Keramik Keramische Beschichtung einfach aufspritzen
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Eine spanische Werkstoffingenieurin und ein indonesischer Materialwissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, mit dem Keramiken ohne Schmelzpunkt durch thermisches Spritzen als Schutzbeschichtung aufgebracht werden können. Damit sind dünnere, leichtere und länger haltbare industrielle Beschichtungen möglich.

Keramikbeschichtungen sind aus der Industrie nicht mehr wegzudenken. Die Schicht schützt das Bauteil vor Korrosion, Verschleiß und isoliert es elektrisch und thermisch. Die keramische Beschichtung wird oft eingesetzt, um die Standzeit von Werkzeugen und Anlagen zu verlängern und damit die Kosten zu senken. Um die keramischen Schichten abzuscheiden, stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung wie das Vakuumbeschichtungsverfahren und das thermische Spritzverfahren. Die Wahl des geeigneten Beschichtungsverfahrens hängt von der gewünschten Funktionalität der keramischen Schicht, des Beschichtungswerkstoffs, der Bauteilgeometrie sowie der Schichtdicke ab. Bisher fiel die Wahl bei dicken Schichten (über 20 µm) auf Spritzverfahren und bei dünneren Schichten (unter 20 µm) auf Vakuumbeschichtungen. Zu den Vakuumbeschichtungsverfahren zählen:
- die physikalische Gasphasenabscheidung (Physical Vapour Deposition, PVD)
- die chemische Gasphasenabscheidung (Chemical Vapour Deposition, CVD)
- die Beschichtung mit dem Sol-Gel-Verfahren
Die anodische Oxidation gilt als Spezialfall der Keramikbeschichtung.
Thermische Spritzverfahren hingegen beruhen auf dem Prinzip, dass der Beschichtungswerkstoff aufgeschmolzen wird und sich die geschmolzenen Partikel mit hoher Geschwindigkeit auf der zu beschichtenden Oberfläche abscheiden.
Wie lässt sich Siliziumkarbid schmelzen?
Siliziumkarbid (SiC) eignet sich aufgrund seiner Eigenschaften für die industrielle Beschichtung. Er ist hart, leicht und extrem widerstandsfähig. Aber: SiC-Beschichtungen herzustellen ist teuer und in der Praxis nur eingeschränkt einsetzbar: Die Beschichtung muss in einer Vakuumkammer auf die Oberflächen aufgebracht werden. Damit sind auch auf die Größe und Art der Komponenten, die damit beschichtet werden können, Grenzen gesetzt. Zudem ist SiC nicht schmelzbar, sondern wird bei Erhitzung gasförmig. Somit fällt auch das thermische Spritzen als eine Methode weg, da dabei pulverförmiges Material erhitzt und auf eine Oberfläche gespritzt wird.
Wenn ein Material keinen Schmelzpunkt hat, kann es im Prinzip nicht für das thermische Spritzen verwendet werden, und das hat mich fasziniert.
Obwohl das thermische Spritzen als preiswerter gegenüber der Vakuumkammer gilt und damit eine größere Anzahl von Objekten beschichtet werden können, ist diese Methode für Keramiken ohne Schmelzpunkt nicht umzusetzen, da sie bei hohen Temperaturen eher verdampfen als schmelzen. Diese Wissenslücke wollte die spanische Chemikerin, Werkstoffingenieurin und Universitätsprofessorin Nuria Espallargas schließen. In ihrer Promotion in Materialwissenschafen und Metallurgietechnik versuchte sie eine Lösung zu finden: „Wenn ein Material keinen Schmelzpunkt hat, kann es im Prinzip nicht für das thermische Spritzen verwendet werden, und das hat mich fasziniert. Ich wollte herausfinden, wie man dieses Problem lösen kann, weil für diese Materialien der Markt für thermisches Spritzen begrenzt ist.“ Ihr Vorhaben wurde mit Skespsis aufgenommen, denn es waren bereits große Unternehmen der thermischen Spritzindustrie damit gescheitert.
Lösung: Siliziumkarbidpartikel mit Yttrium-Aluminium-Granat umhüllen
2010 stellte sie Fahmi Mubarok, ein indonesischer Materialwissenschaftler und außerordentlicher Universitätsprofessor, als Doktoranden ein. Er sollte erforschen, wie Siliziumkarbid thermisch gespritzt werden kann. Der Durchbruch kam nach unzähligen Versuchen und einem Gespräch mit Kollegen: Espallargas und Mubarok erkannten, dass die Siliziumkarbidpartikel mit etwas geschützt werden mussten, das zwei Funktionen gleichzeitig erfüllen konnte: „Es musste die Fähigkeit haben, das Siliziumkarbid vor hohen Temperaturen zu schützen und gleichzeitig das Siliziumkarbid zu binden, um eine Beschichtung zu bilden“, erläutert Mubarok.
Einen solchen Schutz der Partikel gab es für das thermische Spritzen bereits auf dem Markt für andere Werkstoffe. Allerdings wurde es nicht für Keramiken ohne Schmelzpunkt verwendet. Espallargas und Mubarok fanden einen Weg, die Keramikpartikel mit Yttrium-Aluminium-Granat (YAG) zu umhüllen. Dabei handelt es sich um ein kristallähnliches Material, das die Keramik schützt und als Bindemittel fungiert. So erreichten sie, dass das aufgespritzte Material an Oberflächen haften bleibt und eine Beschichtung bildet. 2012 gelang es den beiden Wissenschaftlern, ein thermisch spritzbares Siliziumkarbidpulver, das ThermaSiC, herzustellen, das dauerhafte Beschichtungen erzeugt.
Anwendungen in Auto- oder Zugbremsen möglich
Dass Espallargas und Mubarok das bis dahin scheinbar unlösbare Problem überwunden hatten, ließ auch die Luft- und Raumfahrtindustrie aufhorchen. Das Spin-off Seram Coatings, eine Ausgründung aus der Norwegischen Universität der Wissenschaft und Technologie, arbeitet an einem Projekt der Europäischen Weltraumorganisation mit. Dabei soll getestet werden, wie gut die ThermSiC-Beschichtungen dem Abrieb durch Sand auf dem Mond und dem Mars widerstehen können. Auch in anderen Bereichen werden die Beschichtungen aktuell getestet, beispielsweise als Anwendungen in Auto- oder Zugbremsen, Werkzeugen für die Glasherstellung und Ausrüstungen für die Metallgewinnung.
Mehrere andere Branchen, insbesondere Glas-, Walzen- und Druckmaschinenhersteller, sind ebenfalls an der kommerziellen Nutzung des neuen Verbundwerkstoffs interessiert. Seram Coatings arbeitet mit führenden Walzenherstellern in den USA und in Japan zusammen, aber auch mit einem großen britischen Druckmaschinenunternehmen, das die Beschichtung noch in diesem Jahr auf den Markt bringen will, um die Oberfläche von Walzen zu behandeln, die Papier verarbeiten.
Bis heute hat Seram Coatings fast eine Million Euro in den Bau einer eigenen thermischen Spritzanlage investiert, die es dem Unternehmen ermöglicht, Beschichtungen für Kunden vor Ort herzustellen und zu testen, ohne auf Einrichtungen Dritter zurückgreifen zu müssen. Das Forschungs- und Entwicklungsteam des Unternehmens arbeitet ständig an neuen Versionen von ThermaSiC und neuen Produkten mit dem Ziel, neue Märkte zu erschließen. In den nächsten acht bis zehn Jahren sieht Seram Coatings das Potenzial, 225.000 kg ThermaSiC pro Jahr zu verkaufen und damit etwa 2,9 % des Weltmarktes für keramische Rohstoffe für thermische Spritzbeschichtungen abzudecken.
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