Supercomputing Mit schnellen Rechnern zu schnellen Autos
Der Rennwagenhersteller Dallara, Champion u.a. in der Formel E, der Formel 3 und bei den Indy-Car-Rennen, setzt für die Entwicklung seiner Flitzer auf Supercomputer von Lenovo und kombiniert Leichtbau, Aerodynamik und Fahrzeugdynamik so sehr erfolgreich - ein Besuch im italienischen Motorvalley.
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Der Kontrast ist bemerkenswert beim Anblick der italienischen Rennwagenschmiede Dallara, die sich - eingebettet in die wilde Romantik der Emilia Romagna zwischen mittelalterlichen Städten, Kirchen und Klöstern - modern und aerodynamisch zeigt. Vor dem Gebäude, der Dallara Academy, steht ein blau schimmernder Rennwagen und läßt Besucher staunen. Es ist der Dallara Stradale, das erste straßenzugelassene Fahrzeug von Dallara Automobili.
Luxus-Sportwagen demonstriert Kompetenzen
Es wurde am 16. November 2017, dem 81. Geburtstag des Unternehmensgründers Giampaolo Dallara präsentiert. Der Sportwagen ist in drei Karosserievarianten – als Coupé, als Roadster und als Variante ohne Türen und Scheiben – zu Preisen ab 184.450 Euro erhältlich und auf 600 Stück limitiert. Gebaut wird der Sportwagen im italienischen Varano de’ Melegari, der Heimat von Giampaolo Dallara. Eigentlich sind Straßenfahrzeuge nicht die Spezialität des Unternehmens und so soll der Wagen hauptsächlich die Kompetenzen des Unternehmens zeigen, das ursprünglich in der Hauptsache ein Rennwagenstall war: Leichtbau, Aerodynamik und Fahrzeugdynamik.
Der Werdegang von Giampaolo Dallara
Gegründet wurde das Unternehmen 1972 von dem Luftfahrtingenieur Giampaolo Dallara. Zunächst hatte er bei verschiedenen Fahrzeugherstellern versucht, seinen Traum von der Entwicklung eines Rennwagens zu realisieren. Dabei liest sich die Liste seiner Arbeitgeber wie das Who is Who der italienischen Sport- und Rennwagenhhersteller:
- 1959: Giampaolo Dallara, frisch von der Universität, startet bei Ferrari.
- 1961: Giampaolo Dallara wechselt zu Maserati.
- 1963: Giampaolo Dallara beginnt für Lamborghini, damals noch spezialisiert auf Traktoren. Dort sollte er einen Motor für die Formel 1 entwickeln, was ihm auch gelang. Nebenbei konstruierte er noch einen revolutionären Sportwagen mit Löchern im Chassis für weniger Gewicht und transaxialem Heckmotor.
- 1969: Er arbeitet für De Tamaso und ist endlich mit der Entwicklung eines Rennwagens betraut, leider geht das Unternehmen bankrott.
- 1970: Giampaolo Dallara entwickelt in Eigenregie den VDM.
- 1972: Giampaolo Dallara gründet sein Unternehmen Dallara Automobili.
Ein Hidden Champion im Sport- und Rennwagenbereich
Dallara entwickelt, konstruiert und produziert Chassis für zahlreiche Rennsportklassen. In der Formel 3, der Indy-Car-Series, der GP3-Serie, der Formel V8 3.5 und der Formel E werden nahezu ausschließlich Dallara-Fahrgestelle verwendet; in der Formel 1 hingegen ist Dallara trotz mehrerer Anläufe der Durchbruch bislang nicht gelungen. Mittlerweile ist das Unternehmen auf mehr als 700 Mitarbeiter angewachsen und hat mehrere Fertigungsstätten. Dass der Name Dallara nicht jedem sofort ein Begriff ist, liegt an der Strategie des Unternehmens - Business to Business. Zahlreiche namhafte Sportwagenhersteller arbeiten mit Dallara zusammen, über die wenigsten darf gesprochen werden. Zu den Kunden zählen Ferrari, Lamborghini und Bugatti.
Dallara Automobili ist vielseitig
60 % seines Umsatzes generiert Dallara aus dem Racing, 40 % stammen aus dem Bereich Engineering. Denn beispielsweise entwickelt Dallara auch Leichtbau-Hexapoden. Auf diese Weise schöpft Dallara laut Dr. Andrea Pontremoli, seit 2007 CEO von Dallara, seine Kernkompetenzen, die über die Jahre entstanden sind, voll aus: "We sell what we know". Und das ist:
- Leichtbau: Die Chassis sind alle aus CFK gefertigt. Das Material wird gekauft, aber das Schichten machen die Ingenierure bei Dallara selbst im DARC (Dallara Advanced Composite Research Center.
- Aerodynamik: Für die Entwicklung kommt CFD-Software sowie der eigene Windkanal zum Einsatz.
- Fahrzeugdynamik: Im eigens entwickelten Fahrsimulator werden die verschiedenen Modelle der Simulationen zu einer Echtzeit-Simulation zusammengeführt.
Geschwindigkeit prägt die Arbeit bei Dallara
Aktuell wird die Arbeit bei Dallara vor allem durch eines geprägt - Geschwindigkeit. "Im Moment befinden wir uns in einer sehr komplexen Transition, nicht weil sie so komplex ist, sondern weil sie so schnell ist: Geschwindigkeit verändert unsere Art zu arbeiten", erklärt Dr. Andrea Pontremoli. Ein wesentlicher Baustein, um mit dieser Geschwindigkeit mithalten zu können, sind Simulationen. Giampaolo Dallara erklärt: "Nur dank Simulation kann Dallara auch Fehler machen, ohne gleich Bankrott zu gehen." Früher war das undenkbar: "Es gab Zeiten, da hätten wir eine Simulation laufen lassen und mit dem Ergebnis in etwa 300 Jahren rechnen können", erzählt Dr. Andrea Pontremoli schmunzelnd. Dank des technologischen Fortschritts und Supercomputing werden bei Dallara aktuell 1,3 Billionen Zellen in zwei Stunden berechnet. Dabei kommt HPC bei Dallara an verschiedenen Stellen im Entwicklungsloop zum Tragen.
Wie ein Entwicklungsloop abläuft
- Eine Chassisentwicklung beginnt mit dem Konzept und den Anforderungen, die sich durch die Regularien ergeben. Im Anschluss folgt die Leichtbau-Konstruktion des Chassis aus CFK. Dass Dallara das Material selbst verarbeitet, wird beim Rundgang spätestens beim Anblick der Vakuumkammern, der Öfen und auch durch den in der Luft liegenden Geruch deutlich. In der modernen Fertigungshalle im DARC sind überall Chassis-Teile und entsprechende Formen zu sehen. Hinter verschlossenen und alarmgesicherten Türen befindet sich im DARC auch das monströse Rechenzentrum: Bei konstanten 20 Grad werden hier 1,3 Billionen Zellen in zwei Stunden verarbeitet.
- Nach der Entwicklung der Modelle kommt mit der Aerodynamik der zweite Schritt des Entwicklungsloops. Dabei wird zum einen CFD-Simulation mit Ansys und Open-Foam eingesetzt, zum anderen werden die Modelle auch im hauseigenen Windkanal auf Herz und Nieren geprüft. Vorteil des Windkanals ist, dass in deutlich weniger Zeit Ergebnisse gewonnen werden, und zwar sind in 20 Minuten 80 verschiedene Positionen möglich. Bei der zeitaufwändigeren CFD-Simulation hingegen wird aber umfassenderes Wissen über die Entstehung und die Ursachen von Turbulenzen erzeugt.
- Im Anschluss folgt die Königsdisziplin der Simulation: der Fahrsimulator. Als wir in unserem Rundgang den Raum betreten, läuft gerade eine Fahrsimulation. Der Raum ist abgedunkelt, damit der Fahrer nur die virtuelle Rennstrecke vor ihm wahrnimmt. Blitzartig und rasend schnell bewegt sich der Simulator. Dieser wurde 2011 gebaut und wird mit allen mathematischen Simulationsmodellen (basierend auf Lösungen von Dassault Systèmes und Open-Source-Software) gefüttert. So entsteht ein Echtzeitsystem, in dem die Fahrer die Rennwägen testen können, lange bevor auch nur ein einziges Teil davon gebaut wurde. Der Simulator erreicht eine Beschleunigung von 2G. Aus den gewonnen Daten wird, auch mit Hilfe Künstlicher Intelligenz, wertvolles Wissen über das Fahrzeug gewonnen.
- Im Anschluss geht das Projekt in die Produktion und das Testen.
Ein Entwicklungsloop dauert in der Regel 9 Monate, wobei es laut Dallara in Einzelfällen und unter Zeitdruck auch vorkommt, dass ein Rennwagen direkt aus der Simulation heraus produziert und eingesetzt wird.
Technik von Lenovo im Einsatz bei Dallara
Dallara hat in Zusammenarbeit mit einem Team von Lenovo Professional Services und zwei lokalen Technologiepartnern einen Next-Scale-Cluster implementiert, der auf Intel-Xeon-Prozessoren und einer softwaredefinierten Speicherlösung basiert, die auf Data-Core-SAN-Symphony auf Lenovo-Servern ausgeführt wird. Das Unternehmen implementierte dann zehn weitere Lenovo-Server als Grundlage für seine VDI-Umgebung. Die Lösungen im Überblick:
- Hardware: Lenovo Next Scale M5 with Intel-Xeon-Prozessoren, Lenovo Storage V3700 V2, Lenovo Rack Switch G8052
- Software: Lenovo X-Clarity, Data-Core SAN-Symphony, IBM Spectrum Scale, Red Hat Enterprise Linux
- Services: Lenovo Professional Services
* Monika Zwettler, Redakteurin konstruktionspraxis
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