zwilling der Biosphären half dem Team, sämtliche Herausforderungen zu meistern. Der Zwilling umfasste dabei:

  • die Simulation der Wachstumsbedingungen in den Biosphären und
  • die Auswirkungen der Geräte und ihres Einsatzes auf den Wasserkörper, in dem sie sich befinden würden.

Die Vorteile: Das Team ist nicht mehr durch Wetterbedingungen, Saisonabhängigkeit und kurze Wachstumsperioden eingeschränkt oder auf Tauchen und manuelle Überwachung angewiesen. Anpassungen an den Biosphären werden mithilfe von Simulationssoftware in der virtuellen Welt getestet, so dass das Team die Entwürfe und Prozesse sehr schnell optimieren kann.

Die Biosphäre neu erfinden

Das Sammeln von Daten ist für jede Art von technischem Projekt wichtig; besonders wichtig ist es jedoch, wenn man etwas völlig Neues versucht – wie den Anbau von Lebensmitteln unter Wasser.

Das Team von Nemo's Garden hatte in den vergangenen Saisons eine Fülle von Sensordaten gesammelt, die für die Entwicklung des digitalen Zwillings sehr nützlich waren. Die Daten zu Temperatur, CO2/O2-Konzentration, Neigungswinkel, Wasserstand und Stromverbrauch wurden mit den Vorhersagen aus den ersten Simulationen verglichen, um den digitalen Zwilling der Nemo's Garden-Kuppeln und des umgebenden Ozeans zu validieren.

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Da nun ein virtuelles Modell und eine Testumgebung zur Verfügung standen, konnten die Design-Iterationen ohne kostspielige physische Prototypen oder iterative Feinabstimmung in einer Unterwasserumgebung fortgesetzt werden. Anstatt sich auf eine passive Wachstumsumgebung zu verlassen, konnten die Bedingungen in Nemo's Garden entsprechend den Veränderungen des Ozeans und der Biomasse während der Saison angepasst werden. Dies ermöglichte den Ingenieuren die Beantwortung kritischer Fragen:

  • Wie viele Pflanzen sollten in einer Kuppel angebaut werden?
  • Wie viel Sonnenlicht sollte zu den Pflanzen durchgelassen werden?
  • Welche Mindestdicke der Kuppel und welche Verankerungsstärke sind erforderlich, um Drücke und Kräfte zu bewältigen, die sowohl unter normalen als auch unter untypischen Bedingungen auf die Struktur wirken?
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Nemo’s Garden setzt 3D-Konstruktions- und Simulationssoftware, darunter die Siemens-Softwarelösungen NX und Simcenter in der virtuellen Umgebung ein. Damit konnte das Team die Konstruktion der Biosphären neu denken. Zuvor mussten Änderungen schrittweise vorgenommen werden, damit alle Beteiligten die Auswirkungen genau messen konnten. Durch die Nutzung des digitalen Zwillings der Biosphäre mit einer Simulation der Bucht von Noli ist das Team nun jedoch in der Lage, sehr viel wirkungsvollere Änderungen in kürzerer Zeit vorzunehmen:

  • So modellierten die Entwickler längliche Kuppeln, um mehr Pflanzen pro Einheit unterzubringen.
  • Zudem reduzierten sie die Materialstärke, um das Gewicht zu verringern, was auch den Transport und die Installation erleichtert.
  • Die Polymerleitungen der neuen Biosphären konnten ebenfalls dünner gestaltet werden, was den Aufwand für die Installation weiter verringert und gleichzeitig den Personalbedarf reduziert.

Steuersysteme passen Umgebung automatisch an

Um seine nachhaltigen Geschäftsziele zu erreichen, musste Nemo's Garden nicht nur Konstruktion und Entwicklung der Biosphären beschleunigen, sondern auch die Habitate für den Anbau, die Überwachung und die Ernte optimieren und skalieren. Das Unternehmen wählte einen vollständig digitalen, automatisierten Ansatz, der auf der Erfahrung von Siemens mit der Nutzung von Software zur Automatisierung traditioneller Anbaumethoden beruht. Damit sind zur Datenerfassung unter Wasser keine geschulten Taucher mehr erforderlich.

Wie bei der Landwirtschaft auf der Erde wird das Pflanzenwachstum auch unter Wasser in der Biosphäre von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst – Sonnenlicht, Luftfeuchtigkeit, O2/CO2-Konzentrationen und vieles mehr. Dafür entwickelte das Team robuste Steuersysteme, die die Umwelt aktiv überwachen und im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft wesentlich präziser anpassen können.

Optimale Bedingungen für die Pflanzen dank KI

Zudem nutzte das Team Live-Videos, die auf den Mindsphere Internet of Things (IoT)-Service von Siemens hochgeladen wurden, um einen Algorithmus für maschinelles Lernen zu trainieren. Dieser ermittelt automatisch den Gesundheitszustand der einzelnen Pflanzen. Mit dem Algorithmus, der auf Siemens Edge Controllern in jeder Biosphäre läuft, konnte das Team von Nemo's Garden die Pflanzen während der gesamten Saison aus der Ferne überwachen – von jedem Ort aus und in Echtzeit.

In der nächsten Saison werden die Edge-Controller mit Aktoren verbunden, sodass die trainierte KI die Luftzirkulation, die Luftfeuchtigkeit, die Bewässerung und die Nährstoffdosierung während der gesamten Saison automatisch anpassen kann. Dies wird die Grundlage eines globalen landwirtschaftlichen Dienstes sein, der für den Unterwasserbetrieb optimiert und auf jeden Ozean der Welt abgestimmt ist.

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Ziel: Mit kommerzieller Unterwasser-Farming-Plattform mehr Nahrungsmittel bereitstellen

Das Team von Nemo's Garden hat etwas, das als unterhaltsame Herausforderung bei einem Abendessen mit Freunden begann, in eine realisierbare landwirtschaftliche Alternative verwandelt. In Zusammenarbeit mit Siemens verwandelt das Team das Konzept in eine kommerziell nutzbare Unterwasser-Farming-Plattform, die auf der ganzen Welt nachhaltig eingesetzt werden kann. Dies ist besonders in Gebieten interessant, in denen ökologische oder wirtschaftliche Gründe den traditionellen Pflanzenanbau verhindern.

Während die Saat des Erfolgs mit Nemo's Garden bereits gelegt wurde, arbeitet das Team weiter an seinem ultimativen Ziel, mit Hunderten von Installationen rund um den Globus mehr Nahrungsmittel für die Weltbevölkerung bereitzustellen. Sie suchen bereits nach Möglichkeiten, ihre Unterwasser-Landwirtschaftsplattform mit neuen Siemens-Technologien weiter zu verfeinern. Diese sollen den Einsatz moderner Lösungen von der Robotik bis zur Solarenergie ermöglichen. Durch Software as a Service und digitalen Zwilling werden die Spezialisten von Nemo’s Garden weiterhin neue Ideen und Innovationen evaluieren, die die Erträge steigern und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck weiter verkleinern.

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