Berechnung Analytik und FEM wachsen zusammen
Die erweiterte Systemberechnung von Maschinenelementen vermeidet Fehler und ermöglicht weitere Effizienzsteigerungen im Entwicklungsprozess.
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Die Berechnung von Maschinenelementen wie Wellen, Lager, Welle-Nabe-Verbindungen, Schrauben und Zahnrädern ist heutzutage in vielen Branchen etabliert und gewährleistet die Funktionstüchtigkeit der aus ihnen bestehenden Produkte. Zudem ist die Berechnung für deren Wettbewerbsfähigkeit sowie als Unterstützung der technischen Dokumentation und Qualitätssicherung ein Muss.
Berechnungssoftware für Maschinenelemente sind schon seit den frühen 1980er-Jahren verfügbar. Einer der Pioniere in diesem Bereich ist die TBK-Getriebeberechnungssoftware, die 2005 von der GWJ Technology GmbH übernommen und vor einigen Jahren komplett überarbeitet wurde. Neben dieser klassischen Desktop-Anwendung bietet GWJ bereits seit 2003 die Berechnungslösung Eassistant als Weblösung an. Beide Berechnungslösungen basieren heute auf der gleichen Entwicklungsplattform und sind hinsichtlich Bedienkomfort und Leistungsumfang etwa zu 99 % identisch.
Berechnung basierend auf aktuellen Normen
Die Berechnungen der einzelnen Arten von Maschinenelementen beruhen dabei nahezu ausschließlich auf international anerkannten Berechnungsmethoden nach Standards wie DIN, ISO, ANSI/AGMA oder nach VDI-Richtlinien. Es handelt sich vorwiegend um analytische Berechnungen, die schnell Ergebnisse liefern. Da die zuverlässige Auslegung und Optimierung von Getrieben in ihrer Gesamtheit hohe Anforderungen an Konstrukteure und Berechnungsingenieure stellt, wuchs in den letzten Jahren die Nachfrage von Berechnungslösungen für einzelne Maschinenelemente hin zur Berechnung kompletter Systeme. Insbesondere mehrstufige Getriebe mit Leistungsverzweigungen bilden mit der Vielzahl an Wellen, Lagern und Zahnrädern ein komplexes System (Bild 1).
Systemberechnung reduziert Fehler
Der Berechnungsaufwand für alle Einzelkomponenten beispielsweise eines Getriebes ist relativ hoch und erfordert ein strukturiertes Vorgehen bei der Berechnung, um Fehler zu vermeiden. Sollen zusätzlich auch noch verschiedene Lastfälle oder auch ein Lastkollektiv betrachtet werden, so steigt der Berechnungsaufwand noch einmal extrem an. Somit bietet sich eine Systemberechnung an, um zum einen Fehler zu vermeiden bzw. zu reduzieren und zum anderen, um eine weitere Effizienzsteigerung im Entwicklungsprozess zu ermöglichen. Aufgrund der verschiedenen Einsatzgebiete und der damit verbundenen stark unterschiedlichen Nutzungsweise einer solchen Berechnungslösung, spielt eine intuitive und benutzerfreundliche Oberfläche eine entscheidende Rolle für deren Akzeptanz. Weiterhin muss eine Systemberechnung auch den Anforderungen einer schnellen und einfachen Vorprojektierung genügen und gleichzeitig eine detaillierte Berechnung bis hin zur Optimierung ermöglichen.
Systeme auf Knopfdruck durchrechnen
Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, hat GWJ 2012 die Systemberechnungsumgebung „Systemmanager“ als Erweiterungsaufsatz zum Eassistant und TBK auf den Markt gebracht. Mit dem Systemmanager können komplette Systeme von Maschinenelementen schnell und einfach aufgebaut werden. Die einzelnen Systemelemente, wie z.B. Wellen oder Zahnräder, sind mit den jeweiligen E-Assistant/TBK-Berechnungsmodulen verknüpft. Dabei handelt es sich jedoch nicht einfach nur um eine Berechnungsumgebung zur Verwaltung und Verknüpfung der Einzelelemente, sondern um eine echte Systemberechnung, d.h., es handelt sich um eine gekoppelte FE-Berechnung von Mehrwellensystemen mit Verzahnungen als nichtlineare Kopplungselemente. Mit dem Systemmanager als Desktop-Applikation lassen sich ganze Systeme aufbauen und auf Knopfdruck durchrechnen. Die Anwendung reicht von einfachen bis zu komplexen Systemen, wie mehrstufige Getriebe, Schaltgetriebe oder beliebige Formen von Umlaufgetrieben etc. (Bild 2).
Berechnung von Mehrwellensystemen
Dass es sich bei dem Systemmanager um ein FE-Mehrwellensystem handelt, fällt bedienungstechnisch auf den ersten Blick nicht auf. Es macht sich aber bereits bei Fragestellungen, wie der fliegenden Lagerung von Sonnenritzeln in einem Planetengetriebe bemerkbar. Sind mindestens drei Planeten für eine ausreichende Abstützung der Sonne vorhanden, so kann das System ohne eine zusätzliche Randbedingung durchrechnen. Dies wäre sonst nicht möglich (Bild 3). Die Wellen werden im System als schubelastische Balkenelemente abgebildet. Dies bietet den Vorteil kurzer Rechenzeiten und Randbedingungen können auf einfache Weise berücksichtigt werden. So erhält man Durchbiegungen, Kraft- und Momentenverläufe, Wellenfestigkeiten, Lagerbelastungen und -lebensdauern sowie Sicherheiten für Verzahnungen in wenigen Sekunden auf Knopfdruck.
Verzahnungsoptimierung mittels Modifikationen
Die Berechnung mit Lastkollektiven wird ebenfalls ermöglicht. Diese können manuell vorgegeben oder importiert werden. Ein Export von Belastungskollektiven ist auch möglich. Weiterhin kann ein Lastkollektiv, statt zur Lastkollektivberechnung, zur Verwaltung verschiedener Lastfälle verwendet werden. Darüber hinaus wird die Berechnung von Eigenfrequenzen des Gesamtsystems unterstützt. Neben verschiedenen Randbedingungen und allgemeinen Lagerstellen können Wälzlager direkt aus der integrierten Datenbank ausgewählt und auf die Wellen gesetzt werden. Dabei können diese auch als Verbindungslager zwischen koaxialen oder konzentrischen Wellen zum Einsatz kommen. Zusätzlich wird automatisch die nichtlineare Wälzlagersteifigkeit berücksichtigt. Gleitlager sind ebenfalls, inklusive der Berechnung radialer Steifigkeit, verfügbar.
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Getriebeauslegung
Wie hochreine Stähle bei der Optimierung von Getrieben unterstützen
Gehäusesteifigkeiten einfach Steifigkeitsmatrizen berücksichtigen
Weiterhin können Gehäusesteifigkeiten einfach als Steifigkeitsmatrizen berücksichtigt werden, welche die Lagersteifigkeiten miteinander koppeln. Damit können die Verformungen und Steifigkeiten aller Wellen, Lager und des Gehäuses sowie deren Rückwirkung auf die einzelnen Zahneingriffe erfasst und bei der Optimierung der Verzahnung hinsichtlich der Lastverteilung über die Zahnbreite und somit bezüglich notwendiger Flankenmodifikationen berücksichtigt werden.
Praxisbeispiel: optimierte Flankenmodifikation
So konnte beispielsweise bei einem Projekt die Flankenmodifikation eines fliegend gelagerten Ritzels optimiert und damit eine ausreichende Lebensdauer der Verzahnung erzielt werden. Ausgehend von einer unmodifizierten Verzahnung ergab sich für das größte Ritzeldrehmoment von 22 kNm eine maximale Linienlast von 5300 N/mm. Vor der Optimierungsberechnung mittels Systemmanager wurde das Ritzel mit einer auf Erfahrung basierenden Endrücknahme ausgeführt. Daraus resultierte bei der Nachrechnung eine Linienlast von 4700 N/mm. Damit konnte jedoch noch nicht die gewünschte Lebensdauer des Ritzels erzielt werden. Mit Hilfe des Systemmanagers wurde eine optimierte asymmetrische Breitenballigkeit ausgelegt. Mittels dieser konnte die maximale Linienlast auf einen Wert von 2500 N/mm reduziert und somit eine ausreichende Lebensdauer erreicht werden.
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Rückblick 1. Anwendertreff Industriegetriebe
Mit dem richtigen Getriebe zum effizienten Antriebsstrang
Parametervariation ermöglicht Optimierungen
Durch die Berücksichtigung der im System vorhandenen verschiedenen Verformungen und Steifigkeiten werden auch möglich auftretende Zweiflankenkontakte erkannt. Diese können dann durch Veränderung des Flankenspiels oder durch entsprechende Flankenlinien-Modifikationen eliminiert werden. Der Systemmanager verfügt zusätzlich über eine integrierte Parametervariation, die verschiedenste Untersuchungen erlaubt, angefangen bei einer einfachen Variation einer angreifenden Kraft (Position und Größe) über Drehmomentänderungen oder Lagerspielschwankungen bis hin zur Variation von Flankenmodifikationen.
Die Berechnungsgeschwindigkeiten sind trotz der umfangreichen Möglichkeiten immer noch sehr schnell. So dauert etwa die Berechnung eines Lastfalles für ein komplexes Getriebe mit 28 Zahnradpaarungen, 30 Wellen (4 Antriebs- und 4 Abtriebswellen) und 70 Lagern (inkl. der Wälzkörper-Lastverteilungsberechnung) gerade einmal ca. 10 Sekunden.
Systemberechnung mit 3D-elastischen Bauteilen
Für die Berücksichtigung von Gehäusesteifigkeiten mussten bisher die entsprechenden Steifigkeitsmatrizen in separaten FE-Berechnungen bestimmt und konnten dann anschließend in den Systemmanager importiert werden. Da dies zum einen eine FEM-Software sowie einen zusätzlichen Aufwand erfordert und zum anderen einige Anwender nicht im Umgang mit FEM-Software geübt sind, wurde bereits 2016 eine entsprechende Funktionalität in den Systemmanager integriert. 3D-Gehäuse können im 3D-Step-Format direkt in den Systemmanager importiert werden, wobei die Software die Bauteile automatisch vernetzt und die reduzierten Steifigkeitsmatrizen generiert (Bild 4). Diese Möglichkeit nennt sich 3D-elastische Bauteile, die analog zu FEM-Bauteilberechnungen im System integriert ist. Damit ist die Berücksichtigung von Steifigkeiten und Verformungen komplexer nicht rotationssymmetrischer Geometrien in Kombination mit den anderen Komponenten direkt in einem System möglich.
Eigenfrequenzen bei 3D-elastischen Gehäusen
Die 3D-elastischen Gehäuse können jedoch nicht nur in einer statischen Berechnung berücksichtigt werden, sondern über eine modale Reduktion auch in der Berechnung von Eigenfrequenzen. Der Einfluss von elastischen Gehäusen auf die Eigenfrequenzen ist dabei deutlich größer als auf die statischen Deformationen. Beispielsweise ergibt sich für einen L-förmigen Spindelprüfstand ohne die hintere Stütze der Spindel und ohne Gehäusesteifigkeiten eine erste axiale Eigenfrequenz von knapp 22.000 min-1. Mit Steifigkeitseinfluss des Gehäuses ist die erste Eigenfrequenz eine Biegeeigenfrequenz von knapp 15.200 min-1, was bei einer vorgesehenen Betriebsdrehzahl von 15.000 min-1 zu Problemen führen würde. Mit der hinteren Stütze steigen die Biegeeigenfrequenzen auf 25.000 min-1, die erste axiale Eigenfrequenz reduziert sich auf 19.600 min-1. Das importierte CAD-Modell war das bestehende CAD-Modell für die Fertigung. Dies ist mit den diversen Bohrungen nicht optimal, kann aber dennoch verwendet werden. Eliminiert man die Bohrungen im CAD-Modell würde sich der Speicherbedarf und die initiale Rechenzeit für die Berechnung entsprechend reduzieren.
Auch für Planetenträger geeignet
Neben Gehäusen können auch Planetenträger als 3D-elastische Bauteile verwendet werden. Im Unterschied zu Gehäusen rotieren Planetenträger im System und daher muss die Berechnung mit den entstehenden großen Rotationen umgehen können. Die elastischen Deformationen des Planetenträgers haben Einfluss auf die Lastverteilung der Verzahnungen und sind daher wichtig für die Auslegung von Verzahnungsmodifikationen. Außerdem beeinflusst die Verkippung der Planeten auch die Lagerbelastungen sowie die globale Verdrehsteifigkeit (Bild 5).
3D-elastische Berechnung von Radkörpern
In der 2018er Version des Systemmanagers wurde die Funktionalität der 3D-elastischen Bauteile weiter in Richtung Radkörpern von Stirnrädern ausgebaut (Bild 6). Mittels 3D-elastischer Radkörper kann die Radkörpersteifigkeit insbesondere für die Auslegung von Flankenmodifikationen noch besser integriert werden. Die 3D-Geometrien können entweder über Polygonzüge definiert oder via 3D-Step/Iges direkt importiert werden. Dabei ist es auch möglich, Kräfte und Lager direkt auf 3D-elastischen Bauteilen zu definieren. Die Integration von 3D-elastischen Bauteilen in den Eassistant/TBK-Systemmanager erlaubt eine Berücksichtigung von zusätzlichen Steifigkeiten, ohne dass externe FE-Programme benötigt werden. Somit entfällt eine zeitaufwändige und fehleranfällige Übernahme von Steifigkeitsmatrizen.
Berechnen im Sekundenbereich
Eine vollständige Berechnung in FEM-Software bietet zwar mehr Freiheiten bezüglich der Wahl von Randbedingungen und erlaubt nichtlineare Berechnungen mit Kontakt. Der Systemmanager als Systemberechnung auf Basis von eindimensionalen Elementen bietet aber den wesentlichen Vorteil von schnellen Rechenzeiten im Sekundenbereich. Dies macht umfangreiche Lastkollektivberechnungen und Parametervariationen erst möglich. Mit der Integration von 3D-elastischen Bauteilen bleiben diese Vorteile erhalten.
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* Dipl.-Ing. Gunther Weser, Geschäftsführer GWJ Technology GmbH, Braunschweig
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