Simulation Schnelle Rundenzeiten dank integrierter Gehäuse- und Getriebeauslegung
Eine neue Auslegungsmethode im Motorsport-Getriebebau unter Einsatz von Kisssoft und Ansys ermöglicht die interaktive Entwicklung von Gehäuse und Getriebe.
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Bei der Entwicklung neuer Getriebe wird häufig die Gehäuseberechnung unabhängig von der Auslegung des Antriebstranges durchgeführt. Dabei soll die ausreichende Lebensdauer bei einer geringen Reibung und geräuscharmem Betrieb erreicht werden. Dazu wird eine getriebespezifische Software wie die von Kisssoft verwendet. Beim Gehäuse stehen die erforderlichen Festigkeiten, das geringe Gewicht und die toleranzgerechte sowie kostengünstige Herstellung im Vordergrund. Das dazu verwendete Berechnungsprogramm ist ein FE-Programm wie Ansys.
Die Untersuchung des Zusammenspiels und Interaktion von Gehäusen sowie Getrieben mit entsprechender Kopplung wird dabei aus Zeitgründen und fehlender angepasster Simulationssoftware kaum durchgeführt.
Hohe Anforderungen im Rennsport
Im Motorrad-Rennsport sind die Anforderungen an eine gekoppelte Auslegung besonders hoch. Gleichzeitig hat die Steifigkeit des Motorradgehäuses einen grossen Einfluss auf die Gesamtsteifigkeit der umgebenden Rahmenstruktur und somit auf das Fahrverhalten. Aus dem gleichen Grund werden die Lagerzonen des Getriebes aus getriebetechnischer Hinsicht möglichst steif und überdimensioniert konstruiert.
Um eine interaktive Entwicklung von Gehäuse und Getriebe zu ermöglichen, wurde in einem Gemeinschaftsprojekt der Firmen Kisssoft AG, Suter Industries AG (ehemals Suter Racing Technologies AG) und Cadfem (Suisse) AG ein konsequenter Ansatz angestrebt. Im Vordergrund stand der Einfluss der Gehäusesteifigkeit auf die statische Berechnung des Antriebstranges, bzw. der Verzahnungen und die Breitenlastverteilung innerhalb des Zahnkontaktes der Schaltverzahnungen. Dazu wurde das Motorgetriebe eines Moto3-Rennmotorrades der Firma Suter Industries AG verwendet.
Auslegung des Antriebsstranges
Das sequentielle 6-Gang-Schaltgetriebe, bestehend aus Kurbelwelle, Primär- und Sekundärwelle wurde in Kisssys kinematisch modelliert. Somit können die Gänge bezüglich der Betriebsdrehzahlen und Drehmomente einzeln oder wahlweise im Kollektiv gerechnet werden (Bild 2). Aus dieser Getriebeauslegung resultieren die Abmessungen des Getriebes und der Nachweis der Lebensdauer der einzelnen Verzahnungen, Wellen und Wälzlagern bezüglich der geforderten Zeitfestigkeit.
Die Wellen werden in Kisssoft biegeelastisch gerechnet, die Wälzlager weisen mit der nichtlinearen Steifigkeit ebenfalls eine elastische Deformation auf. Auf diese Weise kann die Lage der Verzahnungen bezüglich des Zahnkontaktes sehr realistisch berechnet werden. Mit der Zahnkontaktanalyse in Kisssoft werden die Eigenschaften der Laufverzahnung bezüglich der Lastverteilung und Geräuschanregung bewertet. Zusätzlich wurde in der Folge der Einfluss des Gehäuses und dessen Nachgiebigkeit auf den Zahnkontakt untersucht.
Kopplung der Gehäuse- und Getriebeberechnung
Alle Bauteile, die Einfluss auf die Steifigkeit des Getriebes haben – Getriebegehäuse, Rahmen, Zylinder und Zylinderkopf – wurden in Ansys modelliert. In den Simulationen wurden auch nichtlineare Effekte, wie Schraubenvorspannungen und reibungsbehaftete Kontakte zwischen den Teilen berücksichtigt. Das FE-Modell war mit mehr als 1 Million Knoten sehr detailliert.
Die sechs Lagerzentren der drei Wellen im Getriebegehäuse wurden als Masterknoten für eine Modellreduktion mittels der Superelementmethode definiert. In einem nächsten Schritt wurde das nichtlineare Modell in Ansys automatisch linearisiert und auf 36 Freiheitsgrade reduziert.
Berechnungsergebnisse weitergereicht
Anschließend wurde die Gehäusesteifigkeit berechnet und die erhaltenen Werte zur Berechnung der Lagerreaktionskräfte in Form einer Steifigkeitsmatrix automatisiert an die Software Kisssys gekoppelt. Die Lagerreaktionskräfte wiederum dienten in einem letzten Schritt dazu, die Deformationen und Spannungen am Gehäuse in Ansys zu berechnen.
Die nachfolgende Optimierung des Zahnkontaktes in Kisssoft konnte somit unter Berücksichtigung der Gehäusenachgiebigkeiten durchgeführt werden. Mit den entsprechenden Flankenmodifikationen wurde eine ausgeglichene und robuste Auslegung erzielt.
Wie bei einem neuen Simulationsverfahren üblich, wurden zur Verifizierung und Validierung des FE-Modells und des ganzen Berechnungsverfahrens diverse Vergleiche und Tests durchgeführt. Neben einem Vergleich der Berechnungen in Kisssoft und Ansys wurde das Getriebe auf dem Prüfstand analog zum realen Motorrad gelagert und ausgemessen.
Verifizierung durch optisches Messen
Auf dem Prüfstand wurde der Aufbau von Motor, Getriebe und Rahmen im Labor getestet. Dabei wurde ein statisches Drehmoment als Belastung des Systems bei der Ausgangswelle angebracht, während die Kurbelwelle fixiert war. Nun konnte, dank den optischen Verformungsmessungen die mit dem Tritop-System der Firma GOM durchgeführt wurden, das reale Bauteilverhalten mit den Ergebnissen des neuen Analyseverfahrens verglichen werden. Auch in diesem Fall war die Übereinstimmung sehr gut.
Mit dem integrierten Berechnungsprozess von Getriebeauslegung und Gehäusedesign steht dem Konstrukteur ein modernes Tool zur Verfügung, welches die Interaktion von Gehäuse und Antriebsstrang berücksichtigen kann. Diese Funktionalität ist bei höchsten Anforderungen an Leichtbau und Lebensdauer unumgänglich. (jv)
* Dr. Giampaolo Franzoso ist Mitarbeiter von Cadfem (Suisse) AG, Urs Fasel von Suter Industries AG, Jürg Langhart von Kisssoft AG
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