Mikrofluidik Dank 3D-Druck zur individuellen Therapie
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Eine neuartige Kombination aus Stereolithografie und Inkjet-Technologie ermöglicht die Herstellung individualisierter Arzneimittel und wirkstofffreisetzender Implantate, die auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten werden können.

Moderne 3D-Druck-Verfahren ermöglichen die schnelle und wirtschaftliche Fertigung individualisierter Bauteile. Die Medizintechnik ist eine Branche, die von der Möglichkeit der hohen Produktindividualisierung besonders profitiert. Im pharmazeutischen Bereich befindet sich die Technologie allerdings noch in einem frühen Stadium. So hat es bis zum Jahr 2015 gedauert, bis das erste 3D-gedruckte Arzneimittel von der US-amerikanischen Behörde für Lebens- und Arzneimittel zugelassen wurde [1]. Nichtsdestotrotz bietet die 3D-Druck-Technologie für Wirkstofffreisetzungssysteme weitreichende Potenziale, das Wirkstofffreisetzungsverhalten auf die individuellen Bedürfnisse eines Patienten anzupassen.
Schnell zum individuellen Bauteil dank 3D-Druck
Moderne 3D-Druck-Verfahren ermöglichen die schnelle und wirtschaftliche Fertigung individualisierter Bauteile. Die Medizintechnik ist eine Branche, die von der Möglichkeit der hohen Produktindividualisierung besonders profitiert. Im pharmazeutischen Bereich befindet sich die Technologie noch in einem frühen Stadium. So hat es bis zum Jahr 2015 gedauert, bis das erste 3D-gedruckte Arzneimittel in Form einer Tablette von der US-amerikanischen Behörde für Lebens- und Arzneimittel zugelassen wurde. Nichtsdestotrotz bietet die 3D-Druck-Technologie für Wirkstofffreisetzungssysteme weitreichende Potenziale, das Wirkstofffreisetzungsverhalten auf die individuellen Bedürfnisse eines Patienten anzupassen.
Neuartiges 3D-Druck-Verfahren entwickelt
Im Rahmen eines gemeinsamen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsvorhabens haben der Lehrstuhl für Mikrofluidik (LFM) der Universität Rostock und das Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) der Universitätsmedizin Rostock ein neuartiges hybrides, auf Stereolithografie und Inkjet-Technologie basierendes 3D-Druck-Verfahren entwickelt, das sich für die Herstellung von Wirkstofffreisetzungssystemen eignet, die über ortsselektiv eingebrachte und gezielt an ein Polymernetzwerk angebundene Wirkstoffdepots verfügen. Die Anzahl, Position und Größe der Wirkstoffdepots kann dabei frei bestimmt werden. Aufgrund des stereolithografischen Grundprinzips kann das Verfahren die gezielte chemische Vernetzung des Wirkstoffdepots mit dem polymeren Basiswerkstoff des Wirkstofffreistzungssystems ermöglichen. Alternativ lässt sich ein Wirkstoff ebenfalls ohne Vernetzung und chemisch unverändert in ein Depot einbringen.
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Lab-on-a-Chip
Mikrofluidik neu gedacht
Zielführende Kombination aus Stereolithografie und Inkjet-Technologie
Das technische Konzept vereint die Stereolithografie mit der Inkjet-Technologie zu einem neuen hybriden 3D-Druck- Verfahren. Bei der Stereolithografie wird ein im Ausgangszustand flüssiger, lichtempfindlicher Kunststoff durch Energie in Form von Licht einer bestimmten Wellenlänge Schicht für Schicht zu einem festen Bauteil ausgehärtet. Dabei erfolgt die Belichtung selektiv über einen Laserstrahl, der die zu belichtende Fläche abfährt. Es lassen sich hohe Auflösungen in der Belichtungsebene (xy-Richtung) als auch in der Höhe (z-Richtung) von wenigen Mikrometern erreichen, was die Stereolithografie zu einem der hochauflösensten 3D-Druck-Verfahren überhaupt macht. Darüber hinaus kann der Vernetzungsgrad oder die Kettenlänge des Polymernetzwerkes des späteren Bauteils durch verhältnismäßig einfache Anpassung der Zusammensetzung des Ausgangsmaterials beeinflusst werden. In der Folge ist eine Einstellung sowohl der mechanischen als auch der chemischen Eigenschaften des späteren Bauteils möglich.
Grenzen überwinden
Üblicherweise arbeiten stereolithografische 3D-Druckanlagen mit einer einzigen Materialwanne, in der sich das flüssige Ausgangsmaterial befindet und in der auch das spätere Bauteil entsteht. Bei herkömmlichen stereolithografischen Systemen wird zur Realisierung von wirkstoffbeladenen Bauteilen der Wirkstoff homogen im flüssigen Ausgangsmaterial gelöst [2]. Eine homogene Wirkstoffverteilung hat den Nachteil, dass der Einfluss auf das Freisetzungsverhalten limitiert ist, sowie der eingebrachte Wirkstoff initial sehr stark und im späteren Verlauf stark abgeschwächt freigesetzt wird.
Lokal im Bauteil positionierte Wirkstoffdepots und infolgedessen eine gezielte Einstellung der Diffusionswege für eine verzögerte oder richtungsselektive Wirkstofffreisetzung sind nicht möglich.
![Mithilfe von Kunststoffkügelchen und Künstlicher Intelligenz haben Wissenschaftler eine Methode entwickelt, pikolitergroße Tröpfchen zu sortieren. (©SITTIPONG – stock.adobe.com/ [M] MHerkersdorf) Mithilfe von Kunststoffkügelchen und Künstlicher Intelligenz haben Wissenschaftler eine Methode entwickelt, pikolitergroße Tröpfchen zu sortieren. (©SITTIPONG – stock.adobe.com/ [M] MHerkersdorf)](https://cdn1.vogel.de/P75PcmC5DSlsBivcF4pX7_AVAQI=/320x180/smart/filters:format(jpg):quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1619600/1619621/original.jpg)
Mikrofluidik
Künstliche Intelligenz sortiert Pikoliter Tröpfchen mit Bakterien
Ortsselektive Depot-Einbringung möglich
Um die bestehenden Grenzen zu überwinden, wurde der in Abbildung 1 dargestellte Prototyp einer hybriden 3D-Druck-Anlage entwickelt. Die Basis bildet eine selbst entwickelte MikroStereolithografie-Anlage [3], in die zwei piezoelektrische Inkjet-Druckköpfe (Nanotip, GeSiM – Gesellschaft für Silizium-Mikrosysteme mbH, Radeberg, Deutschland) integriert wurden. Diese Druckköpfe lassen sich über dem Baufeld der MikroStereolithografie-Anlage positionieren und dienen der ortselektiven Einbringung eines oder mehrerer Wirkstoffdepots in das 3D-gedruckte Stereolithgraphie-Teil. Als Ausgangsmaterial für den Stereolithografie-Prozess kommt Polyethylenglykoldiacrylat (PEGDA) versetzt mit dem Photoinitiator Lithium-Phenyl-2,4,6-trimethylbenzoylphosphinat (LAP) zum Einsatz.
Die Druckköpfe arbeiten nach dem Drop-on-Demand-Prinzip, d.h. eine gezielte Anzahl einzelner Tropfen mit einem Volumen im Bereich von 50 bis 500 pl können mit hoher Reproduzierbarkeit erzeugt und ortsgenau dosiert werden. Auf diese Weise lassen sich Wirkstofflösungen an beliebiger Stelle des Bauprozesses in den Baukörper inkorporieren. Nach Tropfenablage erfolgen die Vernetzung des Depots mit dem umgebenden Photopolymer und die Aushärtung.
Experimentelle Ergebnisse sind überzeugend
Die Anzahl, Größe und Position der Wirkstoffdepots kann frei und über eine beliebige Schichtanzahl im Baukörper gestaltet werden. Um dies zu demonstrieren, wurden experimentelle Untersuchungen zur Herstellung von Probekörpern mit einem Depot, mehreren Depots und unterschiedlich beladenen Depots durchgeführt. Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse: Alle Depots konnten erfolgreich realisiert werden. Aufgrund von Diffusionsvorgängen während des Eindruckens der Tinte wirken die Depotkonturen leicht verschwommen, was in der Anwendung jedoch keine große Auswirkung haben wird.
Der Mechanismus der diffusionsbasierten, zeitverzögerten Wirkstofffreisetzung wurde anhand eines weiteren Versuchs demonstriert, bei dem ein Probekörper mit zwei unterschiedlich großen Tintendepots (ca. 20 nl und ca. 40 nl Tinte) in ein Wasserbad eingelegt wurde. Abbildung 3 (a) zeigt das Untersuchungsergebnis nach zwei Wochen. Der Grundkörper quillt aufgrund seiner Hydrogel-Eigenschaften auf. Der in den Depots befindliche Farbstoff beginnt sich zu lösen und diffundiert in Richtung Oberfläche. Aufgrund des langen Diffusionswegs setzt er jedoch auch nach zwei Wochen keine sichtbare Tinte frei. Mit dieser Untersuchung konnte demonstriert werden, dass mit dem neuen Prozess erstmalig Wirkstofffreisetzungssysteme 3D-gedruckt werden können, die eine zeitverzögerte Wirkstofffreisetzung aufweisen. Abbildung 3 (b) liefert den Nachweis, dass sich das wirkstoffschonende Verfahren auch mit proteinbasierten Wirkstoffen durchführen lässt.
Ausblick
Das erfolgreich etablierte hybride 3D-Druckverfahren ermöglicht die Herstellung von Wirkstofffreisetzungssystemen mit integrierten Wirkstoffdepots. Die Vorrichtung und das Verfahren zur Herstellung der Wirkstofffreisetzungssysteme sind patentrechtlich geschützt [A][B]. In den nächsten Schritten muss das Verfahren für die spezifischen Anwendungen im Bereich der individualisierten Arzneimittel oder wirkstofffreisetzender Implantate weiterentwickelt werden.
* Robert Mau, Alexander Riess, Jan Konasch, Hermann Seitz Lehrstuhl für Mikrofluidik, Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik, Universität Rostock. Michael Teske, Natalia Rekowska, Thomas Eickner, Niels Grabow Institut für Biomedi-zinische Technik, Universitätsmedizin Rostock
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