Kabel Wie Kabel ihre elektrotechnischen und mechanischen Anforderungen erfüllen

Autor / Redakteur: Harald Tebbe* / Ute Drescher

Konstruieren in der Praxis – Teil 8: ElektrotechnikKabel sollen Daten, Energie oder beides übertragen. Für die dauerhafte fehlerfreie Funktion des Gesamtsystems sind allerdings die mechanischen, chemischen und physikalischen Aspekte von immenser Bedeutung. Sowohl die elektrotechnischen als auch die mechanischen Anforderungen muss der Konstrukteur im Auge behalten.

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Konstruieren in der Praxis – Teil 8: Elektrotechnik

In der Praxis muss sich der Konstrukteur neben den elektrotechnischen Anforderungen an Kabel auch mit der mechanischen Beanspruchung auseinander setzen. Weitere Beanspruchungen durch den Betrieb sowie die Einsatz- und Umgebungsbedingungen kommen hinzu. Nicht zuletzt müssen - vor allem bei Maschinen und Anlagen - die verschiedenen Aspekte der Verlegung beachtet werden.

So werden für bewegliche Geräte fein- oder feinstdrähtige Adern verwendet; in Umgebungen mit Personenansammlungen beziehungsweise in brandgefährdeten Räumen halogenfreie, schwer entflammbare Isolationen gefordert; oberirdisch im Außenbereich zugfeste Kabel mit UV-beständigem Mantel benötigt; bei Kohlenwasserstoff-Einfluss ölfeste Werkstoffe eingesetzt; für hohe Temperaturen Gummi, Silikongummi und PTFE angeboten; bei hohen elektrischen oder magnetischen Störeinflüssen oder Störempfindlichkeit verdrillte Adernpaare sowie einfache oder doppelte Abschirmung vorgesehen.

Die führenden Kabelhersteller stellen Produkt- und Bestelldaten für die gängigen eCAD-Systeme - u.a. Aucotec, EPLAN oder WSCAD - zur Verfügung. Bedingt durch die vielen Bauformen bei den Anschluß- und Steuerleitungen sowie bei der Daten- und Signalübertragung beschränken sich diese Systeme allerdings auf ein handhabbares, begrenztes Maß von Parametern.

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass allein die Kabel und Leitungen aus den Katalogen der namhaften Hersteller ca. 50 unterscheidende und anwendungsrelevante Merkmale aufweisen, dann wird deutlich, dass die bereitgestellten eCAD-Datensätze keinen Ersatz für ein detailliertes Datenblatt oder sogar die individuelle Beratung sein können.

Das richtige Kabel finden - das geht auch web-basiert

So mancher Elektro-Konstrukteur wird sich schon einmal gefragt haben, wie die elektrische Abschirmung einer neu zu verwendenden Leitung ausschaut und welche Klemmen er bereit stellen muss, um die Schirme aufzulegen. Hier kann ein kompetenter Kabellieferant unterstützen, der die Möglichkeiten und das Verhalten seiner Kabel in den unterschiedlichen Anwendungsfällen kennt und bei der Auswahl des optimalen Produktes unterstützt. Wer das Ganze erst einmal selbst in die Hand nehmen möchte, dem stehen heute aber auch web–basierte Auswahlhilfen zur Verfügung. Entsprechende Links findet man auf den Homepages der Kabelhersteller. Integriert in einen elektronischen Katalog - abgestimmt auf in Kapitel gegliederte Anwendungen - bieten Kabelfinder individuelle Menus und Auswahlparameter. Eine artikelgenaue Ergebnisliste beinhaltet weiterführende Links zu Datenblättern und Katalogseiten. Unzulässige Kombinationen werden hierbei automatisch ausgeblendet. Zusätzlich gibt es Hinweise und Verknüpfungen zu Hilfen, wie Kabel-Kennzeichnungssoftware für bedruckbare Etiketten.

Kabel für bewegliche Maschinenteile dürfen nicht zu stark beansprucht werden

Bei der Konzeption beweglicher Geräte oder Maschinenteile muss bezüglich der Kabelauswahl und der Konstruktion darauf geachtet werden, dass keine Überbeanspruchung des Kabels durch zu hohe Zugbelastung, zu enge Biegeradien oder zu häufige Biegezyklen eintritt. Um die mechanische Belastungen der Anschlüsse zu minimieren, sind konstruktive Maßnahmen zur Zugentlastung ratsam. Bei Verwendung von Kabelverschraubungen oder Steckern ist dies - vorausgesetzt Kabel und Stecker sind aufeinander abgestimmt - in der Regel sichergestellt; Staub und Flüssigkeiten können nicht eindringen.

Ein direktes An- oder Umspritzen des Kabels an das Gehäuse oder an Gehäuseteile ist ebenfalls möglich. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf die Rundheit und die Maßhaltigkeit des Kabels zu legen. Nur so ist die erforderliche maßliche Abstimmung im Kunststoffspritzwerkzeug möglich, um einerseits ein Quetschen des Kabels und andererseits den Austritt von Kunststoffspritzgussmasse auszuschließen. Der Kunststoff des Gehäuses oder der Gehäuseteile und das Mantelmaterial des Kabels sollten dabei so aufeinander abgestimmt werden, dass sich das kabelumschließende Kunststoffmaterial bestmöglich mit dem Kabelmantel verbindet. Dies ist für eine zuverlässige Abdichtung und solide Zugentlastung unabdingbar. Sollte dies nicht möglich sein, sind gegebenenfalls zusätzlich Maßnahmen wie das Aufbringen eines Haftvermittlers erforderlich.

Zugentlastung und Abdichtung von Kabeln lassen sich natürlich auch ganz klassisch mittels kontrolliert und gleichmäßig komprimierter Elastomere beziehungsweise Gummidichtungen realisieren. Kleben und Schweißen als mechanische Fixierung und als Abdichtung können dabei ebenfalls eine Alternative darstellen. Als Dichtungsmaterial werden zunehmend auch gelförmige Substanzen eingesetzt, deren adhesive Eigenschaften und stabiles Langzeitverhalten einen zuverlässigen Schutz vor Eindringen von Staub und Flüssigkeiten gewährleistet.

Klassische Verbindungstechniken sind neuen Technologien gewichen

Beachtenswert ist auch die Entwicklung im Bereich der Leiterkontaktierung - respektive der zuverlässigen Kontaktierung der Litzen beziehungsweise Drähte. Die klassischen Verbindungstechniken wie Schraub-, Crimp- und Lötkontakt sind in vielen Bereichen neuen Technologien gewichen. Federkontakte machen sich federnde Eigenschaften oder zusätzliche federnde Elemente zunutze, um die für die stabile Kontaktierung erforderliche, gasdichte Verbindung zur gewährleisten. Ein etwaiges Fließen der Adermaterialien wird durch das Kontaktierungsprinzip kompensiert. Gleichzeitig wird ein Lösen des Kontaktes durch Vibration verhindert.

Eine Abstimmung von Adermaterial, Kontaktdruckkraft und - geometrie stellt sicher, dass auch bei starker Vibrationsbelastung eine Beschädigung der Adern ausgeschlossen werden kann. Kleben und Schweißen stellen auch für die Kontaktverbindung durchaus eine Alternative dar. An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass insbesondere bei neuen unkonventionellen Ansätzen eine frühzeitige Einbindung sowohl des Kabel- als auch des Verbindungstechniklieferanten - oder gleich eine Lösung aus einer Hand - empfehlenswert ist. Hilfreich sind auch die oben bereits angesprochenen Produktfinder, sofern zusätzlich zum ‚Kabelfinder‘ noch ein ‚Connector Selector‘ angeboten wird.

Bei anschlussfertigen Leitungen passt alles

Sofern sich Kabeltyp, -länge und -verbindung bereits im Vorfeld definieren lassen, ist der Bezug einer anschlussfertigen Leitung erwägenswert - inklusive Steckverbindern oder bearbeiteten Aderenden, Bedruckung und Kennzeichnung.

Ist eine gezielte Bewegung des Kabels gewünscht, bietet sich eine Energieführungskette an, in der ein oder mehrere Kabel laufen. In diesem Fall kann es interessant sein, die Kabel in der bereits befüllten Kette zu beziehen.

Möglicherweise ist aber auch eine in Gewebe gefasste Kabelkombination oder ein spiralisiertes Kabel ausreichend. Sollen verschiedene Kabel zu einem zusammengefasst oder zusätzliche Adern hinzugefügt werden, ist Flexibilität beim Hersteller gefordert. Dies gilt ebenso an den Kabelenden: Modulare Steckverbinder decken die unterschiedlichen Kombinationsvarianten ab.

Da die Geräte und Maschinen oftmals außerhalb Deutschlands zum Einsatz kommen, ist es von Vorteil ausschließlich Kabel zu verwenden, die allen weltweit gängigen Vorschriften entsprechen. Für viele Einsatzzwecke sind nach internationalen Normen hergestellte Kabel erhältlich. Innerhalb von Europa existiert ein seitens der CENELEC harmonisiertes Kurzzeichensystem zur einheitlichen Kennzeichnung elektrischer Leitungen. Die Kennzeichnung gibt dem Fachpersonal nötige Informationen, um den Aufbau und die Verwendungsmöglichkeiten der Leitung zu ermitteln. Beginnend mit der Kennzeichnung der Bestimmung zählen hierzu die Bemessungsspannung, der Isolierwerkstoff, gegebenenfalls die Aufbauelemente, der Mantelwerkstoff, optional die Aufbauart, der Leiterwerkstoff, die Leiterart, die Adernzahl, der Schutzleiter und letztlich der Aderquerschnitt.

Das sollte man über Kabel wissen

Kabel unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Anzahl der Adern. Bei mehradrigen Kabeln ist jede einzelne Ader von einer Aderisolierung umhüllt. In der Regel kommen in elektrischen Kabeln reine Metalle mit möglichst niedrigem spezifischen Widerstand zum Einsatz. Meist wird Kupfer, in Teilbereichen auch Aluminium, als Adermaterial verwendet.

Die für ein Kabel zulässige Stromstärke hängt nicht nur vom Querschnitt und Material der Leiter ab. Wesentlichen Einfluss haben die Anzahl der Leiter, die Temperaturbeständigkeit der Isolierung, die Umgebungstemperatur, die Art der Verlegung, die Häufung von Leitungen sowie die Betriebsspannung. Angaben hierzu findet man beispielsweise in der EN 60204-1 „Elektrische Ausrüstung von Maschinen – Allgemeine Anforderungen“.

In Kabeln zur Datenübertragung kommen auch optische Glas- oder Kunststofffaser Leiter zum Einsatz. Bei flexiblen Anwendungen und im Anlagenbau bestehen die Adern aus Litzenleitungen. Bei besonders hoher mechanischer Beanspruchung werden feinstdrähtige Litzen verwendet.

Für die Aderisolierung von Energie- und Signalkabeln wird sehr häufig PVC (Polyvinylchlorid) als Isolationswerkstoff verwendet. Die Einsatztemperatur PVC-isolierter Kabel lässt sich durch Elektronenstrahlvernetzung erhöhen. Da PVC einen hohen dielektrischen Verlustfaktor hat, ist es als Isolation für Signalkabel insbesondere bei hohen Frequenzen oder großen Längen oft ungeeignet. Breitband-Signal- und Hochfrequenzkabel sind daher oft mit Polyethylen (PE) isoliert. Grundsätzlich soll eine Adernisolation einen möglichst hohen spezifischen elektrischen Widerstand haben und Überspannungen standhalten. Oft ist auch ein möglichst geringer dielektrischer Verlustfaktor erforderlich.

Kabel für extrem hohe Anforderungen werden mit PTFE isoliert. Für flexible, thermisch und mechanisch hoch beanspruchte Kabel wird unter anderem Gummi als Isolation verwendet. Bei hohen Temperaturen und hohen Spannungen wird Silikongummi eingesetzt. Als Kabelmantelmaterial werden PVC, aber auch Kunststoffe wie Polyurethan oder Polyethylen sowie Gummi verwendet.

Stören darf das Kabel nicht

Um die elektromagnetische Abschirmung von Datenkabel zu verbessern, werden diese oft mit einer Metallfolie oder einem Kupferdrahtgeflecht versehen. Von Frequenzumrichtern zu Motoren führende Energieleitungen müssen in der Regel ebenfalls abgeschirmt werden, um Störabstrahlungen zu unterbinden.

Zur Übertragung hoher Datenraten werden meist Twisted-Pair-Kabel verwendet. Die Adernpaare sind dabei jeweils miteinander verdrillt in separaten Schirmen geführt. Datenkabeln sind oft paarweise oder insgesamt von einem Schirm umgeben. Zusätzlich wird nach der Art der Adernverseilung unterschieden, zum Beispiel lagenverseilt oder paarverseilt. Bei HF- und Signalkabeln spielt auch die Impedanz bzw. der Wellenwiderstand sowie die dielektrische Güte oder der dielektrische Verlustfaktor des Isolationswerkstoffes eine Rolle. Für Hochfrequenz und Breitband-Signalübertragung werden meistens Koaxialkabel verwendet. Diese bestehen aus einem geschlossenen Mantelleiter, einer mittigen Seele, sowie einem Dielektrikum. Außen ist oftmals eine doppelte Schirmung, bestehend aus Geflecht und Metallfolie, aufgebracht.

Innerhalb von elektronischen Geräten werden sehr oft Bandkabel als Signalleitungen verwendet. Diese bestehen aus einer Vielzahl parallel nebeneinander liegender Adern und können kostengünstig und zuverlässig mit der Schneidklemmtechnik angeschlossen werden.

Lichtleiterkabel bestehen aus einer Glas- oder Kunststofffaser und besonders bei Leistungsanwendungen der Laser-Materialbearbeitung aus einem relativ dicken Mantel, der mechanischen Schutz und eine Begrenzung des Biegeradius bewirkt.

Bei einem Brand muss das Kabel noch eine Weile funktionieren

Bei sicherheitsrelevanten Systemen werden in bestimmten Bereichen Kabel und Leitungen mit integriertem Funktionserhalt gefordert. Befestigungsmaterial und Kabel müssen bei Brandeinwirkung für eine festgelegte Zeit funktionsfähig bleiben. In dieser Zeit dürfen weder Kurzschluss noch Unterbrechung auftreten. Diese Eigenschaften werden durch einen speziellen Aufbau der Leitung sowie besondere Materialien für die Isolierung erreicht.

Diese Leitungen sind von außen durch ihren orangefarbenen Mantel sowie durch einen kennzeichnenden wiederholten Aufdruck zu erkennen. Die Leitungsführungssysteme müssen ebenfalls für eine entsprechende Dauer einem Feuer standhalten. Gemeinsam mit der Leitung ergeben sie eine „geprüfte Leitungsanlage“. Die Installationsumgebung ist so zu gestalten, dass die Kabel und Leitungen während der Brandeinwirkung nicht durch berstende oder herabfallende Teile beeinträchtigt oder zerstört werden können.

Doch auch Kabel müssen sich den Herausforderungen der Zukunft stellen. So erfordern steigende Kupferpreise neue Konzepte. Erste Lösungsansätze gibt es. „Supraleiter“ übertragen Energie verlustfrei. Dazu müssen sie allerdings unter ihre Sprungtemperatur abgekühlt werden. Das geschiegt mit einem Kühlmittel, das separate Kanäle im Kabel gepumpt wird. Eine weitere Möglichkeit sind „Nano Compounds“ sowie der „Multi-Layer“-Kabelaufbau, der einen präzisen Zuschnitt auf immer spezifischere Anforderungen ermöglicht.

*Harald Tebbe leitet das Product Management und die Produktentwicklung von Lapp Kabel

in Stuttgart.

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