Konstruktionsleiter-Forum 2022 Mit Simulation, KI und Cloud-Applikationen in die Konstruktion der Zukunft

Von Felix Haas*

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Ohne den Einsatz von Live-Simulation, Künstlicher Intelligenz und Cloud-Anwendungen wird der Konstrukteur in Zukunft nicht mehr auskommen. Diese und weitere Erkenntnisse nahmen die Teilnehmer vom Konstruktionsleiter-Forum 2022 mit.

Begrüßung zum ersten Konstruktionsleiter-Forum der konstruktionspraxis am 
21. September 2022: Chefredakteurin Ute Drescher (links) und Fachredakteurin 
Monika Zwettler führen in das Programm ein.
Begrüßung zum ersten Konstruktionsleiter-Forum der konstruktionspraxis am 
21. September 2022: Chefredakteurin Ute Drescher (links) und Fachredakteurin 
Monika Zwettler führen in das Programm ein.
(Bild: VCG)

Es war viel los: 150 Konstruktions- und Entwicklungsleiter waren zum ersten Konstruktionsleiter-Forum 2022 am 21. September nach Würzburg gekommen. Im Mittelpunkt der Vorträge, Workshops und Experten-Treffen standen neue Methoden und Tools, die den Anforderungen einer kreativen, effizienten und wirtschaftlichen Produktentwicklung gerecht werden. Aber auch Kosteneffizienz und Wirtschaftlichkeit der Produktentwicklung standen auf der Agenda.

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Nach der Begrüßung von Konstruktionspraxis-Chefredakteurin Ute Drescher ging es auch direkt los mit dem Programm: Die erste Keynote – „Wie erfolgreiche Unternehmen heute entwickeln und konstruieren“ – hielt Matteo Mottin von Bonfiglioli S.p.A. Der italienische Hersteller von Getrieben und Antriebselektronik ist in den Märkten für Erdbewegung, Straßenbau, Agrar und Materialhandhabung unterwegs und mit einem Marktanteil von 35 Prozent Weltmarktführer bei Windturbinen. Mottin schilderte anhand der Entwicklung ihrer Antriebsplattform für Nutzfahrzeuge, wie die Entwicklungsabteilung aufgestellt ist. Bonfiglioli setzt unter anderem viel auf Simulation und das interdisziplinäre Co-Engineering.

Ohne Live-Simulation geht bald nichts mehr

Anschließend war Dirk Franzmann von der Plasmatreat GmbH mit seinem Vortrag „Live-Simulation im Konstruktionsprozess: Nur ein Hype oder der nächste Level?“ auf der Bühne. Für Franzmann war die Antwort auf diese Frage klar, Live-Simulationen können die Entwicklungszeiten verkürzen, die Produktionsprozesse effizienter machen und die Produkte optimieren. Simuliert wird nämlich bereits seit 50 Jahren, aber schnelle Simulationen bieten nochmal ganz andere Möglichkeiten. Das liegt nicht zuletzt an der gestiegenen Rechenpower, Prozessoren sind heutzutage mit mehr als 50 Milliarden Transistoren ausgestattet. Natürlich wird die Live-Simulation nicht alles Bisherige ersetzten, stattdessen betonte Dirk Franzmann: „Live-Simulation will die Experten-basierte Simulation nicht abschaffen, es geht um die Ergänzung, kein ‚entweder, oder‘, sondern ein ‚sowohl als auch‘“.

Der Einsatz von Simulation in der Produktentwicklung wird zum Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsstärke unverzichtbar werden.

Dr. Ulrich Kaiser, ehem. Director Technology, Endress+Hauser

Im gleichen Themenfeld sprach anschließend auch Dr. Ulrich Kaiser mit seinem Vortrag „Live-Simulation in der Konstruktion bei Endress+Hauser: Simulationskultur als Schlüssel für hohe Akzeptanz“. Der Vortrag mit Best-Practice Beispiel richtete sich direkt an die Konstrukteure auf Management-Ebene und die häufig vernachlässigte Aufgabe, effektiv Wandel im Arbeitsablauf durchzusetzen, Stichwort Changemanagement. Damit gilt es sich zu befassen, denn ohne diesen wird der Konstrukteur der Zukunft abgehängt, „der Einsatz von Simulation in der Produktentwicklung wird zum Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsstärke unverzichtbar werden!“ Bei manchen Unternehmen sei der Produktionsprozess durch schnelle Simulation so viel effektiver gemacht worden, dass der Bau eines einzigen Prototypen ausgereicht hätte.

Jeder soll in Zukunft simulieren

Dabei betont Ulrich Kaiser, dass diese neuen Anforderungen eben nicht nur für einige wenige in den Betrieben gelten, sondern für jeden einzelnen Konstrukteur: „Die bisher hauptsächlich von einschlägigen Spezialisten auf spezieller Hardware genutzten Simulationsmethoden sollen auch von ‚normalen‘ Ingenieuren und Konstrukteuren genutzt werden können.“ Konkret bedeutet das für Unternehmen einige Veränderungen im Arbeitsablauf, zum Beispiel sollen Pool-Lizenzen eingeführt werden, sodass jeder Zugriff auf nötige Tools zur effektiven Live-Simulation hat und nicht nur ein kleiner Expertenkreis.

Doch nicht nur die Arbeitsprozesse der Konstruktion an sich werden sich verändern, auch das „Wie“ steht vor einem Umbruch. Zsolt Engli setzte in seinem Beitrag „Engineering im Team: Keine Angst vor der Cloud“ begonnen beim Zeichenbrett die aktuellen Umbrüche in den geschichtlichen Kontext. Zwar mag der Wandel vom Zeichenbrett hin zum 2D-CAD bis zum modernen CAD gravierender erscheinen, doch auch jetzt steht ein Umbruch bevor. Der Wechsel weg von lokaler Rechenpower und Desktopanwendungen, hin zum Konstruieren in der Cloud, SaaS (Software as a Service) bietet aus seiner Sicht großes Potential.

Keine lokale Rechenpower mehr nötig

Dieses Potenzial demonstrierte Martin Meingassner vom Hirschvogel Innovation Center zusammen mit Ludwig Haas von Inneo Solutions im Vortrag „Best-Practice: Cloud-basiert konstruieren mit Onshape“ beim Konstruktionsleiterforum auch live. Dass die Demo authentisch und ganz ohne Skript war, ist direkt zu Beginn klar gewesen: Die bei der Anmeldung abgefragte 2-Faktor-Identifizierung zeigte den hohen Sicherheitsstandard der Cloud-Lösung. Martin Meingassner zeigte kurz das Interface der CAD-Software und bearbeitete ein Projekt.

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Das alles geschah wohlgemerkt auf einem kleinen, handelsüblichen Laptop ohne große Rechenpower, denn die Leistung kommt aus der Cloud: „Wenn alles in der Cloud stattfindet, dann reden wir von Software as a Service“, sagte Meingassner dazu. Letztendlich wird in Zukunft in CAD-Projekten genauso gearbeitet, wie heute in Word-Dateien. Das alles ist durch redundante Serverstrukturen auch noch besser gegen Datenverlust abgesichert, als es die lokale Arbeit ist. „Wir brauchen mit einem Software-as-a-Service-System keine lokale Rechenpower mehr. Man loggt sich in das Programm ein und kann mit jedem Laptop oder sogar Smartphone über CAD auf die Rechenpower zugreifen“. Einzige Voraussetzung ist dabei ein Web-Browser.

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Künstliche Intelligenz hilft bei jedem Produkt

Von der Realisierung über SaaS-Systeme spannte Tobias Wigand von der RLE MOBILITY GmbH & Co. KG mit seinem Vortrag „KI-gestütztes Engineering“ den Bogen schließlich zur Künstlichen Intelligenz. So mancher möge sich dabei Fragen, warum das Buzzword ‚Künstliche Intelligenz‘ nun auch im Kontext der Konstruktion fällt.

Mir ist bisher noch kein Produkt begegnet, was zu komplex für KI-gestützte Hilfe ist.

Tobias Wigand, ehem. Technical Unit Leader - Product Development Artificial Intelligence, RLE MOBILITY GmbH & Co. KG, jetzt Elise GmbH

Wigand erläuterte den Usecase von KI aus verschiedenen Perspektiven: Zum einen steigt die Komplexität von Komponenten, Funktionen und Interaktionen seit etwa 20 Jahren exponentiell an. Zum anderen ist der Fachkräftemangel gravierend und wird sich auch so schnell nicht verbessern. Bei diesen Herausforderungen kann also nur Künstliche Intelligenz und Technologie helfen. Kritiker werfen oft ein, dass manche Produkte zu schwierig für KI-gestützte Arbeit sind, erläuterte Wigand. „Mir ist bisher jedoch noch kein Produkt begegnet, was zu komplex für KI-gestützte Hilfe ist“.

Derselben Meinung ist auch Dr. Moritz Maier von der Elise GmbH. Er brachte dem Publikum in seinem Vortrag näher, „wie Generative Engineering den Übergang vom dokumentenbasierten zum modellbasierten Engineering möglich macht“. Auch er sieht große Chancen darin, den Konstrukteuren ihre Zeit freizuschaufeln, schließlich verbringt ein Ingenieur beispielsweise 40 Prozent der Zeit in Meetings. Hier soll Generative Engineering in Zukunft unterstützen, die KI hilft eben bei jedem Prozess: „Wenn eine KI in einem kleinen Prozess trainiert ist – was ist eine gute, was ist eine schlechte Schweißnaht – dann kann sie ganz schnell Lösungen für neue Modelle finden“. Selbst die komplexesten Konstruktionen lassen sich auf kleinere Prozesse herunterbrechen und damit von KI unterstützen.

Wir möchten als Ingenieure modellbasiert arbeiten – und nicht immer von vorne anfangen müssen

Dr. Moritz Maier, Mitgründer und Co-Geschäftsführer, Elise GmbH

Maier führte das Beispiel SpaceX an, der US-amerikanische Raketenhersteller hat mittlerweile tausende von Prozesse für die KI optimiert, wodurch von Konstruktion bis zum fertigen Bauteil oftmals 48 Stunden ausreichend sind. Dass trotz dieser enormen Geschwindigkeit die Qualität sogar gesteigert wird, liegt daran, dass bei knapper Budgetierung im herkömmlichen Verfahren irgendwann eine Deadline kommt – das zu dem Zeitpunkt beste Design wird folglich verwendet, aber lange nicht das optimale. Maier ist fest davon überzeugt, dass Generative Engineering die Zukunft ist: „Wir haben es mit Kunden geschafft, im Schnitt etwa 76 Prozent der Entwicklungszeit zu verringern“.

Qualität und Kosteneffizienz widersprechen sich nicht

Zeit ist Geld – das gilt gerade in den aktuellen Zeiten mehr denn je. Professor Dr. Klaus-Uwe Moll zeigte in seinem Vortrag „Kostenfallen in der Konstruktion vermeiden“ auf, wie ein Produkt wirtschaftlich sinnvoll entwickelt werden kann. Denn trotz aller technischer Anforderungen, darf auch die wirtschaftliche Seite nicht vergessen werden. „Ein Produkt muss sich selbst finanzieren“, das ist Molls Devise, Mischkalkulationen funktionieren meist nicht. Deshalb gilt es den Perfektionismus zu überwinden: „Schauen sie auf das Smartphone, was sie in der Hand haben. Ist das fertig entwickelt? Oder ein Zwischenstand? Eigentlich ein Zwischenstand, man merkt schnell es gibt noch Verbesserungspotenzial“. Doch eben diese Zwischenstände gilt es auf den Markt zu bringen, womit sich das Produkt dann wirklich rechnen kann.

Workshops rundeten das Programm ab

Wie echte Multiphysik-Simulation für alle möglich wird und welche Vorteile das für den Produktentstehungsprozess hat, zeigten Dr. Thorsten Koch und Serjoscha Hylla von der Comsol Multiphysics GmbH in einem Workshop. Die Teilnehmer lernten, wie voll funktionsfähige Simulations-Apps in Comsol erstellt werden.
In einem zweiten Workshop wurde zielorientiertes Vorgehen in der Konstruktion im Rahmen eines angepassten Projektmanagements beleuchtet. Michael Ristau von MR360 zeigte, wie Projektmanagement einen großen Beitrag zum Erfolg eines Konstruktionsvorhabens haben kann.

KI schlägt Schulungen vor

Anschließend ging es mehr in die Praxis der Konstruktion, das aber immer noch unter dem Stichwort der Kosteneffizienz: Professor Dr. Paul Nebeling zeigte in seiner Präsentation, „Wie ein mechatronischer Konstruktionsprozess Technologie und Wirtschaftlichkeit optimiert“. Nebeling war es vor allem wichtig zu betonen, dass die einzelnen Systeme nicht isoliert betrachtet werden können: „Ich kann in Maschinen dann Geld sparen, wenn ich das Gesamtsystem ganzheitlich betrachte, das funktioniert nur im Zusammenspiel; also Mechanik, Steuerung und Regeltechnik, Informatik/Software und Elektrik/Antriebe.“

Zum Abschluss des lehrreichen Tages beim Konstruktionsleiter-Forum warf Thomas Nelius, Leiter der Forschungsabteilung am Institut für Produktentwicklung vom Karlsruher Institut für Technologien (KIT), einen Blick auf die Konstrukteure von morgen. Im Programmpunkt „Design for Manufacturing – Konstruieren datengetrieben erforschen und skalierbar vermitteln“ erklärte er, wie die Studenten am KIT praxisnah konstruieren lernen. „Wir können in jedem Jahr 1000 Studierenden zeigen, was es heißt zu konstruieren, und das nicht nur in CAD zu machen, sondern auch mit dem Material“. Auch hier fiel wieder das Stichwort KI, so kann diese dem Konstrukteur in modernen Tools nicht mehr nur Optimierungspotenzial aufzeigen, sie zeigt sogar die passenden Schulungsinhalte zur Thematik.

* Felix Haas ist Volontär bei der Vogel Communications Group

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