European Rover Challenge Kettenfahrwerk von Rover mit Gasdruckfedern optimiert
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Bei der European Rover Challenge 2022 in Polen konkurrierten weltraumtaugliche mobile Roboterplattformen um die Plätze in verschiedenen Kategorien. Darunter auch der Mars-Rover ARES des Frankfurt Robotics Science Team, dessen Fahrwerk dank Gasdruckfedern von ACE alle Unebenheiten meisterte.

Ein Mars-Rover rumpelt und schaukelt über die hügelige, steinübersäte Marslandschaft, stoppt, nimmt eine Bodenprobe mithilfe seines Roboterarms, orientiert sich neu und setzt seine Mission fort – unter den Augen von zahlreichen Teilnehmern und Besuchern des European Rover Challenge (ERC) 2022. Diese jährlich stattfindende internationale Raumfahrt- und Robotikveranstaltung verbindet den Wettbewerb der Mars-Rover für Hochschulteams mit wissenschaftlichen und technologischen Vorführungen.
Herausforderungen echter Marsmissionen
Am Austragungsort des ERC-Finales im polnischen Kielce hatten sich im September 2022 an drei Tagen 19 der weltweit besten Hochschulteams aus fast allen Kontinenten zusammengefunden, um sich in den verschiedenen Kategorien des Wettbewerbs zu messen. Der ERC fand auf einer Strecke statt, deren Oberfläche von einem Abschnitt der Marsebenen Utopia Planitia und Elysium Planitia inspiriert war. Die von den Juroren vorbereiteten Aufgaben spiegelten die Herausforderungen echter Marsmissionen wider: Navigation über „Marsgelände“, Erkundung und Dokumentation der Marsoberfläche, Sammeln von Bodenproben, Einsatz des Rover-Arms, um Knöpfe und Elemente an einem Panel zu bedienen und Präsentation des Projekts vor einer Jury.
Mit von der Partie war auch 2022 wieder das (Frankfurt Robotics Science Team (FRoST)) mit Mars-Rover. Die akademische Beschäftigung an der Frankfurter Frankfurt University of Applied Sciences (UAS) mit einem Roboter, der über eine sogenannte Ground Station aus der Ferne gesteuert wird und verschiedene Aufgaben im Rahmen einer unbemannten Mars-Mission erfüllen kann, begann im Jahr 2018. Professor Dr. Karsten Schmidt, Leiter des Master-Studiengangs Mechatronik und Robotik sowie Prodekan des Fachbereichs Informatik und Ingenieurwissenschaften an der Frankfurt UAS gründete seinerzeit mit Studierenden das FRoST.
Bereits ein Jahr später nahm das Team mit seinem ersten Mars-Rover namens Horizon XIX an der European Rover Challenge (ERC19) teil. Angespornt durch tolles Teamwork und ein herausforderndes Wettbewerbsumfeld starteten die Studierenden 2020 mit der Entwicklung ihres neuen ARES getauften Rovers. Das Akronym steht für Advanced Robotic Exploration System: ein halbautonomer Roboter, der ferngesteuert per Greifarm unter anderem Bodenproben entnehmen und diese zugleich über ein kleines chemisches Nasslabor an Bord analysieren kann. Seine Energie erhält ARES über ein Solarpaneel. Unter anderem kann der Roboter über eingebaute Kameras seine Position bestimmen und, mit einem einzigartigen Kettenfahrwerk ausgestattet, auch in unwegsamem Gelände seine Aufgaben zuverlässig erfüllen.
Optimiertes Fahrwerk für ideale Geländegängigkeit
Damit ARES eine möglichst ideale Geländegängigkeit erzielt und seine wertvollen Komponenten so gut es geht geschützt sind, beschäftigte sich das Team früh mit der Optimierung des Fahrwerks. Die Studierenden hatten sich zu Beginn ihrer Konstruktionsarbeiten für Gasfedern aus dem Modellbau entschieden, die sich aber schnell von den Federkräften her als zu schwach erwiesen. Im Zuge der Weiterentwicklung sollten idealer Weise Gasdruckfedern eingesetzt werden, die neben der bekannten Funktion der Geschwindigkeitsregulierung zudem Stöße möglichst erschütterungsfrei dämpfen und unnötige Vibrationen vermeiden können.
Konstruktionsphase 1: Gasdruckfedern mit 60 mm Hub als idealer Kompromiss
Auf der Suche nach professionellen Maschinenelementen, welche die benötigten Federkräfte mit kompaktem Bauraum und geringem Gewicht vereinbaren, stießen die FRoST-Rechercheure auf die ACE Stoßdämpfer GmbH. Die erste Marktsondierung fand vor der Nutzungsphase des ersten Mars-Rovers Horizon XIX statt und basierte zum einen auf den gemachten Erfahrungen mit Komponenten aus dem Modellbau; zum anderen flossen die im Praxiseinsatz ermittelten Auslegungsdaten mit Kräften von 170 N, 190 N und 230 N in den Auswahlprozess mit ein. Dieser erfolgte zunächst über die Homepage von ACE. Dort sind im Bereich der Geschwindigkeitsregulierung auch Industrie-Gaszug- und -Gasdruckfedern zu finden.
Auf schnellstem Weg zur richtigen Gasdruckfeder
Weil das zur Stabilus-Gruppe gehörende Unternehmen dort seit Jahren auch eine intuitiv zu bedienende Smart-Sizing-Software (siehe Kasten) anbietet, konnten die Studierenden schnell sechs Industrie-Gasdruckfedern des Typs GS-15-60 als für ihre Applikationen am besten geeignet ausmachen sowie entsprechend der oben genannten Ausschubkräfte auslegen und bestellen.
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Gasfedern und Ölbremsen
Geschwindigkeitsregulierung im Hochleistungssport
Stellvertretend für das Team blickt Lukas Probsthain, Teil der Teamleitung, zurück: „Die Produkte von ACE waren für uns der perfekte Kompromiss zwischen den zu schwachen Modellbaufedern und anderen zu starken und zu schweren Industrieprodukten.“ So konnte man sich beim Einbau der Federn auf die angegebenen Kräfte verlassen und sich sicher sein, dass der 102 kg wiegende, von zwei bürstenlosen Gleichstrommotoren (BLDC) angetriebene Horizon XIX auch in rauem Terrain bestens gefedert unterwegs war.
Industriegasfedern
Ventiltechnik und Komplettservice inklusive
Die anhand des Kettenfahrwerks vorgestellte Lösung illustriert die gute Regulierbarkeit der Industrie-Gasdruckfedern mit 15 mm Durchmesser von ACE. Dieser Wettbewerbsvorteil erklärt sich vor allem durch die individuelle Befüllbarkeit der Industriegasfedern mit Stickstoff dank der bei allen Lagertypen von ACE verwendeten Ventiltechnik. Mit deren Hilfe lassen sich die Kräfte je nach Kundenwunsch mit einem Füllkoffer vor Ort genau der jeweiligen Anwendung durch Ablassen oder Nachfüllen von Stickstoff anpassen.
Die Spezialisten von ACE unterstützen Kunden zudem jederzeit mit telefonischer Beratung und Auslegung oder mit direkter Hilfe bei kundenspezifischen Lösungen. Online erfolgt der Service zum einen über Mail oder Chat, zum anderen wählen Kunden wie FRoST verstärkt den Weg über Gasfeder-Berechnungs- und -Konfigurationstools.
Interessenten gelangen auf diesem Weg zügig zum für ihre Anwendung maßgeschneiderten Maschinenelement. Dabei werden die optimal passende Industriegasfeder und das benötigte Montagezubehör angegeben. Zudem lässt sich mit Hilfe des Tools eine Montageskizze generieren. Nach Bestellung im Online-Shop werden die Komponenten in Langenfeld noch mit Stickstoff befüllt und in der Regel binnen 24 Stunden ausgeliefert.
Konstruktionsphase 2: Zusätzliche Gasdruckfedern für flexible Federwege
Nach den Erfahrungen mit dem Horizon XIX und einer Teilnahme an den European Rover Challenges 19, entschloss sich das Team während der pandemiebedingt wettbewerbsfreien Jahre 2020 und 2021 zu der Neukonstruktion des ARES. Auch bei diesem setzen die Konstrukteure wieder als einzige in der Konkurrenz auf ein Kettenfahrwerk und BLDC-Antrieb für außerordentlich gute Off-road-Mobilität. Im Gegensatz zum Vorgänger werden die zahlreichen im ARES verbauten Hightech-Komponenten allerdings nun von einem Space-frame aus Aluminiumvierkantrohren und nicht mehr von Schnellbauprofilen getragen. Diese und andere Neuerungen sorgen dafür, dass ARES, je nach Beladung, mit 48 kg bis 62 kg nur noch knapp die Hälfte des Rahmengewichts vom Horizon XIX auf die Waage bringt.
Den FRoST-Spezialisten gelang es zudem dank modernster Bauteile und deren noch höherer Integration die Dimensionen ihres neuen Rovers um gut 30 % im Vergleich zum Vorgänger zu reduzieren – was eine veränderte Fahrwerkskonstruktion und Auslegung erforderte.
Wir haben nun zusätzliche Gasdruckfedern von ACE im Einsatz, da sich die Geometrie des Fahrwerks geändert hat und wir auch diese Komponenten anpassen mussten. Außerdem haben wir bei den Wettbewerben 2022 Gasdruckfedern mit unterschiedlicher Länge verwendet, um unser Fahrwerk noch besser einstellen zu können.
Im konkreten Fall bedeutet dies: Neben den sechs Industrie-Gasdruckfedern vom Typ GS-15-60 aus dem Jahr 2019 werden jeweils zwei Vertreter der Typen GS-15-20 und GS-15-100 genutzt.
In der Nomenklatur von ACE zeigt
- die erste Ziffer den Durchmesser,
- die zweite den Hub an,
was gleichzeitig erklärt, dass die GS-15-20 beidseitig an den hinteren Laufrollen verwendet werden, weil sie dort mit ihrem kürzeren Federweg gleichzeitig als Endanschlag für den Schwinger fungieren.
Die GS-15-100 hingegen kommen an der vorderen Umlenkrolle zum Einsatz und sind mit ihrem größeren Federweg dafür zuständig, die Umfangsänderungen des Fahrwerks beim Einfedern auszugleichen. Manuel Messner fügt erläuternd hinzu: „Die bewährten sechs GS-15-60 setzen wir für die restlichen Laufrollen ein, um Bodenfreiheit und Stabilität zu gewährleisten. Auch die von ACE mitgelieferten Gelenkköpfe waren bereits 2019 Bestandteil unserer Konstruktion. Wir haben für ARES lediglich die Lagerschuhe eliminiert, um Gewicht und Bauraum zu sparen.“
Perfektes Training für die Ingenieurkarriere
Auf diese Weise mit ihrem Rover ARES bestens präpariert und bereits qualifiziert, wollten die jungen Wissenschaftler der Frankfurt UAS erstmals gemeinsam mit Studierenden der in Kochi, im indischen Bundesstaat Kerala ansässigen Partnerhochschule Rajagiri School of Engineering & Technology (RSET) im Februar 2022 an der International Rover Challenge (IRC) teilnehmen. Da diese Veranstaltung in Chennai, Indien, aufgrund der Covid-Situation verlegt werden musste, entschied sich die 13-köpfige FRoST-Delegation, zusammen mit fünf RSET-Kommilitonen bei der European Rover Challenge im September 2022 an den Start zu gehen.
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Faszination Technik
Wie Gesteinsproben auf dem Mars analysiert werden
Die Teilnahme an diesem Wettkampf im polnischen Kielce war für das Team ein großer Erfolg: von den sich bewerbenden 64 Mannschaften gelang es nur 19 Gruppen aus sieben Ländern, sich zu qualifizieren. Am Ende holte das internationale Team den Sieg in der Kategorie „Best Team in Maintenance On-Site“, ein Award, der für den besten industriellen Qualitätsentwurf von Software und Hardware vergeben wurde. Und außerdem errangen die Studierenden den 7. Platz in der Gesamtwertung für das gesamte Rover-System.
Im Frankfurt Robotics Science Team arbeiten Studierende aus verschiedenen Studiengängen gemeinsam daran, kreative technische Lösungen im Bereich der Robotik zu entwickeln. Dabei setzen sie nicht nur ihr theoretisches Wissen etwa aus Elektronik, Programmierung oder Mechanik in der Praxis ein, sondern bauen auch ihre Team- und Kommunikationsfähigkeiten aus – eine gute Vorbereitung fürs spätere Berufsleben.
„Wir sind sehr stolz auf unser erfolgreiches Abschneiden bei der European Rover Challenge. Der Wettbewerb war für unser Team ein spannendes Ereignis, bei dem das gesamte System auf die Probe gestellt wurde. Es ist unglaublich, was das Team geleistet hat, und wir freuen uns sehr, dass sich die Mühen gelohnt haben“, so das Fazit von Teamleiter Lukas Sohlbach.
Fahrwerkskonstrukteur Manuel Messner bestätigt: „Wir haben in der technischen Entwicklung die richtigen Grundlagen gelegt, auf denen wir mit Blick auf künftige Wettbewerbe aufbauen können.“
Hochschule
Frankfurt University of Applied Sciences
Mit rund 6.000 Studierenden ist der Fachbereich 2: Informatik und Ingenieurwissenschaften der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) der größte der vier Fachbereiche der Hochschule. Er umfasst die drei Lehreinheiten Elektrotechnik, Informatik und Maschinenbau und bietet neben 14 Bachelor- auch 9 Master-Studiengänge an. Gelehrt und geforscht wird praxisnah in 38 Laboren und Werkstätten.
Zu den vielfältigen Forschungsfeldern gehören dabei Themen wie Biomechanik, Erneuerbare Energien, Hadronenphysik, Mensch-Technik-Interaktion oder auch Vakuum- und Beschichtungstechnik.
Der Fachbereich Informatik und Ingenieurwissenschaften ist regional und international gut vernetzt und kooperiert intensiv mit Unternehmen aus der Rhein-Main-Region. Zudem pflegt der Fachbereich aktive Partnerschaften mit Hochschulen wie der Metropolia University of Applied Sciences (Finnland), der Plymouth University (England), der Rajagiri School of Engineering and Technology (Indien) und der Universidad de Cádiz (Spanien). In Kooperation mit den Partnerhochschulen und im Rahmen des Promotionszentrums Angewandte Informatik werden jedes Jahr mehrere Promotionen abgeschlossen.
* Robert Timmerberg M. A., Fachjournalist (DFJV), plus2 GmbH, Düsseldorf, Deutschland
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