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Werden an schwer erreichbaren Standorten Ersatzteile benötigt, kommt die Mobile Smart Factory zum Einsatz. In dieser Anlage bringt ein Peiseler-Rundtisch Bauteile bei additiver und subtraktiver Bearbeitung mit höchster Präzision in die richtige Position.

Produktionsausfälle zu vermeiden ist für jedes Unternehmen das A und O: Sie sind kostenintensiv und können schnell bedrohliche Ausmaße annehmen. Das gilt umso mehr an Orten, wo Infrastruktur und Logistik schwer erschließbar sind – etwa im Bergbau oder in Minen. Eine besondere Herausforderung überall dort, wo der nächste Fertiger weit entfernt und schlecht zu erreichen ist. Fällt zum Beispiel ein Minen-Bagger aus, kostet das am Tag schnell 200.000 US-Dollar.
Ersatzteile vor Ort schnell reparieren oder neu generieren
Statt in einem solchen Fall Ersatzteile zeit- und kostenintensiv einzufliegen, wäre eine mobile Produktion gerade an abgeschiedenen Orten die Lösung schlechthin. Hier setzt die Mobile Smart Factory (MSF) an, die durch die Zusammenarbeit von Metrom und Bionic Production unter Mitwirkung des Remscheider Unternehmens Peiseler entstand. Untergebracht in einem speziell angepassten 20-Fuß-Container ermöglicht sie eine additive und subtraktive Bearbeitung von Bauteilen. „So können Ersatzteile vor Ort schnell repariert oder neu generiert werden“, sagt Paul Jahn, bei Bionic Production als Projektmanager für die Mobile Smart Factory zuständig. „Dies verringert Ausfallzeiten deutlich und spart somit maßgeblich Kosten ein.“
Das zur Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) gehörende Unternehmen Bionic Production bietet die gesamte Prozesskette des 3D-Drucks an, von der strategischen und operativen Beratung über das Engineering von bionischen Bauteilen bis hin zu deren Produktion und dem Post-Processing für die Prototypen-, Einzelteil-, Ersatzteil- und Serienproduktion.
Mit Lichtbogen aufgeschmolzenen Metalldraht lagenweise auftragen
Bei der additiven Fertigung im Container der mobilen Fabrik setzt das Unternehmen neuerdings auf das Drahtauftragsschweißen mit Metall: Beim Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) wird ein mit einem Lichtbogen aufgeschmolzener Metalldraht lagenweise aufgetragen und generiert so das metallische Bauteil. Die anschließende Fräsarbeit für die Feinmodellierung des Bauteils erfolgt in der gleichen Anlage und damit in einer einzigen Aufspannung. So kommt es zu keinem Toleranzverzug. Da die Fräsarbeiten kein aufwendiges erneutes Einmessen auf einer separaten Anlage erfordern, spart der Anwender beträchtlich Zeit.
Die für das WAAM-Verfahren eingesetzte parallelkinematische Maschinen mit fünf Achsen ist das Ergebnis einer Entwicklung des sächsischen Unternehmens Metrom. Sie gewährleisten die Genauigkeit und Steifigkeit stationärer Bearbeitungsmaschinen ebenso bei mobilen Anwendungen. Für die Entwicklung der mobilen Fabrik ist Bionic Production mit Metrom eine Technologiepartnerschaft eingegangen. Dritter im Bunde ist Peiseler, ein weltweit renommierter Hersteller für rotative Bewegungs- und Positionieraufgaben. Im MSF-Container übernimmt ein Rundtisch ATU 400 von Peiseler die bei einer additiven als auch subtraktiven Fertigung erforderliche hochpräzise Positionierung des Werkstücks.
Rundtisch mit selbst entwickeltem Kühlkonzept
„Die Peiseler-Lösung hat uns voll und ganz überzeugt“, sagt Marcus Witt, Chief Technology Officer bei Metrom. Der Rundtisch von Peiseler bildet in dem Konzept die sechste Achse und ermöglicht neben der Positionierung des Bauteils die komplette Nutzung des Bauraums. Ganz wesentlich dabei sei, dass Peiseler bei diesem Rundtisch ein selbst entwickeltes Kühlkonzept umgesetzt hat. Dabei kommt eine spezielle Planscheibe zum Einsatz, bei der über einen Drehverteiler Kühlwasser gepumpt wird. „Damit ist es uns gelungen, die durch das Lichtbogenschweißen entstehenden hohen Temperaturen auf der Planscheibe und somit direkt am Werkstück signifikant zu verringern“, sagt Marc Gronau, Vertriebsleiter bei Peiseler. „Die Dichtungstechnik für das Kühlmedium Wasser ist zwar ausgesprochen aufwendig, doch da wir unsere Drehverteiler selbst entwickeln und fertigen, haben wir das ausgezeichnet im Griff.“
Bei der Planscheibe des Rundtischs habe sich Peiseler für eine Aluminiumlegierung entschieden, weil diese rostfrei ist und über eine sehr gute Wärmeleiteigenschaft verfügt. „Zudem haben unsere Konstrukteure die in der additiven Fertigung zum Einsatz kommenden Komponenten kontinuierlich optimiert“, erklärt Gronau. „Insofern werden diese selbst den rauen Gegebenheiten beim Auftragsschweißen gerecht.“
Mobile Produktion ist für unterschiedlichste Branchen interessant
Für den Metrom-CTO Witt bietet die wassergekühlte Planscheibe den entscheidenden Mehrwert: „Mit dem Kühlkonzept hat Peiseler eine Alleinstellung auf dem Markt. Das ist in der Tat außergewöhnlich und ganz entscheidend für die additive Fertigung mit dem Lichtbogenauftragsschweißen.“ Vor dem Kontakt zu Peiseler habe sein Unternehmen ebenso bei anderen Anbietern nach einer geeigneten Lösung gefragt. Diese mussten allerdings alle passen. Der bei Bionic Production für die MSF zuständige Projektmanager Jahn sieht das genauso: „Der gekühlte Tisch ist für das von uns eingesetzte WAAM-Verfahren das absolute Nonplusultra.“
Alle drei Partner sehen ausgezeichnete Perspektiven für die Vermarktung der Mobile Smart Factory. Ob Vertrieb, Vermietung oder angebotene Auftragsarbeiten, die bislang einzigartige Hybrid-Anlage in einem Container sei für Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen interessant. Bionic Production zielt neben der Minentechnik insbesondere auch auf potenzielle Kunden aus dem maritimen Reedereiumfeld, der Öl- und Gasindustrie, dem Rail-Bereich sowie dem Maschinenbau.
Reduzierung aufwendiger Beschaffungslogistik spart CO2 ein
Das Unternehmen sieht in diesen Branchen riesiges Potenzial, Ausfallzeiten und hohe Kosten zu minimieren. Dies gelte umso mehr für Produktionsanlagen an schwer erreichbaren Orten. „Auch der immer wichtiger werdende Nachhaltigkeitsaspekt wird für einen weiteren großen Schub sorgen“, so Daniel Beck, Geschäftsführer von Bionic Production. „Denn die Reduzierung von aufwendiger Logistik zum Beispiel für die Beschaffung neuer Teile wird für eine beträchtliche CO2-Einsparung sorgen.“
Aktuell werde zudem die in vielen Bereichen gegebene schwierige Lieferkettensituation ein starker Treiber sein. Denn die Möglichkeit einer dezentralen Produktion helfe, mögliche Instabilitäten zumindest etwas zu verringern. „Insofern bin ich ausgesprochen zuversichtlich, dass wir mit unserer im Markt einzigartigen und weltweit einsetzbaren mobilen Produktion sehr gute Chancen haben“, sagt Beck.
* Christian Mannigel ist freier Fachjournalist aus Handeloh
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