Elektromobilität Additive Drives: „Wir denken den Elektromotor neu“

Autor Thomas Günnel |

Das in Dresden ansässige Unternehmen Additive Drives hat ein Herstellverfahren entwickelt, das den E-Maschinen zu deutlich besseren Leistungs- und Wirkungsgraden verhilft. Geschäftsführer Jakob Jung erläutert die Hintergründe.

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Jakob Jung ist Geschäftsführer von Additive Drives.
Jakob Jung ist Geschäftsführer von Additive Drives.
(Bild: Additive Drives)

Herr Jung, seit diesem Monat ist Ihr Unternehmen „Additive Drives“ auf dem Markt. Sie fertigen Elektromotoren in Teilen additiv und versprechen eine deutlich bessere Performance der Maschinen. Wie geht das?

Die Aussage bezieht sich auf eine klassische Runddrahtwicklung, die wir im Rahmen einer Studie mit unseren additiv gefertigten Spulen verglichen haben. Die maximale Abgabeleistung eines Elektromotors ist infolge seiner Erwärmung limitiert, zum Beispiel durch die zulässige Wicklungstemperatur. Um die Leistungsgrenze zu erhöhen, gibt es zwei Hebel: erstens die Verluste bei gleicher Leistung mindern, zweitens die Wärmeabfuhr verbessern. Hier spielt das Design der Wicklung eine große Rolle, denn sie ist die Hauptwärmequelle. Klassische Runddrahtwicklungen unterliegen einer Reihe Restriktionen: Kupferleiter, Wickelverfahren und Nutgeometrie müssen zueinander passen. Die übereinander gewickelten Leiter bilden ein fest definiertes Schema. Zudem passt der Runddraht – die klassische Leiterform – geometrisch nicht gut zur trapezförmigen Nut. Die Folge ist, dass jede Nut maximal zur Hälfte mit Kupfer befüllt ist, es entstehen Hohlräume. Der relativ kleine Leiterquerschnitt sorgt für große Stromwärmeverluste.

Mit unserem Verfahren sind wir diesbezüglich völlig frei: wir können festlegen, wie der Leiter aussieht und ihn perfekt an jede Nutform anpassen. Wir können jede Windung so darstellen, dass wir die Nut ausfüllen, der Kupferanteil in der Nut also größer ist. Physikalisch bedeutet das einen maximalen Querschnitt der Windung und einen kleineren elektrischen Widerstand. Die variable Form begünstigt zudem die Wärmeableitung, weil jeder Draht thermischen Kontakt mit dem sogenannten Blechpaket der Spule hat, es entstehen keine Hotspots. Insgesamt lässt sich die Abgabeleistung des Motors so um bis zu 45 Prozent steigern.

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Wie verringern oder vermeiden Sie im Prozess die Laser-Reflexionen des Kupfers und das Ableiten der eingebrachten Wärmeenergie?

Die Details kann ich Ihnen nicht verraten. Aber um es einzugrenzen: Wir haben einen großen Schritt beim Prozess der Kupferverarbeitung gemacht. Das heißt, wir haben mit diversen Kupfermaterialien und absorptionsfördernden Materialien experimentiert. Heute arbeiten wir mit hochreinem Material in einem Pulverbett. Zur Fertigung nutzen wir eine modifizierte Laserschmelzanlage eines etablierten Herstellers.

Welche Vorteile hat das Verfahren in der Entwicklung?

Das Entwickeln elektrischer Antriebe benötigt viel Zeit, wir sprechen hier durchaus von bis zu drei Jahren. Während dieser Zeitspanne können sich neue Anforderungen ergeben: zum Beispiel eine andere Versorgungsspannung, Bauraumänderungen. Vieles davon lässt sich zwar in 3-D simulieren, aber es dauert, das in Hardware abzubilden. Vor allem die Wickelwerkzeuge sind oft der sprichwörtliche Flaschenhals – den wir mit unserer nahezu werkzeugfreien Fertigung vermeiden. Der Zeitgewinn rechnet sich besonders bei der sogenannten Hairpin-Wicklung, da die konventionelle Herstellung komplexe Biege- und Schweißprozesse involviert. Die Wartezeit auf eine neue Wicklung beträgt schon mal sechs Monate und mehr. Wir verkürzen den Zeitraum auf wenige Wochen. Das beschleunigt die Entwicklung.

Für welche Anwendungsgebiete eignet sich Ihr Verfahren?

Derzeit bieten wir die Fertigung von Prototypen an. Kleinserien versprechen wir uns bei E-Motoren mit besonderen Anforderungen an Leistungs- und Drehmomentdichte. Verbunden mit Fortschritten im 3-D-Druck-Prozess wollen wir langfristig in größere Serien wachsen.

Das Verfahren ist also schon so ausgereift, dass Sie Elektromotoren in kleiner Serie fertigen können?

Bei Motoren im einstelligen Kilowatt-Bereich können wir Kleinserien bis 500 Stück wirtschaftlich darstellen, infolge der eingesparten Wickelwerkzeuge. Hier kommt uns die geringe Motorgröße und die entsprechend kleine Kupfermenge entgegen. Weiteres Kriterium ist das Design: Will der Kunde einen Motor mit üblicher Wicklung? Oder gelingt es uns, die Features der additiven Fertigung zu platzieren, etwa geringerer Strangwiderstand, weniger Verluste, kürzerer Wickelkopf. Das alles erhöht den Wert des Motors und hilft uns, größere Stückzahlen wirtschaftlich abzubilden.

Welche Leistungsgrößen von Elektromotoren lassen sich mit dem Verfahren darstellen?

Die derzeitige Grenze sehen wir bei circa einem Megawatt. Wir fokussieren aber eher Leistungsbereiche in der Größenordnung 100 kW, wie sie typisch für Traktionsmotoren im Automobil sind. Im Leistungsbereich darunter geht es um E-Antriebe im hybriden Antriebsstrang, Hilfsaggregate und Servoantriebe.

Gibt es Automobilhersteller oder -zulieferer, die mit Ihnen bei diesem Verfahren zusammenarbeiten oder dies beabsichtigen? Können Sie Beispiele nennen?

Wir sind mit Automobilherstellern, Tier-1 und Tier-2-Lieferanten im Gespräch. Generell sind Hersteller von Elektromotoren interessant, die ein breites Produktspektrum abdecken und regelmäßig Neuentwicklungen zu stemmen haben.

Das Verfahren bedeutet für Sie auch den Start eines neuen Unternehmens: Additive Drives. Wie groß ist das Unternehmen und welche Ziele verfolgen Sie?

Wir haben am 1. Juli unser Unternehmen offiziell gegründet. Aktuell sind wir zu viert, unterstützt von sechs studentischen Mitarbeitern. Im kommenden Jahr wollen wir bereits zweistellig sein und uns in der Folge als solider Mittelständler etablieren. Das Wachstum brauchen wir auch deshalb, um auch künftig kräftig in Entwicklung investieren zu können.

Über Jakob Jung

Jakob Jung, 36, ist promovierter Elektroingenieur. Seine berufliche Laufbahn begann Herr Jung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU-Dresden, wo er im Rahmen seiner Dissertation ein E-Bike-Antriebssystem mitentwickelte. Anschließend war er als Entwicklungsingenieur beim Entwicklungsdienstleister IAV im Bereich Powertrain Systems Development tätig. Hier entwickelte und optimierte er elektrische Maschinen für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Seit Juli ist Jakob Jung Geschäftsführer der Additive Drives mit Sitz in Dresden.

Wie geht es weiter?

Der Elektromotor wirkt von Außen betrachtet einfach konstruiert. Im Innern jedoch prallen mehrere physikalische Domänen aufeinander: Elektromagnetik, Thermik und Strukturmechanik. Diese müssen auf engstem Raum vereint werden – und das können wir elegant darstellen. Das bedeutet, dass wir etablierte Verfahren mit unseren Methoden ergänzen. Stichwort: Umdenken.

Die Wicklung ist zudem nur ein Teil des Motors. Es hilft dem Anwender nicht, wenn er die Wicklung schnell bekommen kann, auf den Rest aber lange warten muss. Im Fokus sind außerdem wicklungsnahe Komponenten, wie zum Beispiel die Primär- und Sekundärisolierung. Weiterhin untersuchen wir forcierte Kühlungen mittels komplexer Strukturen. Die Wärmeableitung ist der begrenzende Faktor eines Elektromotors. Wir sind überzeugt, hier noch einige Entwicklungsschritte beitragen zu können.

Das Interview führte Thomas Günnel, Redakteur bei Automobil Industrie.

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