Faszination Technik Wie ein Roboter das Gleiten von Geckos simuliert
In unserer Rubrik „Faszination Technik“ stellen wir Konstrukteuren jede Woche beeindruckende Projekte aus Forschung und Entwicklung vor. Heute: der Nachweis der stabilisierenden Wirkung des Gecko-Schwanzes beim Landen in Bäumen.
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Der Gecko (Hemidactylus platyurus) hat seinen natürlichen Lebensraum hoch oben in den Regenwäldern von Singapur. Um Räubern zu entwischen, ist er in der Lage, von Baum zu Baum zu springen und durch die Luft zu gleiten. Stehen die Bäume nah beieinander, prallt der Gecko zwar ungebremst gegen den angepeilten Baum, kann dies jedoch gut verkraften.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart, des Siena College in New York und der University of California in Berkeley konnten dieses Geheimnis lüften. Ihre Beobachtungen in der Natur erweiterten sie um Experimente an Gecko-inspirierten Robotern im Labor und veröffentlichten die gewonnenen Erkenntnisse in der Fachzeitschrift Nature Communications Biology.
Schwanz stabilisiert Landung
Geckos werfen ihren Schwanz bei Gefahr ab, der aber nach kurzer Zeit wieder nachwächst. Eidechsen ohne Schwanz sind daher sehr häufig anzutreffen. Dies ermöglichte es den Forschenden, das Gleit- und Landeverhalten der Reptilien mit und ohne Schwanz und bei hoher Geschwindigkeit zu untersuchen. Das Ergebnis: Der Gecko erreicht beim Gleitflug eine Geschwindigkeit von bis zu sechs Metern pro Sekunde - mehr als 21 Kilometer pro Stunde -, bevor er auf den benachbarten Baumstamm prallt. Im Vergleich zu einem Auto, das bei einer solch hohen Geschwindigkeit nach einem Unfall stark beschädigt wäre, landet der Gecko unbeschadet. Er ist unverletzt und bleibt an der Baumrinde haften. Bei Tieren wiederum, die ihren Schwanz verloren haben, ist das Gegenteil der Fall. Diese Geckos schaffen es nicht, sich nach dem Aufprall festzuhalten. Sie plumpsen rückwärts auf den Waldboden.
Was läuft die Landung in den Bäumen ab? Das untersuchten die Wissenschaftler mit Hochgeschwindigkeitskameras: Der Gecko federt den Aufprall ab, indem er seinen Rumpf um bis zu 100 Grad nach hinten beugt. Bei dieser Beugung verlieren die Vorderfüße den Halt, nur die Hinterbeine bleiben haften. Durch diese Rückwärtsneigung des Rumpfes wird Energie abgeleitet, indem der Schwanz gegen den Baumstamm gedrückt wird. Tiere, die ihren Schwanz jedoch verloren haben, können die Energie nicht genügend abfedern und fallen vom Stamm. Deshalb vermuten die Forschenden, dass der Schwanz wie ein fünftes Bein wirkt und dem Gecko hilft, sich nach dem Aufprall zu stabilisieren.
Gecko-inspirierter Roboter liefert den Beweis
Um die stabilisierende Wirkung des Schwanzes nachzuweisen, kreierten die Wissenschaftler einen Gecko-inspirierten Roboter. Dieser verfügt über einen weichen Rumpf, bei dem der Schwanz abgenommen und wieder montiert werden kann. Wenn der vordere „Fuß“ auf eine Oberfläche aufprallt, ist der Roboter so programmiert, dass er seinen Schwanz biegt, vergleichbar mit den Reflexen des Geckos. Die Informationen werden über einen Mikrocontroller an der „Schulter“ verarbeitet, um sogleich einen Motor im „Becken“ zu aktivieren, der an einer „Sehne“ zieht und so den Schwanz gegen die Wand drückt, um den Roboter zu stabilisieren. Das folgende Video veranschaulicht die Simulation des Geckos durch den Roboter:
Der Roboter schlug im Labor mit der gleichen Geschwindigkeit auf die Wand auf, mit der die Geckos auf dem Baum landeten, und kippte dabei mit dem Oberkörper im rechten Winkel zur Oberfläche zurück. Die Wissenschaftler maßen dann die Kraft, die auf die Vorder- und Hinterfüße des Roboters beim Aufprall wirkten. Je länger der Schwanz des Roboters war, desto geringer die Kraft, die die Hinterfüße von der Oberfläche wegzog. Je geringer diese Kraft, desto leichter war es für den Roboter sich festzuhalten. Bei einem Roboter ohne Schwanz werden jedoch die Kräfte auf die Hinterfüße zu groß: Der Roboter verliert seinen Halt und fällt.
Damit bestätigte dieses Experiment die von den Wissenschaftlern aufgestellten Hypothese, dass der Gecko nur mit Hilfe des Schwanzes in der Lage ist, sich auf einer vertikalen Oberfläche zu stabilisieren, nachdem er mit hoher Geschwindigkeit auf diese aufschlägt.
Zur Originalpublikation in Nature Communications Biology
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