Arbeitsschutz Kollaborierende Roboter sicher machen
Kollaborierende Roboter arbeiten künftig Hand in Hand mit dem Menschen. Risikobeurteilungen und Messungen sollen sicherstellen, dass von der Kraft eines etwaigen Zusammenstoßes keine Gefahr ausgeht. Unabhängige Messungen wie durch Tüv Süd Industrie Service sind dabei unverzichtbar.
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Mensch und Roboter rücken zusammen. Das gilt nicht nur im Service, sondern auch in der Industrie. Cobots sind flexibel einsetzbar und benötigen deutlich weniger Arbeitsfläche als die bisher eingezäunten und fest verankerten Industrieroboter.
Mit der Auflösung der räumlichen Trennung und dem direkten Kontakt von Mensch und Roboter steigt die Gefahr, verletzt zu werden. Um das zu vermeiden, ist bereits bei der Konstruktion eine Risikobewertung notwendig. Neben dem Roboter muss dabei auch das am Roboterarm angebrachte Werkzeug, gegebenenfalls bewegte Objekte sowie der geplante Anwendungsbereich berücksichtigt werden.
Wenn Roboter auf Mensch trifft
Grundlegend ist die ISO-Norm 10218 für Industrieroboter. Sie definiert u. a. vier Arten der Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) und die dahinterstehenden Sicherheitskonzepte:
1. Handführung mit reduzierter Geschwindigkeit
Die Bewegung des Menschen wird aufgenommen und verstärkt. Die Bewegungssteuerung ist unmittelbar und bleibt durch reduzierte Maximalgeschwindigkeit kontrollierbar.
2. Stopp bei Zutritt zum Kollaborationsraum
Der Roboter führt seine Aufgabe selbsttätig durch und stoppt, sobald der definierte und durch Sensoren überwachte Kollaborationsraum betreten wird. Nach Verlassen dieses Raumes läuft der Roboter selbständig wieder an.
3. Abstandsüberwachung
Die Umgebung des Cobots wird in seiner Bewegung dynamisch überwacht. Je nach Grad der Annäherung eines Menschen wird die Geschwindigkeit reduziert. Das Unterschreiten des Mindestabstands löst den Sicherheitshalt aus.
4. Begrenzung der Energie und Kraft
Die Energie- und Kraftbegrenzung kommt insbesondere in den Szenarien der MRK zum Einsatz, in denen Mensch und Cobots eng zusammenarbeiten müssen und das Risiko eines Kontakts am Höchsten ist. In diesem Fall muss die Leistung des Roboters soweit reduziert werden, dass es zu keinen Verletzungen kommen kann.
Grenzwerte für Kraft und Druck
Exakte Grenzwerte legt die ISO 10218 jedoch nicht fest. Hier wurde in der Praxis bisher vor allem den Empfehlungen des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) gefolgt. Die kürzlich erschienene Technische Spezifikation ISO/TS 15066 erweitert und konkretisiert die ISO-Norm und definiert biomechanische Grenzwerte für 29 Körperregionen, die auf Untersuchungen zum Schmerzempfinden basieren.
Für die Risikobewertung sind die Kräfte und Drücke im Falle eines Zusammenstoßes zu bestimmen. Das IFA empfiehlt den Einsatz eines biofidelen Messgerätes. Auch Tüv Süd Industrie Service verwendet solche Messgeräte. Dabei werden in einen Kraftaufnehmer verschiedene Federn eingebaut, deren Konstanten die unterschiedlichen Körperregionen simulieren. So lässt sich ermitteln, welche Kräfte bei einem Aufprall auf den Menschen wirken. Das Design und die Integration des Roboters sind wichtig, um die Grenzwerte einzuhalten. Je nach Einsatzgebiet kann es sinnvoll sein, Teilumhausungen zu installieren oder Bewegungsbereiche und Verfahrwege zu begrenzen. So können besonders empfindliche Regionen wie Kopf und Nacken als Trefferzonen ausgeschlossen werden. Abgerundete Kanten und größere sowie gepolsterte Trefferflächen wirken sich ebenfalls positiv aus. Auch ältere Systeme können über eine Begrenzung der Geschwindigkeit kompatibel gemacht werden, sofern die Steuerung die Anforderungen der ISO 10218 Kapitel 5.4 („Sicherheitsbezogene Leistungsfähigkeit des Steuerungssystems“) erfüllt.
Bringt ein Hersteller einen Cobot in Verkehr, sind nicht nur die üblichen technischen Unterlagen laut EG-Maschinenrichtlinie anzugeben. Zusätzlich erforderlich sind die biomechanischen Grenzwerte (Kraft und Druck) für die Kontaktsituationen. Zwar ist die Technische Spezifikation keine Norm und quasi noch in der Erprobungsphase. Jedoch bietet sie eine Anleitung zum bestmöglichen Schutz der Mitarbeiter auf dem neuesten Stand der Forschung. Die Erfahrungen sollen darüber hinaus in die Aktualisierung der ISO 10218 einfließen. (kj)
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