Teil 1: Schweißen Verbindungstechniken mit numerischen Simulationen bewerten und verbessern
Wie numerische Simulationen Schweiß-, Klebe- und Schraubverbindungen bewerten und verbessern können, erklärt die dreiteilige Artikelserie. Der erste Teil behandelt das Schweißen.
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Hohe Qualitätsanforderungen an Produkteigenschaften, Produktsicherheit und Kosteneffizienz erfordern die Absicherung von Bauteileigenschaften bereits in frühen Entwicklungsphasen. Die numerische Simulation basierend auf der FEM (Finite-Elemente-Methode) hilft Entwicklungsingenieuren, das Verhalten ihrer Produkte zu verstehen und zu verbessern. Auch Verbindungstechniken wie Schweißen, Kleben oder Schrauben können in der Produktsimulation mit abgebildet und nach dem Stand der Technik bewertet werden. Im vorliegenden ersten Teil geht es um Schweißverbindungen, die in zweierlei Hinsicht untersucht werden sollen. Erstens soll der Frage nachgegangen werden: Hält eine Schweißverbindung unter einem gegeben Lastszenario? Dazu wird in der Regel ein Festigkeitsnachweis nach Berechnungsvorschriften (Regelwerken) durchgeführt, die oft branchenspezifisch (etwa für den Stahlbau, den Kranbau und den Schienenfahrzeugbau) gelten. Zweitens soll betrachtet werden, wie sich der Schweißprozess auf die Bauteileigenschaften auswirkt.
Festigkeitsnachweis von Schweißnähten
Für die Bewertung der Festigkeit von Schweißnähten haben sich verschiedene Konzepte etabliert:
Das Nennspannungskonzept basiert auf den Schnittlasten, die an einer Schweißnaht auftreten, und setzt diese in Relation zu den jeweiligen Querschnittsflächen und Widerstandsmomenten. Durch die geringen Anforderungen an die Modellierung eignet sich das Verfahren hervorragend für große Baugruppen mit einer Vielzahl von Schweißnähten, hier vor allem zur schnellen Identifikation kritischer Nähte oder Nahtbereiche. Das Nennspannungskonzept ist die Grundlage für viele Regelwerke und wird u. a. in der FKM-Richtlinie genutzt, um einen statischen und zyklischen Nachweis durchzuführen. Für einen richtlinienkonformen Festigkeitsnachweis geschweißter Strukturen mit Nennspannungen nach FKM steht seit Mai 2014 mit der Cadfem-ihf-Toolbox 4.0 ein Werkzeug zur Verfügung, das diesen Nachweis direkt innerhalb des Simulationsprogramms Ansys Workbench ermöglicht. Anhand von Bauteilverbindungen oder Linienkontakten werden die zu bewertenden Schweißverbindungen automatisch identifiziert. Spezielle Filter unterstützen den Anwender in der Handhabung, um auch bei einer großen Anzahl von Schweißnähten die Übersicht zu gewährleisten. Die Eigenschaften der Schweißverbindungen werden individuell oder gruppenweise in komfortablen Eingabemasken definiert, ebenso Materialeigenschaften, Lastkollektive und Lastfallkombinationen. Nach der Berechnung erfolgt die Darstellung des Auslastungsgrads auf dem 3D-Modell als Farbverteilung. Zu Dokumentationszwecken wird ein prüffähiger Bericht erstellt, der alle Eingangs- und Ergebnisgrößen des Nachweises enthält.
Spannung in der Bauteilstruktur ermitteln
Beim Strukturspannungskonzept wird die Spannung lokal in der Bauteilstruktur ermittelt, um damit eine Bewertung vorzunehmen. Es existieren verschiedene Verfahren, um die Strukturspannung von Kerbeffekten in Abhängigkeit von der Nahtmodellierung zu trennen wie z. B. durch die Extrapolation von Spannungswerten entlang der Oberfläche zum Nahtübergang, eine fiktive Nahtausrundung oder die Linearisierung der Spannungen über die Wanddicke am Nahtübergang. Das letztgenannte Verfahren wurde von Cadfem beispielsweise soweit automatisiert, dass im Zusammenspiel von Ansys Workbench mit der Software HBM-n-Code-Design-Life die FEM-Ergebnisdaten entlang der zu untersuchenden Schweißnaht für die Linearisierung aufbereitet und verarbeitet werden.
FEM-Lupe bewertet Teilbereich detaillierter
Das Kerbspannungskonzept bildet Schweißnähte ebenfalls geometrisch ab. Dabei werden am Nahtübergang und an der Nahtwurzel Referenzradien erzeugt, die dazu dienen, eine Kerbspannung für die Bewertung zu ermitteln. Je nach Blechdicke und Berechnungsrichtlinie werden dabei Radien von 0,05, 0,3 oder 1 mm definiert, die in der Konsequenz lokal eine extrem feine Vernetzung (ca. 0,005–0,1mm Elementkantenlänge) erfordern. Um dem Modellierungsaufwand zu minimieren und mit einer nachträglichen lokalen Elementverfeinerung das Gesamtmodell nicht ein zweites Mal berechnen zu müssen, kommt in solchen Fällen die Submodelltechnik zum Einsatz. Bei dieser Technik – einer Art „FEM-Lupe“ – wird der zu bewertende Teilbereich mit höherem Detaillierungsgrad separat berechnet. Ansys Workbench überträgt die relevanten Schnittgrößen automatisch vom Globalmodell auf das Submodell und kombiniert so einen hohen Komfort mit hoher Genauigkeit und Performance. Leistungsfähige Simulationslösungen wie Ansys Workbench bieten auf diese Weise heute die Möglichkeit, nicht nur Spannungen zu berechnen, sondern auch eine adäquate Bewertung vorzunehmen bis hin zum vollständigen Festigkeitsnachweis inklusive prüffähigem Bericht. Diese Durchgängigkeit sichert eine komfortable Anwendung und führt zusätzlich zu einer erheblich höheren Produktivität, da Änderungen der Geometrien und/oder der Lasten eine automatische Aktualisierung der Bewertung nach sich ziehen. Wiederholbare Abläufe gewährleisten reproduzierbare und vergleichbare Ergebnisse und stellen damit die Grundlage für eine sichere Produktentwicklung dar.
Simulation des Schweißprozesses
Neben der Simulation des Verhaltens von Produkten wird zunehmend auch ihr Fertigungsprozess untersucht – zum Einen um Produktionsparameter zu optimieren, zum Anderen um die Auswirkungen auf die Produkteigenschaften zu ermitteln und dadurch genauere Aussagen über das spätere Produktverhalten zu ermöglichen.
Im Falle der Schweißprozesssimulation wird das Ziel verfolgt, Schweißeigenspannungen, Verzug und Gefügestruktur zu erfassen und durch optimierte Prozessparameter zu verbessern. Die Cadfem-ihf-Toolbox für Ansys Workbench unterstützt Schmelzschweißprozesse wie Lichtbogen-, Laser-, Reibrühr- oder Elektronenstrahlschweißen. Diese Simulationslösung beinhaltet verschiedene Modelle für den Wärmeeintrag, ebenso Methoden für das Schließen der Naht und die Abbildung des Materialverhaltens.
Die Materialmodellierung per klassischer Gefügekinetik nach Leblond und Denise berechnet die Werkstoffstruktur mittels Ratengleichungen, ermittelt die Konzentrationen der Gefügebestandteile, z. B. Austenit, Ferrit, Martensit, und leitet daraus die thermischen und mechanischen Werkstoffkennwerte über Mischungsregeln ab. Neben diesem detaillierten Modell kann die STAAZ-Methode (Spitzen-Temperatur, Austenitisierungszeit, Abkühl-Zeit) die Alpha-Gamma-Phasenumwandlung direkt beschreiben und so in einem beschleunigten Verfahren die Werkstoffeigenschaften für den interessierenden Temperaturbereich zur Verfügung stellen. Die Schweißsimulation liefert Temperaturprofile, Schweißeigenspannungen, plastische Dehnungen und den auftretenden Schweißverzug. Mit diesen Informationen können Konstrukteure und Prozessingenieure das eingesetzte Schweißverfahren, die Schweißleistung und die Schweißreihenfolge frühzeitig variieren und systematisch beurteilen. Der Einblick in die inneren Abläufe beim Schweißen und die isolierte Betrachtung von einzelnen Effekten durch die numerische Modellbildung ermöglichen ein besseres Verständnis der stattfindenden Abläufe und die Optimierung der Schweißprozessparameter. Darüber hinaus lässt sich durch die Simulation der Gefügeumwandlung das Aufhärten kontrollieren bzw. die geeignete Wärmebehandlung auswählen. (jup)
* Christof Gebhardt ist Business Development Manager bei Cadfem.
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