Antriebstechnik Antriebe für die Bühnentechnik im Ungarischen Nationaltheater

Autor / Redakteur: Brigitte Michel * / Stefanie Michel

Tradition und Moderne prägen das Bild des neuen Nationaltheaters in Ungarns Hauptstadt Budapest. Seine Bühnentechnik aufwändigen Antrieben lässt den Regisseuren alle Freiheiten, die zum Gelingen eines Gesamtwerkes beitragen. Den Grundstock dazu lieferte Bosch Rexroth mit einer ausgefeilten Drive & Control-Lösung.

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Wie ein gigantisches Schiff, das am Ufer der Donau seinen Anlegeplatz gefunden hat, präsentiert sich das neue ungarische Nationaltheater vor der Kulisse der Hauptstadt Budapest. Eine sanft geschwungene Brücke über einen künstlich angelegten Teich, in dem ein Nachbau der Fassade des alten Theaters malerisch platziert wurde, geleitet den Besucher zum lichtdurchfluteten Eingangsportal.

Leise Kettenantriebe bewegen die Einzelpodien

Das Bemerkenswerte an diesem beeindruckenden neuen Haus ist nicht allein seine architektonische Gestaltung, sondern auch seine Bühnentechnik, die komplett von Bosch Rexroth Ungarn geplant und gefertigt wurde. Eine Bühnentechnik die auch die gewagtesten Bühnenbildgestaltungen zulässt.

In die Spielfläche der 24 x 17,9 m großen Hauptbühne sind 72 Einzelpodien von je 1 x 2 m Größe integriert. Jedes dieser Podien wird von einem elektromechanischen Kettenantrieb bewegt, dem platzsparenden Omega-Antrieb. Dieser Biflex Zahnkettenantrieb läuft auch unter extremer Belastung und bei hoher Geschwindigkeit bemerkenswert leise – eine wesentliche Voraussetzung in der Theatertechnik.

Die Antriebseinheit besteht aus zwei ineinander montierten Rohren. Das innere wird von zwei Biflex-Ketten bewegt. Am oberen Ende ist die um 5° kippbare Plattform angebracht. Das äußere Rohr dient als Stütze und Führung. Dort sind auch Motor, Getriebe, Bremsen und das Wegemesssystem befestigt.

Lasten oder Personen lassen sich mit einer Geschwindigkeit von maximal 0,25 m/s nach oben oder unten verfahren. Der Hubweg beträgt im hinteren Teil der Bühne bis zu 4,9 m, an der vorderen Kante bis 1,2 m, bei einer maximalen Traglast von 500 kg.

Mit Hydraulik die Podien absenken

Im vorderen Teil der Bühne, dem Proszenium, befindet sich das Orchesterpodium. Es besteht aus 12 Einzelpodien. Der Bereich zwischen Hauptbühne und Orchesterpodium ist ebenfalls verfahrbar. Ein hydraulisch verstellbares C-Profil ermöglicht es, die gesamte Bühne mit dem Proszenium und den Orchesterpodien auf das Niveau der ersten Zuschauerreihe zu senken. So kann die Bühne optimal dem Theaterstück angepasst werden.

Ein besonderer szenischer Effekt lässt sich zudem mit den funkferngesteuerten Personenversenkungen erzielen, denn bei Bedarf können hiermit Akteure verschwinden oder aus dem Nichts auftauchen.

Elektrischer Antrieb in Drehscheibe der Bühne

Weil das Theater nicht auf eine Drehbühne verzichten wollte, entwickelte man einen selbstfahrenden Drehscheibenwagen, 12 x 12 m groß mit einem Gesamtgewicht von 20 t. Er besteht aus einem äußeren Ring von 11 m Durchmesser und einer inneren Scheibe von 8 m. In der Mitte ist eine 4 x 4 m große Öffnung durch die acht Bühnenpodien fahren können. Der Fahr- und Drehantrieb des Drehscheibenwagens ist elektrisch. Er kann sich maximal mit 1,0 m/s drehen und verfährt mit 0,1 m/s. Im Grundrahmen sind Batterien für den elektrischen Antrieb und Druckluftkompressoren für das Anheben und Absetzten der Fahrrollen montiert.

Die Antriebskraft übertragen horizontal angeordnete Reibräder. Somit bietet die Drehscheibe viele Möglichkeiten, das Bühnenbild schnell und geräuschlos zu verändern. Bei Bedarf werden Dekorationen auf dem Wagen aufgebaut und aus der Parkposition in der Hinterbühne nach vorne gefahren, mit Hilfe der Bühnenpodien eingesenkt und geschwenkt – und dem Zuschauer präsentiert sich schon wieder ein neues Bühnenbild.

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Elektromechanische Winden übernehmen die Arbeit in der Obermaschinerie

Wie es schon im Sprichwort heißt, dass alles Gute von oben kommt, so ist auch für die kreative Gestaltung einer Szene eine gut ausgestattete Obermaschinerie unumgänglich. Was zu früheren Zeiten im Seilboden der Bühne noch von Hand zu bedienen war, übernehmen hier 48 elektromechanische Punktzugwinden mit 300 kg Zugkraft und einer Antriebleistung von 5,5 kW sowie 33 ebenfalls elektromechanische Prospektzugwinden mit 400 kg Zugkraft und 7,5 kW Leistung. Beide Windentypen sind in separaten Maschinenräumen untergebracht und fahren mit einer maximalen Geschwindigkeit von 1,0 m/s.

Auch Kreativität braucht eine leitende Hand

Die komplizierte Bühnentechnik wird überwacht und geregelt vom Leittechniksystem SYB 2000. Die benutzerfreundliche Bühnensteuerung besteht aus vier fest eingebauten und einem mobilen Pult, von dem alle 180 Antriebe erreichbar und kontrollierbar sind. Die gesamte Steuerung ist mit einem Regierechner verbunden, in dem alle Bewegungen abgespeichert werden.

Zu den Besonderheiten der Bühnensteuerung gehört auch, dass die Informationen über den Gesamtzustand der Anlage nicht nur am zentralen Statusmonitor, sondern auch an jedem Bedienpult verfügbar sind.

Das Ungarische Nationaltheater zählt zu den modernsten Bühnen Europas und ist nur eines aus der erlauchten Reihe von Theatern und Opernhäusern, die Bosch Rexroth Spezialisten weltweit ausrüsteten. Besondere Berühmtheit erlangte unter anderem Venedigs La Fenice, das nach einem Brand wieder in neuem Glanz erstand.

* Dipl.-Ing. Brigitte Michel ist Redakteurin der konstruktionspraxis

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