Leichtbau Autoteile aus recycelten Glasfasern

Von Juliana Pfeiffer |

Wie Bauteile aus nachhaltigen Materialien in der Automobil- und Flugzeugfertigung genutzt werden können, hat das DLR im Projekt Cosimo untersucht. Das Ergebnis: Ein Prototyp für Batteriegehäusedeckel für E-Autos aus Glasfaser-Vliesstoffen.

Anbieter zum Thema

Glasfaser-Vliestoffe sind im Vergleich zu herkömmlichen Materialien aus dem Faserverbundbereich, wie beispielsweise Gewebe und Gelege deutlich steifer.
Glasfaser-Vliestoffe sind im Vergleich zu herkömmlichen Materialien aus dem Faserverbundbereich, wie beispielsweise Gewebe und Gelege deutlich steifer.
(Bild: DLR)

Konventionelle Batteriegehäuse von Elektrofahrzeugen bestehen aus Stahl oder Aluminium und wiegen rund 300 Kilogramm. Werden die Bauteile im Vergleich aus faserverstärkten Kunststoffen (FKV) gefertigt lassen sich bis zu 40 Prozent Gewicht einsparen. So ermöglicht ein niedriges Gewicht von E-Autos den Einbau kleinerer und leichterer Batterien, bei gleicher Reichweite. Dies spart Kosten, reduziert Bauraum und verkürzt Ladezeiten. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersuchen Mitarbeiter, wie Bauteile aus nachhaltigen Materialien in der Automobil- und Flugzeugfertigung genutzt werden können. Dazu zählen recycelte Fasern aus der Textilindustrie oder wiederverwendbare Kunststoffe – wie im Projekt Cosimo (Composites for Sustainable Mobility).

Bildergalerie
Bildergalerie mit 6 Bildern

Ziel: Nachhaltiger und intelligenter Herstellungsprozess

In dem Projekt haben das DLR, die Universität Augsburg und ein Industriekonsortium von elf Unternehmen die Basistechnologien für geeignete Fertigungsprozesse entwickelt. „Ziel war es, einen nachhaltigen und gleichzeitig sensorbasierten und „intelligenten“ Herstellungsprozess mit neuartigen Leichtbaumaterialien zu entwickeln“, erklärt Jan Faber, Projektleiter am Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie am DLR. Hierzu sollte sowohl die technische Hardware zur Herstellung von Bauteildemonstratoren sowie die modellbasierte Infrastruktur für die Prozessabbildung in einem digitalen Zwilling geschaffen werden.

Ein Ansatz von Cosimo ist es, neue Kunststoffmaterialien im bewährten RTM-Prozess zu verarbeiten. Vor allem in der Automobilbranche wird das so genannte Resin Transfer Moulding (RTM) eingesetzt. Es ermöglicht hier eine hochautomatisierte Fertigung mit hohen Stückzahlen. Am DLR-Zentrum für Leichtbaupro­duktionstechnologie (ZLP) Augsburg verwendete das Projektteam dabei nun recycelte Glasfaser-Vliesstoffe. Hierfür wurde das Projekt in vier Themenbereiche untergliedert:

  • 1. Textile Halbzeuge
  • 2. Reaktives Harzsystem
  • 3. Intelligentes Werkzeug
  • 4. Demonstration

„Entlang dieser Bereiche musste zunächst Material- und Prozess-Know-How zusammengeführt und letztendlich neu erarbeitet werden“, sagt Faber. Dabei wurde die Herstellung und die Verarbeitung von Glasfaser-Vlies­stoffen betrachtet. Materialparameter der Vlies­stoffe, wie Permeabilität, und der reaktiven Kunststoffmatrix aus Caprolactam, wie thermisches Verhalten, Viskositätsverhalten, Polymerisationsverhalten, wurden ermittelt. Hierfür wurde zunächst das Prozessverhalten an einem einfachen Plattenwerkzeug demonstriert. „So konnten wichtige Erkenntnisse zu Materialmenge, Verhalten von Glasfaser und Caprolactam während der Polymerisation, aber auch die Datenverwertung des Sensornetzwerks untersucht werden“, erklärt Faber.

Glasfaser-Vliesstoffe sind deutlich steifer als herkömmliche Materialien

Entstanden sind experimentelle Batteriegehäusedeckel für E-Autos aus dem Endmaterial Polyamid 6. Dieser Kunststoff ist auch als Nylon bekannt. Epoxidharze werden im Leichtbau standardmäßig eingesetzt – Polyamid 6 hingegen ist recycelbar. „Glasfaser-Vliestoffe sind im Vergleich zu herkömmlichen Materialien aus dem Faserverbundbereich, wie beispielsweise Gewebe und Gelege deutlich steifer. Daher können sie sehr einfach in eine RTM-Form gelegt werden, ohne sich zu verscheren“, beschreibt Faber die Vorteile. Andererseits sind die Stoffe aufgrund der Wirrfaseranordnung sehr kompakt und lassen sich vergleichsweise schwer imprägnieren. „Die Wirrfaseranordnung sorgt auch dafür, dass der Faservolumengehalt des fertigen Bauteils bei ca. 20 – 20 Vol.% liegt. Dies ist deutlich geringer, als mit Kohlenstofffasern verstärkte Hochleistungskunststoffe, die einen Faservolumengehalt von über 60% aufweisen können“, sagt der Experte. Daraus ergibt sich, dass vliesstoffverstärkte Bauteile nicht so fest sind, wie CFK-Bauteile. Dies ist z.B. bei einem Batteriegehäusedeckel aber auch nicht nötig.

Bildergalerie
Bildergalerie mit 6 Bildern

Spalt-RTM-Prozess ermöglicht in etwa 4 Minuten ein fertiges Bauteil

Im Projekt Cosimo wurden daher die Bauteile mit dem Spalt-RTM-Prozess gefertigt, um dem sehr kompakten Verhalten der Vliesstoffe zu begegnen. Bei diesem Prozess wird die Kavität während der Injektion nicht vollständig geschlossen wird. In dem sich zwischen Faserhalbzeug und Werkzeugoberseite einstellenden Spalt, kann sich das flüssige Matrixsystem leicht ausbreiten. Nachdem das Material eingebracht ist, wird die Presse vollständig geschlossen und dadurch die Kavität auf das Sollmaß reduziert. Bei dieser Hubbewegung wird das Matrixsystem senkrecht in die Fasern gepresst.

Üblicherweise haben thermoplastische Kunststoffe im flüssigen Zustand eine deutlich höhere Viskosität als Epoxidharze. „Bei Nylon (PA6) haben wir uns jedoch zu Nutze machen können, dass die Ausgangsstoffe (Caprolactam + Additive) im unpolymerisierten Zustand sehr niedrigviskos sind. Entsprechend konnte das Matrixsystem aus Caprolactam + Additiven ähnlich den Epoxidharzen injiziert werden“, erklärt Faber.

Auch die Polymerisation lasse sich aus Prozesssicht mit dem Aushärten von Epoxidharzsystemen vergleichen. Dabei beginnt die Polymerisation mit dem Mischen von Caprolactam und Additiven. Nach etwa vier Minuten ist so ein festes, stabiles 1,10 Meter langes und 53 Zentimeter breites Bauteil entstanden. Dieses wurde isotherm bei 170 °C entformt. „Der entscheidende Unterschied des thermoplastischen Nylons zu Epoxidharzsystemen ist, dass es sich auch nach der Polymerisation durch Temperaturerhöhung erneut aufschmelzen bzw. verflüssigen lässt“, betont der Experte. Dadurch können Einzelkomponenten zu komplexeren Strukturen verschweißt werden.

Flächengewichte variieren innerhalb einer Vliesstoffmatte stark

Werden recycelte Fasern verarbeitet, können deren Materialeigenschaften stark schwanken. So können Flächengewichte innerhalb einer Vliesstoffmatte stark variieren. „Dies wiederum beeinflusst die Imprägnierung, den Faservolumengehalt im Bauteil und dadurch auch dessen Festigkeiten/Stabilität“, zählt Faber auf. Um darauf bei der Herstellung reagieren zu können, müssen Fertigungsprozesse flexibler und die Regelungsmöglichkeiten erhöht werden. Hier setzt das Projekt Cosimo mit dem Sensornetzwerk und der Prozessmodellierung an. „Es ist möglich, virtuell in das Werkzeug hineinzuschauen“, beschreibt Faber. Die Druck- und Temperatursensoren überwachen die Parameter und schaffen dadurch gleichbleibende Prozessbedingungen.

Verringert recycelter Glasfaser-Vliesstoff die Herstellungskosten?

Doch welchen Einfluss hat das recycelte Glasfaser-Vliesstoff auf die Kosten des Herstellungsprozesses und des späteren Batteriegehäusedeckels? „Eine Aussage zu den Kosten kann ich aus meiner Sicht nicht verlässlich tätigen. Anhand eines Gedankenspiels möchte ich jedoch verdeutlichen, welchen Kosteneinfluss es geben kann: pauschal könnten wir nun die Material- und Prozesskosten von Aluminiumgehäusedeckeln und Kunststoffgehäusedeckeln vergleichen. Dabei gehe ich davon aus (ohne exakte Werte zu kennen), dass Aluminiumdeckel derzeit günstiger sind“, gibt Faber zu Bedenken. Als weitere Faktoren kommen jedoch hinzu:

  • Zukünftig reduzierte Preise für rezyklierte Fasern, wenn diese ausreichend verfügbar sind
  • Geringerer bauteilbezogener CO2-Fußabdruck durch Wiederverwertung
  • Image-Gewinn für Automobilhersteller durch Verwendung recyklierter Materialien
  • Höhere Reichweite für Autos bei Einsatz leichterer Materialien – geringerer Spritverbrauch ergeben damit Vorteile für Autofahrer/Kunden

Bezogen auf die Herstellkosten verhalte es sich ähnlich, so der Experte. Automatisierte, sensorbasierte Fertigungsverfahren rentieren sich erst bei sehr hohen Stückzahlen. Gleichzeitig können diese Systeme jedoch die Verantwortung der Anlagenbediener zur Einstellung der Prozessparameter reduzieren. Intelligente Fertigungsprozesse reduzieren die Anforderungen an das Personal. Dahin wird sich die Produktion bei Bauteilen mit sehr hohen Stückzahlen weiterentwickeln. Personalkosten werden reduziert und die Flexibilität sowie die Produktreproduzierbarkeit (Gleichbleibende Qualität) erhöht. Dies könne für bestimmte Anwendungsfälle ein wirtschaftlicher Vorteil sein.

Weitere, aufbauende Projekte geplant

Das Projekt Cosimo ist nun abgeschlossen. Ein experimenteller Batteriegehäusedeckel für E-Autos ist das Ergebnis: Wie geht es nun weiter? „Aufbauend auf Cosimo sind derzeit Projekte in der Vorbereitung, in denen die angesprochene Prozessregelung weiterentwickelt und untersucht werden soll“, verrät Faber. Ob die untersuchte Technologie in der industriellen Produktion angewandt werde, sei derzeit allerdings noch offen. „Grundsätzlich werden jedoch die Themenfelder sensorbasierte Prozessführung, Prozessmodellierung und -simulation sowie Ressourcenschonung und recyclierbare Materialien vertieft“, sagt Faber abschließend.

(ID:48089235)