Linearmotor Wie Lineartechnik in der Verpackungsindustrie auf die Tube drückt

Von Dipl.-Ing. Franz Joachim Roßmann*

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Linearmotoren eignen sie sich besonders für den Einsatz im Pharma-Reinraum. Für den Primärverpackungshersteller Neopac sind sie aus verschiedenen Gründen unverzichtbar.

Neopac The Tube hat 200 verschiedene Tubenvarianten im Standardprogramm.
Neopac The Tube hat 200 verschiedene Tubenvarianten im Standardprogramm.
(Bild: Neopac)

Wenige Kilometer von der Schweizer Hauptstadt Bern entfernt ist ein Hidden Champion der Primärverpackungsindustrie beheimatet: Neopac The Tube. Fast jeder Verbraucher in Europa ist schon einmal mit Tuben aus Oberdiessbach in Berührung gekommen, ohne sich darüber im Klaren zu sein. Denn zum Kundenkreis des Verpackungsspezialisten gehören viele Unternehmen aus der Pharma-, Kosmetik- und Dentalbranche. Für Pharma-Anwendungen bietet Neopac Polyfoil-Tuben mit unterschiedlichen Durchmessern an. Dafür wurden Reinräume und Tubenproduktionsanlagen aufgebaut.

„Die Anlagen müssen wegen der großen Variantenvielfalt, die wir unseren Kunden bieten, äußerst flexibel sein“, erklärt Petar Djurdjevic, Projektleiter bei Neopac. „Hier sind kurze Umrüstzeiten wichtig, zumal der Anteil an Aufträgen mit kleinen Stückzahlen von einigen Tausend Tuben zunimmt.“ Eine komplette Produktumstellung, die auch den Tubendurchmesser mit einschließt, darf nicht länger als drei Stunden dauern, so hat es Neopac dem Anlagenhersteller ins Lastenheft der Anlage geschrieben. Gleichzeitig muss die Anlage in der Lage sein, Chargen mit mehreren Millionen Tuben in einigen Tagen zu bewältigen. Ohne den Einsatz leistungsfähiger Linearmotoren in der Verschließmaschine wären diese Zielvorgaben nicht zu erreichen.

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Die Polyfoil-Tube: Empfindliches gut verpackt

Die bereits 1965 erfundene und ständig weiterentwickelte Polyfoil-Tube des Schweizer Primärverpackungshersteller Hoffmann Neopac AG ist bis heute eine der bevorzugten Lösungen, wenn es um die Verpackung empfindlicher Produkte geht. Wie schon der Name nahelegt, ist für diesen Tuben-Typ ein mehrschichtiger Aufbau charakteristisch, wobei eine der inneren Lagen aus Aluminium besteht. Diese wirkt als integrierte Barriereschicht und verhindert ein Diffundieren von Sauerstoff aus der Umgebungsluft in das originalverschlossene Produkt. Dadurch werden die empfindlichen Inhaltsstoffe geschützt und die Haltbarkeit der Produkte verbessert.

Nach dem Einstieg in das Tubengeschäft hat Neopac die Produktionsmöglichkeiten und Kapazitäten laufend ausgebaut und ein umfassendes Tuben- und Verschlusssortiment geschaffen. Es schließt Polyfoil-Tuben mit Durchmessern von 10 bis 50 mm ein. Neopac hat zudem ein Standardprogramm unterschiedlichster Kopf- und Verschlussausführungen entwickelt. Dazu gehören Köpfe in Form von Kanülen mit Schraubverschluss, Verschlüsse mit Kindersicherung oder mit Erstöffnungssiegel. In der Folge kann der Anwender aus insgesamt 200 verschiedenen Varianten wählen. Daneben bietet Neopac auch kundenspezifische Lösungen an. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Tuben von den Schweizern bedrucken zu lassen, so dass Anwender die Verpackungslösung ganz auf ihre individuellen Anforderungen abstimmen können.

Bis eine Tube den Reinraum verlassen kann, muss sie zahlreiche Produktions- und Prüfschritte durchlaufen. Dabei wird zuerst Laminatfolie zu einem zylindrischen Endlosröhrchen verschweißt und in einem Extrussionsprozess mit Polyethylen oder Polypropylen ummantelt. Anschließend wird das Endlosröhrchen auf Länge geschnitten, ein Kopf drauf gespritzt und anschließend der Tubenrumpf bedruckt. Auf einer weiteren Station wird der Tubenanguss abgeschnitten und Verschluss aufgeschraubt oder aufgeprellt. Eine Verpackungsmaschine übernimmt das Finishing der Tuben. Bevor die Tuben Produktionsraum verlassen werden sie noch einmal manuell geprüft.

Finishing von 300 Tuben pro Minute

Mit einer Grundfläche von etwa 3 m x 3 m bietet die bei Neopac verbaute modulare Verschließmaschine Raum für bis zu sechs unterschiedliche, um ein rotierendes Karussell angeordnete Bearbeitungsstationen. Die über Kettenstifte zur Verschließmaschine transportierten Tuben laufen in eine Vakuumtrommel ein. Von dort setzt sie eine angeschlossene Übergabestation auf drehbare Vakuum-Dorne an der Kreisaußenlinie des Karussells. Diese Dorne übernehmen dann den Transport durch die Maschine und versetzen die Tube bei Bedarf in Rotation. In der ersten Bearbeitungsstation wird der Anguss abgeschnitten und die Tube dann in weiteren Stationen in Dreh- oder Aufprellprozessen mit dem Verschluss versehen und zum Schluss zum Ausschleusen von den Vakuum-Dornen in einer Entladestation abgestreift. Der ganze Prozess ist mit zahlreichen Sensoren und industriellen Smart-Kameras überwacht.

Dabei werden jeweils drei Tuben gleichzeitig mit einer Zykluszeit von 0,6 s unter Zuhilfenahme von Linmot-Linearmotoren umgesetzt bzw. in den Stationen bearbeitet. Das entspricht dem maximalen Ausstoß der Verschließmaschine von 300 Tuben pro Minute.

Bewegungen frei programmieren

Insgesamt 13 Linmot-Linearmotoren mit einem Stator vom Typ PS01-48x240F-C verrichten in den Stationen der RHM der neuesten Maschinengeneration Positionier- und Auf­prellaufgaben. Der Stator ist dank einer speziellen Motorwicklung in der Lage, bei einer Nennkraft von 240 N eine Maximalkraft von bis zu 572 N zu entwickeln. Der maximale Hub beträgt 1830 mm, bei maximalen Verfahrgeschwindigkeiten von 2,9 m/s. Entsprechend dynamische, kraftvolle und schnelle Bewegungen lassen sich mit diesen Linmot-Motoren realisieren.

Die Ansteuerung der Achsen übernehmen Regler aus der Serie C1150, die mit der Maschinensteuerung über Profinet kommunizieren. „Zu den größten Vorteilen der Linearmotoren gehört aus unserer Sicht, dass sich Bewegungs- und Kraftverläufe frei programmieren und überwachen lassen“, urteilt Petar Djurdjevic.

Für die Produktion von Tuben im Reinraum zudem ganz entscheidend: Anders als bei Kugelspindelantrieben oder einer Kombination aus Servomotoren und Zahnriemen fällt bei den Linearmotoren so gut wie kein Abrieb an. Die Linmot-Linearmotoren und die unterstützenden Linearführungen sind auch ohne Einhausung FDA-konform und zudem wartungsarm. „Wir reinigen und kontrollieren die Motoren und Führungen alle vier Wochen“, fügt Petar Djurdjevic an. „Da gibt es so gut wie nie etwas nachzuschmieren.“

Ein weiterer Pluspunkt für Betreiber von Anlagen wie Neopac ist die hohe Verfügbarkeit der Direktantriebstechnik aus der Schweiz. „Seit der Inbetriebnahme der ersten Reinraumanlage von Polytype 2003, in der auch schon Linearmotoren von Linmot verbaut wurden, haben wir keine nennenswerten Ausfälle oder Probleme mit den Linmot-Produkten erleben müssen. Wir sind rundum zufrieden“, fasst seine langjährigen Erfahrungen im Umgang und Einsatz mit der Linearmotortechnik zusammen. (ud)

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* Dipl.-Ing. Franz Joachim Roßmann ist Technikjournalist in Gauting bei München.

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