Additive Fertigung Den 3D-Druck-Workflow mit agiler Software verwalten

Von Sariana Kunze

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Additive Fertigung jenseits von Prototypen ist kein Wunschdenken mehr. So baut BMW eine Fertigungslinie auf, in der 3D-gedruckte Teile mit Hilfe von intelligenten Softwarelösungen automatisiert in Serie produziert werden sollen. Stephan Kühr, Gründer und CEO von 3yourmind, verrät, wie sich Additive Manufacturing durch automatisiert ablaufende Business- und Produktionsprozesse von der Prototypen- zur Serienfertigung mausern kann.

3yourmind bietet für eine flexible additive Fertigung drei Softwarepakete an: Agile PLM, Agile ERP und Agile MES.
3yourmind bietet für eine flexible additive Fertigung drei Softwarepakete an: Agile PLM, Agile ERP und Agile MES.
(Bild: D.Quitter/konstruktionspraxis)

Stephan Kühr, Gründer und CEO von 3yourmind, hat seine Vision zur additiven Fertigung geändert.
Stephan Kühr, Gründer und CEO von 3yourmind, hat seine Vision zur additiven Fertigung geändert.
(Bild: 3yourmind)

Herr Kühr, warum bezeichnet man Sie als einen Rockstar der Szene?

Stephan Kühr: Woher die Sache mit Rockstar kommt, weiß ich nicht (lacht). Vielleicht weil ich von Anfang an sehr offen und kommunikativ am Markt aufgetreten bin. Wir haben viel Aufmerksamkeit erzeugt. Und: Wir hatten nie Angst, dass unsere Ideen kopiert werden.

Wie sind Sie zum 3D-Druck gekommen?

Stephan Kühr: Man kann aus nichts etwas erschaffen. Das hat mich motiviert, war der Zünder, die Technologie auszuprobieren. Als im Jahr 2013 3D-Druck den Massenmarkt erreicht hat, habe ich mir einen 3D-Drucker gebaut und in dem 3D-Labor der TU Berlin gearbeitet. Mich hat interessiert, was im industriellen Umfeld machbar ist. Mir wurde klar, dass es einen großen Bedarf für Software gibt, die additive Fertigungsprozesse automatisiert. So ist unser Unternehmen 3yourmind entstanden, das ich im Jahr 2014 gemeinsam mit zwei Partnern gegründet habe.

Welche Geschäftsidee steckt hinter 3yourmind?

Stephan Kühr: Mit 3yourmind haben wir einen neuen Bereich innerhalb der additiven Fertigung eröffnet. Vorher gab es keine Softwarelösungen für die Automatisierung der additiven Fertigung, die Business- und Produktionsprozess abbildet. Wir haben uns von einem Startup zum Mittelstand entwickelt – so verstehen wir uns. Neben unserem Firmensitz in Berlin gibt es Büros in München, Paris, New York und Detroit. Unser Team besteht aus 60 Mitarbeitern, wobei 60 Prozent in der Softwareentwicklung in Berlin tätig sind. Zu den Anwendern unserer Software zählen Großkonzerne, aber auch klein- und mittelständische Unternehmen, die Maschinen herstellen oder warten. Zwei Drittel betreiben 3D-Drucker und wollen ihre Prozesse automatisieren. Ein Drittel hingegen hat noch keine 3D-Drucker.

Die Softwarelösungen von 3yourmind, die Business- und Produktionsprozess abbilden, machen eine Automatisierung der additiven Fertigung möglich.
Die Softwarelösungen von 3yourmind, die Business- und Produktionsprozess abbilden, machen eine Automatisierung der additiven Fertigung möglich.
(Bild: 3yourmind)

Wo steht der industrielle 3D-Druck heute?

Stephan Kühr: Der industrielle 3D-Druck ist an einem spannenden Punkt angekommen: der industriellen Serienfertigung. Er ist im Prototypenbau gestartet, seit ein bis zwei Jahren beginnt er nun diesen zu verlassen. Es wurde viel Entwicklungs- aber auch Standardisierungsarbeit geleistet. Jetzt können funktionale Teile hergestellt werden. Es entsteht ein neuer Markt. Beispielsweise kommen schon heute Teile in Flugzeugturbinen oder Ersatzteile für ältere Zugmodelle aus dem 3D-Drucker.

Wie wichtig ist ein automatisiert ablaufender Business- und Produktionsprozess für die industrielle Reife der additiven Fertigung?

Stephan Kühr: Unersetzlich. Sobald ich mehrere Maschinen habe, die ausgelastet sind, komme ich mit traditionellen Softwarelösungen nicht mehr weiter. Viele Anwender haben bislang lediglich Excel oder Whiteboards im Einsatz. Diese Vorgehensweise hat seine Grenzen, vor allem wenn sich der 3D-Druck von der Prototypen- zur Serienfertigung mausern soll. Irgendwann muss ich automatisieren.

Welche Tipps würden Sie Anwendern für den Einstieg in die Additive Fertigung geben?

Stephan Kühr: Die typisch deutsche Herangehensweise ist es, erst einmal einen 3D-Drucker zu kaufen, um erste Erfahrungen mit der additiven Fertigung zu sammeln (lacht). Viel besser ist es jedoch, strukturiert an das Thema heranzugehen und zuerst einmal zu identifizieren, wo lohnende Anwendungsfälle im Unternehmen sind. Sich die Fragen stellen: Was kann additiv hergestellt werden? Wo ist die additive Fertigung sinnvoll? Das wird oft stiefmütterlich behandelt. Dabei hat fast jedes Unternehmen, das Produkte produziert oder Maschinen betreibt eine Vielzahl von Serienteilen, die ökonomisch sinnvoll additiv hergestellt werden könnten.

Die 3yourmind-Software läuft im Webbrowser, als Cloud-Lösung oder On-Premises auf den Servern der Anwender.
Die 3yourmind-Software läuft im Webbrowser, als Cloud-Lösung oder On-Premises auf den Servern der Anwender.
(Bild: 3yourmind)

Ihre Agile Manufacturing-Software-Suite soll die flexible, additive Serienfertigung verwalten. Was verstehen Sie unter Agile Manufacturing?

Stephan Kühr: Die Bezeichnung Agile Manufacturing haben wir bewusst gewählt, da mit einem 3D-Drucker Produkte flexibel hergestellt werden können. Das gelingt mit traditioneller Herstellungssoftware nicht. Unternehmen wollen verstehen, welche Wirkung 3D-Druck auf ihr Geschäft haben kann. Wir bieten hierfür drei Softwarepakte an: Mit Agile PLM können Teile identifiziert werden, die für den 3D-Druck sinnvoll sind. Agile ERP kann man sich wie SAP für den 3D-Druck vorstellen, hiermit lassen sich Businessprozesse für einen 3D-Auftrag abbilden. Agile MES ist ein Produktionssystem, das sich mit den Werkstattprozessen beschäftigt. Auch konventionelle Maschinen können mit unserer Software betrieben werden. Das kommt daher, weil ein 3D-gedrucktes Teil meist mehrere, auch konventionelle, Arbeitsschritte durchläuft. Daher haben viele unserer Kunden diese Maschinen im Fertigungsprozess in unsere Software eingebunden.

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Können Sie ein Beispiel aus der Praxis nennen?

Stephan Kühr: BMW verbaut beispielsweise 3D-gedruckte Teile in seine Fahrzeuge. Aktuell entstehen diese Teile in einem manuellen Prozess, perspektivisch sollen sie automatisiert produziert werden. Gemeinsam arbeiten wir in dem Projekt ‚Polyline‘ von EOS mit 13 weiteren Unternehmen und Forschungseinrichtungen daran, eine vollautomatisierte Fertigungslinie bei BMW aufzubauen. Ziel ist es, die konventionellen Fertigungstechniken mit der additiven Fertigung in Form von durchsatzstarken Linienproduktionssystemen zu ergänzen. Das bedeutet zum Beispiel, dass Roboter Teile von einem Drucker zu einer Nachbearbeitungsmaschine bringen – alles gesteuert von unserer Software.

BMW automatisiert AM-Workflow

Was ist Polyline?

Das Polyline-Projekt bringt 15 Industrie- und Forschungspartner aus Deutschland zusammen, um eine automatisierte Fertigungsanlage für die additive Fertigung zu realisieren. Dabei wird die 3yourmind Agile Manufacturing Suite die Softwareebene zur Verwaltung des gesamten Additive-Manufacturing-Workflows bereitstellen. Gefördert wird Polyline mit insgesamt 10,7 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Ziel des Projekts ist es, eine komplette Produktionslinie für Automobil-Bauteile bei BMW zu automatisieren - vom CAD-Modell über den 3D-Druck bis hin zur Qualitätskontrolle.

Welche Rolle spielt für Sie die Standardisierung von automatisierten additiven Fertigungsprozessen?

Stephan Kühr: Wir sind in vielen Standardisierungsgremien aktiv, wie dem VDMA, DIN, America Makes. Auch sehen wir die universelle Schnittstelle für Maschinen Umati, die auf OPC UA Companion Specifications basiert, als zukunftsträchtig an. Deshalb haben wir Umati auch in unsere Software implementiert.

Vor gut einem Jahr haben Sie Fördermittel in maschinelles Lernen investiert. Was versprechen Sie sich für 3yourmind davon?

Stephan Kühr: Jedes Unternehmen hat eine andere Datensituation. Generell sind die Voraussetzungen unterschiedlich. Hier kann künstliche Intelligenz (KI) helfen. Mittels KI lässt sich beispielsweise die Teileidentifikation optimieren. Weil das System lernt, macht es so eine bessere und schnellere Identifikation möglich.

Wie sieht Ihre Vision zum Thema additive Fertigung aus?

Stephan Kühr: Meine Vision hat sich geändert. Ich habe anfangs gedacht, dass sich der 3D-Druck im privaten Bereich durchsetzen wird. Daran glaube ich nicht mehr. Wir werden keine Drucker zuhause haben und uns unsere Werkzeuge ausdrucken. In der Industrie nimmt er bereits jetzt eine wichtige Stellung ein. Experten gehen davon aus, dass perspektivisch zwischen 12 bis 20 % aller Teile gedruckt werden können. Für eine derartige Massenproduktion braucht man einfach Software, die automatisiert.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf unserem Partnerportal Mission Additive.

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* Sariana Kunze, Fachredakteurin Automatisierung, Vogel Communications Group

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