Ferrofluid-Experiment auf der ISS Mikrofluidik im Weltraum
Die Raumfahrt bietet Möglichkeiten der Forschung und Erweiterung von Erkenntnissen in einer nahen kosmischen Umgebung. Eine große Herausforderung stellt dabei das Verhalten von Flüssigkeiten im All dar.
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Das Experiment „Pump Application using Pulsed Electromagnets for Liquid reLocation“ (PAPELL) war Teil des Überflieger-Wettbewerbs des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Rahmen dieses Wettbewerbs konnten Studenten verschiedene Experimente zur Durchführung auf der Internationalen Raumstation ISS vorschlagen.
Ein Team aus Stuttgart, bestehend aus Mitgliedern der studentischen Kleinsatellitengruppe der Universität Stuttgart (KSat e.V.) mit Betreuung des Instituts für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart, konnte die Jury mit ihrer Einreichung überzeugen.
Die Idee der Stuttgarter: ein Experiment zur Untersuchung von Ferrofluidverhalten in Schwerelosigkeit zum Zweck der grundlegenden Technologiedemonstration von mechanikfreien Fluidaktuatoren/Pumpensystemen und zur Überprüfung der Manipulationsmöglichkeit und -Zuverlässigkeit von Ferrofluiden in Mikrogravitationsbedingungen der ISS.
Ziel des Experiments: Mithilfe der gewonnenen Ergebnisse können Prinzipien für Aktuatoren geschaffen werden, die ohne Mechanik funktionieren und damit verschleißfrei, langlebig und zuverlässig ihren Dienst verrichten können. In diesem Zusammenhang sollte die Funktionalität einer Ferrofluid-Pumpe unter Mikrogravitation untersucht werden.
Vertrauen in die Konstruktion
Nachdem das Experiment ausgewählt worden war, begann die Arbeit des Teams. Dabei erwies sich die Konstruktion als eine besondere Herausforderung, die viel Vertrauen in die ausgewählten Komponenten erforderte: Schließlich mussten alle Komponenten in einer nahezu schwerelosen Umgebung zuverlässig autonom arbeiten. Für das Experiment war es notwendig, alle Systeme in einer kompakten Experimentbox mit den Kantenmaßen 10 cm x 10 cm x 15 cm unterzubringen. Diese Box umfasste sowohl Elektronik und die Stromversorgung als auch alle mechanischen und fluidischen Komponenten.
Viele der darin enthaltenen Komponenten wurden mit Hilfe moderner 3D-Druck-Verfahren wie z.B. Metall-Laser-Sintern konstruiert. Die Wissenschaftler entwarfen das interne Batteriesystem, um es ideal auf die Anforderungen abzustimmen. Die Elektronik umfasste selbst entworfenen Platinen sowie handelsübliche Raspberry-Pi-Computer, Lithium-Polymer-Batterien, Raster mit handelsüblichen Elektromagneten und LEDs zur Beleuchtung bestand. Darüber hinaus ergänzten SMD-Bauteile zur Messung von Temperatur, Magnetfeld, Vibration und Geräusch(en) und Raspberry-Pi-Kameras zur optischen Aufnahme die Sensorik des Systems.
Robuste Mikropumpe im Einsatz
Für die Ferrofluidführung wurden selbstentworfene Blasentanks, raumfahrtqualifizierte Ventile und eine mp6-Membran-Mikropumpe von Bartels Mikrotechnik verwendet. Die kleine, leichte und sehr robuste mp6-Mikropumpe diente zum Transport von Ferrofluid aus Blasentanks in die jeweiligen Experimentbereiche.
Mit jeweils zwei Piezoaktoren baute diese Pumpe Drücke von etwa 800 mbar auf und konnte präzise Flussraten von wenigen ml/Min erreichen. Durch die elektronische Steuerung der Spannung und der Betriebsfrequenz der Piezoaktuatoren wurde der für die jeweiligen Experimente notwendige Transport des Ferrofluids eingestellt. Diese Betriebsparameter wurden durch entsprechende Kalibrierung bestimmt.
Typische Flussraten und Gegendrücke für bestimmte Medien (Werte bestimmt mit mp-x: 100 Hz, 250 V, SRS):
- Regelbare Flussrate Wasser 8 µl/min – 8000 µl/min
- Typ. Flussrate Wasser 6 ml/min
- min. Gegendruck Wasser 500 mbar
- Typ. Flussrate Luft 20 ml/min
- Typ. Gegendruck Luft 80 mbar
Die Bewegungen der Ferrofluide wurden bei ihrer Manipulation durch Magnetfelder über ein Kamerasystem erfasst und abgespeichert. Über eine USB-Schnittstelle erfolgte mittels der ISS-Systeme die Kommunikation zur Erde.
Mikrogravitations-Forschung
Im Rahmen der Tests, die von dem deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst betreut wurden, wurden die Parameter bestimmt, die notwendig sind, unter diesen Bedingungen die gewünschten Operationen durchzuführen. Dabei ist es erfolgreich gelungen, Ferrofluidtropfen zu erzeugen, zu bewegen, zu spalten und auch wieder zu verschmelzen. Effekte, die auf Oberflächenspannung, Viskosität und Magnetfeldgeometrie basieren, sind in einer Mikrogravitionsumgebung wie sie auf der ISS herrscht, stärker ausgeprägt. Deshalb wurden Transportprozesse beobachtet, die bisher nicht auf der Erde reproduziert werden konnten.
Künftige Experimente sollen untersuchen, in welchem Ausmaß Ferrofluide in Kombination mit anderen Fluiden und Festkörpern für die Herstellung mechanikfreier Komponenten genutzt werden können oder besondere Effekte unter die Lupe nehmen, wie z.B. die Rosensweig-Instabilität, bei der Ferrofluide charakteristische Stacheln bilden.
Im Anschluss an die Erkenntnisse aus dem PAPELL-Experiment wird derzeit die Entwicklung von Lageregelungssystemen auf Basis von zirkulärer Ferrofluidbewegung vorangetrieben. Ein solches System kann ohne Mechanik die Ausrichtung eines Raumfahrzeugs steuern.
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