Sicherheit im Schienenverkehr

Autor / Redakteur: Andreas Wöhrmeier / Karl-Ullrich Höltkemeier

Weil Sicherheit im Schienenverkehr groß geschrieben wird, werden die Waggons der Österreichischen Bundesbahnen mit Magnetschienenbremsanlagen ausgestattet. Für die Steuerung der Bremsen kommen Spezial-Relaismodule von Phoenix Contact zum Einsatz, die den hohen Anforderungen der Bahnnorm DIN EN 50155 entsprechen.

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Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) sind mit rund 46.000 Mitarbeitern die größte Eisenbahngesellschaft Österreichs. Sie betreiben ein 5.700 km großes Streckennetz und befördern 188 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Als Unternehmen im ÖBB-Konzern betreut die ÖBB-Technische Services GmbH mit 4.400 Mitarbeitern 25.000 Schienenfahrzeuge sowie 15.000 Fahrzeugkomponenten. Zu ihren Aufgaben gehören Instandhaltung und Modernisierung von Schienenfahrzeugen und Komponenten genauso wie die Entwicklung und Planung innovativer Lösungen.

Am Standort Wien Simmering werden pro Jahr rund 120 Modernisierungen sowie zahlreiche Ausbesserungs- und Wartungsarbeiten durchgeführt (Bild 1). Im Rahmen dieser Maßnahmen werden die durchschnittlich 25 Jahre alten Personenwagen einem „Designupgrading“ unterzogen.

Dafür werden die alten Fahrzeug-Baugruppen aus den Waggons teilweise ausgebaut, die Wagenkästen mit Sandstrahl-Technik partiell entlackt und nach Kundenwunsch mit umweltfreundlichen Lacken auf Wasserbasis neu lackiert sowie mit aufgearbeiteten Komponenten in modernisierter Technik wieder aufgebaut. Nach dem Upgrading müssen die Waggons mindestens weitere 15 Jahre im Einsatz sein. In diesem Zeitrahmen erwartet der Kunde eine weiterhin wirtschaftliche Instandhaltung sowie eine ähnlich hohe Verfügbarkeit wie bei neueren Waggons. Im Zuge der Modernisierungen werden die Waggons mit hocheffizienten Magnetschienenbremsan-lagen ausgerüstet. Eine Magnetschienenbremse besteht aus insgesamt vier eisernen Schleifschuhen mit eingebauten Elektromagneten (Bild 2).

Bei einem Stromfluss von 50 bis 60 A pro Bremsmagnet werden die Schleifschuhe mit großer Magnetkraft an die Schiene gezogen. Dadurch entsteht eine bremsende Reibungskraft die der Bewegung des Zugs entgegenwirkt.

Speziell für Bahnapplikationen entwickeltes Relaismodul

Damit die Magnetschienenbremse aktiviert werden kann, müssen mehrere Dinge erfüllt sein. Eine wichtige Voraussetzung ist die Mindestgeschwindigkeit des Zuges von 50 km/h. Unterhalb dieser Geschwindigkeit bringen die Scheibenbremsen den Zug sicher zum Stillstand, die Bremskraft der Magnetschienenbremse wäre hier überdimensioniert. Mittels Drehgebern, die an den Achsen des Waggons angebracht sind, wird zu jedem Zeitpunkt die Geschwindigkeit erfasst und durch eine Mikroprozessor-Logik ausgewertet.

Ab einer Geschwindigkeit von 50 km/h liefert diese Logik das Eingangssignal für das „Bahnrelais“ – das speziell für Bahnapplikationen entwickelte Relaismodul PLC-BSP-24DC/21RW (Bild 3). Dieses elektromechanische Relais schaltet bei entsprechend hoher Bremsanforderung durch und leitet das 24 VDC-Signal an die MMagnetschienenbrems-Steuerung weiter.

„Das Relais sorgt für eine galvanische Trennung zwischen den Hauptstromkreisen der Bremsmagnete in den Drehgestellen und der zentralen Bremssteuerung mit Sensorik“, so Wolfgang Dödl, Gruppenleiter im Flotten-Engineering für den Fernverkehr bei der ÖBB-Technische Services GmbH. „Die bei Bahnfahrzeugen üblichen Störsignale, die so genannten Transienten, werden so von der sensiblen zentralen Bremssteuerung fern-gehalten.“

Diese wird dadurch vor Überspannung und Überstrom geschützt, so dass alle weiteren Funktionen nicht beeinträchtigt werden. Da der Strom des zu schaltenden Signals nur wenige Milliampere beträgt, werden Relais mit hartvergoldeten Kontakten verwendet. Weil Strom und Spannung gering sind, kann beim Schalten kein Lichtbogen entstehen, der auf die Kontakte eine reinigende Wirkung hätte. Fremdschichten auf dem Kontakt, zum Beispiel eine Oxidschicht, würden durch einen Lichtbogen verbrennen.

Die Hartvergoldung der Kontakte bewirkt, dass sich auch ohne Schaltlichtbogen keine Fremdschicht auf den Kontakten bilden kann. Diese Eigenschaft alleine macht jedoch noch kein Bahnrelais aus, denn Goldkontakte werden auch in anderen industriellen Anwendungen genutzt, in denen kleine Lasten und Signale geschaltet werden müssen.

Zum Spezialrelais wird das Modul PLC-BSP-24DC/21RW erst durch die Konformität zur Bahnnorm DIN EN 50155. Elektromechanische Relais müssen generell der IEC 61810-1 entsprechen.

Die größte Hürde, die ein Relais für die DIN EN 50155 nehmen muss, ist der erweiterte Bereich für Betriebsspannung und Umgebungstemperatur. Der Betriebsspannungsbereich erstreckt sich laut IEC 61810-1 von 80 bis 110 Prozent der Nominalspannung. Dazu fordert die Bahnnorm DIN EN 50155 jedoch einen Betriebsspannungsbereich von 70 bis 125 Prozent der Nominalspannung. In diesem Bereich muss das Relaismodul sicher funktionieren. Außerdem fordert die DIN EN 50155 einen erweiterten zulässigen Umgebungstemperaturbereich von -25 °C. bis +70 °C.

„Die hohe Anforderung an die Um-gebungstemperatur spielt im Praxisbetrieb eine wichtige Rolle“, erklärt Wolfgang Dödl. „Denn Schaltschränke werden in den Waggons unter anderem unter der Fahrgastkabine im so genannten Unterflur-Fahrzeugkasten unter-gebracht.“ (Bild 4).

Der Fahrzeugkasten besteht aus Stahl bzw. Aluminium und ist nicht temperaturisoliert. Je nach Jahreszeit und Einsatzort des Zuges können so Innenraumtemperaturen im Fahrzeugkasten auftreten, die sich erheblich von Umgebungstemperaturen in Industrie-Applikationen unterscheiden.

Wolfgang Dödl: „Im Extremfall kann sogar eine Eingangsspannung von bis zu 125 Prozent der Nennspannung bei gleichzeitig erhöhter Umgebungstemperatur von bis +70°C auftreten.“ Ein Relais muss selbst bei diesen Bedingungen sicher anziehen können. Durch die hohe Spannung fließt mehr Strom durch das Relaismodul, was zu einer erhöhten Eigenerwärmung führt. Bei gleichzeitiger hoher Umgebungstemperatur würde ein normales Relaismodul frühzeitig ausfallen.

Relais ist universell einsetzbar

Die Einsatzgebiete für Relaismodule sind bei der ÖBB genauso zahlreich wie in der Industrie. So finden sich die Relaismodule von Phoenix Contact an ganz unterschiedlichen Positionen im Zug – zum Beispiel in der Steuerung der Vakuumtoilette. Auch hier sorgt das Relais als Bindeglied zwischen Feldebene und zentraler Steuerung für die galvanische Trennung. In diesem Fall wird das Signal eines Füllstandssensors erfasst und zur Steuerung geleitet.

„Das speziell für Bahnapplikationen entwickelte Relaismodul PLC-BSP-24DC/21RW bietet uns neben der großen Einsatz-Bandbreite noch weitere Vorteile“, resümiert Wolfgang Dödl. „Die schmale Modul-Bauform von nur 6,2 mm, die flexible Steckbarkeit und die damit verbundene Wartungsfreundlichkeit der Relais - und nicht zuletzt der attraktive Preis.“

Phoenix Contact, Tel. +49(0)5235 300

Andreras Wöhrmeier, Mitarbeiter in der Business Unit Interface, Phoenix Contact GmbH & Co. KG, Blomberg

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