Normensteckbrief DIN EN ISO 14119 Verriegelungseinrichtungen in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen
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Die EN ISO 14119 legt als Nachfolgenorm der EN 1088 Leitlinien für die Gestaltung und Auswahl von Verriegelungseinrichtungen in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen fest. Als eine grundlegende Neuerung muss etwa die Ansteuerung der Zuhaltung jetzt als Sicherheitsfunktion betrachtet werden.

Ersetzte Norm(en): DIN EN 1088:1995+A2:2008
Kategorie: B2 Norm nach ISO 12, Sicherheitsfachgrundnorm für Schutzeinrichtungen
- Maßnahmentyp: steuerungstechnisch, nicht-trennend
- Sicherheitskonzept: Räumliche Trennung durch Vermeidung der Zugänglichkeit in Verbindung mit Überwachung der Schutzeinrichtung
Kurzübersicht
Diese Norm legt Leitlinien für die Gestaltung und Auswahl von Verriegelungseinrichtungen (Sicherheitsschalter mit und ohne Zuhaltung) in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen fest. Die Anforderungen sind dabei unabhängig von der Energieart. Sie enthält Anforderungen speziell für elektrische Verriegelungseinrichtungen und umfasst auch diejenigen Teile von trennenden Schutzeinrichtungen, die Verriegelungseinrichtungen betätigen (z.B. Nocken, Reflektoren, Magnete). Außerdem behandelt die Norm Maßnahmen, mit denen das noch immer häufig praktizierte und verbotene Umgehen von Schutzeinrichtungen und deren Verriegelungseinrichtungen verhindert werden soll.
Was jeder Konstrukteur wissen sollte
- Den Unterschied zwischen Verriegelung und Zuhaltung.
– Eine Verriegelung ist eine Einrichtung, welche die Ausführung von gefahrbringenden Maschinenfunktionen unter bestimmten festgelegten Bedingungen verhindern muss, solange eine trennende Schutzeinrichtung geöffnet ist.
– Eine Zuhaltung ist eine Einrichtung, die eine trennende Schutzeinrichtung (z.B. eine Schutztür) solange in ihrer geschlossenen Position hält bis alle gefahrbringenden Maschinenfunktionen beendet wurden. Ein typischer Anwendungsfall hierfür sind Maschinen, die nach dem Abschalten nachlaufen.
- Bei der Auswahl der geeigneten Verriegelungseinrichtung mit oder ohne Zuhaltung sind grundsätzlich alle Lebensphasen der Maschine (EN ISO 12100) zu betrachten.
- Trennende und nichttrennende Schutzeinrichtungen dürfen nicht auf einfache Weise umgangen oder unwirksam gemacht werden können.
- Grundlegende Maßnahmen gegen vorhersehbare Manipulationen an Verriegelungseinrichtungen müssen getroffen werden.
- Das Öffnen einer zugehaltenen Schutztür muss der Bediener durch das Betätigen eines Tasters o.ä. über die Sicherheitssteuerung der Maschine anfordern.
- Verriegelungseinrichtungen müssen so eingebaut werden, dass die Position während des Betriebs nicht verändert werden kann. Das gilt für die gesamte Lebensdauer der Maschine.
- Schalter und Betätiger müssen so befestigt sein, dass sie sich nicht von selbst lösen können.
- Steuerungstechnisch gesehen erfüllen Verriegelungseinrichtungen meistens zwei unterschiedliche Sicherheitsfunktionen:
– das unmittelbare Abschalten der gefährlichen Zustände (z. B. Bewegungen) beim Öffnen der Schutzeinrichtung
– den Schutz gegen den unerwarteten Anlauf einer Maschine
Kern-Anforderungen
- 1. Die Norm unterscheidet bei Verriegelungseinrichtungen vier verschiedene Bauarten:
a. Bauart 1: unkodiert mechanisch betätigt
b. Bauart 2: kodiert mechanisch betätigt
c. Bauart 3: unkodiert berührungslos wirkend
d. Bauart 4: kodierte berührungslos wirkend
- 2. Es gibt drei Kodierungsstufen von Betätigern. Die Kodierungsstufe ist eine wichtige Maßnahme gegen die Manipulation von Sicherheitseinrichtungen. Je höher die Kodierung, desto aufwändiger und damit unwahrscheinlicher wird die Manipulation.
a. niedrig (Es sind bis zu 9 unterschiedliche Betätiger verfügbar)
b. mittel (Es sind 10 bis zu 1000 unterschiedliche Betätiger verfügbar)
c. hoch (Es sind mehr als 1000 unterschiedliche Betätiger verfügbar)
- 3. Die geeignete Verriegelungseinrichtung mit oder ohne Zuhaltung sollte nach folgenden Gesichtspunkten ausgewählt werden (vergl. EN ISO 12100, 5.3,5.4,5.5,6.2.1 und EN ISO 13849-1, 8.1):
a. der bestimmungsgemäßen Verwendung der Maschine
b. der Risikoeinschätzung aus der Risikobeurteilung und des daraus resultierenden Performance Levels
c. der Nachlaufzeit des Gesamtsystems und der Zugangszeit zur Gefährdung
- 4. Eine Maschine muss grundsätzlich so gestaltet sein, dass Anreize zum Umgehen von Verriegelungseinrichtungen auf ein Minimum reduziert werden (siehe ISO 12100:2010, 5.5.3.6). Um ein solches Umgehen auf vorhersehbare Weise einzuschätzen und zu unterbinden schlägt EN ISO 14119 folgenden Ablauf vor (Siehe Bild 9 der EN ISO 14119):
a. Anwenden der grundlegenden Maßnahmen aus Kapitel 5 und 6 der Norm
b. Überprüfen, ob ein Anreiz zum Umgehen der Verriegelungseinrichtungen besteht.
c. Überprüfen, inwieweit der/die Anreize durch Maßnahmen nach 7.2 beseitigt oder minimiert werden können.
d. Weitere Maßnahmen treffen, wenn der Anreiz zum Umgehen weiterhin besteht.
- 5. Als mögliche Maßnahmen gegen das Umgehen von Verriegelungseinrichtungen werden folgende Möglichkeiten vorgeschlagen:
a. Vermeiden des Zugangs zu den Elementen der Verriegelungseinrichtung. Dies soll durch das Anbringen der Verriegelungseinrichtung außer Reichweite, der Absperrung oder Abschirmung der Verriegelungseinrichtung oder der Anbringung in versteckter Position erreicht werden.
b. Vermeiden der Ersatzbetätigung der Verriegelungseinrichtung durch sofort verfügbare Gegenstände. Dies soll durch die Verwendung von kodierten Betätigern mit mittlerer oder hoher Kodierungsstufe erreicht werden.
c. Vermeiden, dass die Elemente der Verriegelungseinrichtung abgebaut werden oder ihre Lage verändert werden kann. Dies soll durch die Verwendung von nicht-lösbaren Befestigungen erreicht werden.
d. Die Integration einer Umgehungsüberwachung in die Steuerung durch Zustandsüberwachung oder periodische Prüfung.
- 6. Der Hersteller muss eine Zuhaltung auswählen, deren Zuhaltekraft größer ist als die Kraft, die ein Mensch in der jeweiligen Körperhaltung und Kraftrichtung aufbringen kann. Die Zuhaltekraft muss überwacht werden, um zu bestimmen, ob die festgelegte Zuhaltekraft erreicht und aufrechterhalten wird (siehe 6.2.2 und Anhang I).
- 7. Je nach Anwendung können zusätzliche Möglichkeiten zum Entsperren der Zuhaltung nötig sein: Hilfsentriegelung, Notentriegelung oder Fluchtentriegelung. Die Anforderungen dazu findet man in Kapitel 5.7.5.
- 8. Verriegelungseinrichtungen mit oder ohne Zuhaltung sind sicherheitsbezogene Teile der Steuerung und damit nach EN ISO 13849-1 zu betrachten. Die Anforderung an die Zuverlässigkeit muss durch eine Risikoeinschätzung ermittelt werden.
Änderungen gegenüber der Vorgängernorm
- 1. Anders als in EN 1088 ist die Ansteuerung der Zuhaltung jetzt als Sicherheitsfunktion zu betrachten. Das bedeutet, dass eine Risikoeinschätzung durchzuführen ist, um den notwendigen PLr zu bestimmen.
- 2. Die Neufassung enthält viele praktische Hinweise auf die Sicherheitsfunktionen bei Verriegelungseinrichtungen mit und ohne Zuhaltung und erleichtert (um nicht zu sagen ermöglicht) damit die Anwendung von EN ISO 13849-1.
- 3. EN ISO 14119 nimmt die Forderung aus EN ISO 13849-2 auf, dass bei Einsatz von elektromechanischen Sicherheitsschaltern im Performance Level e der Bruch eines getrennten Betätigers als Fehler nicht ausgeschlossen werden darf.
* Benedikt Günzler, Fachreferent Sicherheitstechnik im Maschinenbau
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