Biomaterial Aus Miesmuscheln Werkstoffe mit steuerbarer Elastizität entwickeln

Redakteur: Dipl.-Ing. Dorothee Quitter

Erstmals ist es einer Forschungsgruppe der Universität Bayreuth gelungen, die Struktur und die Funktion eines Proteins aufzuklären, das in den Fäden von Miesmuscheln enthalten ist. Dieses Protein wurde als Ursache dafür identifiziert, dass der Faden der Miesmuschel unterschiedliche Grade der Elastizität aufweist und somit die Muschel in der Brandung optimal schützt. Dies eröffnet spannende Perspektiven für neuartige Biomaterialien, deren Elastizität sich mit hoher Genauigkeit steuern lässt.

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Miesmuschel auf einem Stein. Mit ihren Byssusfäden kann sie sich an festen Gegenständen in der Brandung festsetzen.
Miesmuschel auf einem Stein. Mit ihren Byssusfäden kann sie sich an festen Gegenständen in der Brandung festsetzen.
(Bild: Universität Bayreuth)

Muschelbyssus bezeichnet den Halteapparat aus dünnen beweglichen Fäden, mit denen sich Muscheln an Felsen, Holz oder anderen festen Gegenständen in der Brandung festsetzen. Sie wachsen aus dem Muschelfuß im Inneren der Muscheln und verfügen über besonders klebende „Füße“, die ein Wegrutschen ins offene Meer verhindern. Für die Byssusfäden der Miesmuschel ist es charakteristisch, dass ihre äußeren Enden viel steifer sind als die dem Muschelinneren nächstgelegenen, deutlich flexibleren Abschnitte. Dadurch sind die Fäden einerseits hinreichend fest, um den Strömungen des Wassers widerstehen zu können; andererseits sind sie zum Muschelinneren hin so flexibel, dass die weichen Muskeln der Muschel nicht verletzt werden.

Ursache für unterschiedliche Grade der Elastizität im Muschelfaden identifiziert

Wie die Forscher der Universität Bayreuth jetzt herausgefunden haben, ist eine allmähliche Änderung der Bestandteile der Proteinmatrix im Verlauf des Muschelfadens für die unterschiedliche Elastizität verantwortlich. Ein Faden enthält in seinem äußeren Ende nicht die gleichen Proteine wie in dem flexibleren, dem Muschelinneren nähergelegenen – und deshalb als „proximal“ bezeichneten – Abschnitt. Es gibt sogar ein Protein, das nur im proximalen Abschnitt enthalten ist. Und genau dieses Protein ist die Ursache für die ausgeprägtere Flexibilität dieses Fadenabschnitts. Seine Moleküle sind hier in hoher Zahl als winzige Abstandshalter zwischen den einzelnen Fibrillen angeordnet und bilden so einen wesentlichen Bestandteil der Matrix.

Spannende Perspektiven für neue Biomaterialien

Die biotechnologische Herstellung dieser Protein-Moleküle eröffnet spannende Perspektiven für die Entwicklung neuartiger Biomaterialien. In der Chirurgie werden bereits heute Implantate eingesetzt, die hauptsächlich aus Kollagen bestehen. Es wäre ein entscheidender Vorteil für die Patienten, wenn es möglich wäre, in künstliche Gelenke oder in künstliches Hautgewebe graduelle Übergänge von elastischeren zu festeren Bereichen einzubauen. Und nicht nur für medizinische Anwendungen, sondern beispielsweise auch für technische Textilien könnten sich die Proteine der Muschelfäden eines Tages als hochinteressante Bausteine erweisen. (qui)

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