Faszination Technik Wie eine Gebirgspflanze als Vorbild für einen Aktuator dient
In unserer Rubrik „Faszination Technik“ stellen wir Konstrukteuren jede Woche beeindruckende Projekte aus Forschung und Entwicklung vor. Heute: der feuchtigkeitsgetriggerte Polymer-Aktuator.
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Ramonda myconi, der Pyrenäen-Felsenteller, wächst in schattigen Spalten zwischen Kalkfelsen. Während die kleinen violetten Blüten was fürs Auge sind, haben es die Blätter in sich: Sie bestehen aus mehreren Schichten, von denen eine Wasser aufnehmen kann und dadurch aufquillt, während andere stabil bleiben. Bei extremer Trockenheit schwindet der Wasserspeicher und das Blatt wölbt sich. Kommen wieder feuchtere Zeiten, gewinnt das Blatt von alleine die ursprüngliche Form zurück.
Dieses Verhalten ist für die Materialwissenschaft interessant, und zwar bei intelligenten Bauteilen, die ein kontinuierliches reversibles Verhalten aufweisen sollen. Dies ist zum Beispiel bei weichen Roboter-Greifarmen der Fall, die Bewegungen viele tausend Malen ausüben sollen. Auch in der Biomedizin könnten sie genutzt werden.
Formgedächtnismaterial reagiert auf Luftfeuchte
Um zu solchen Materialien zu kommen, haben Forschungsgruppen um die Polymerchemikerin Prof. Sabine Ludwigs und den Mechaniker Prof. Holger Steeb an der Universität Stuttgart die physikalischen Eigenschaften und das mechanische Verhalten der Blätter von Ramonda myconi als Vorbild genommen und eine einfache Doppelschicht-Struktur aus Polymeren nachgebaut: ein Biegebalken, bei dem die Variation der Luftfeuchte die Krümmungsantwort auslöst. Da es sich um ein aktives (mechanisches) Bauteil handelt, spricht man von einem Aktuator.
Mathematisches Modell sagt Krümmung vorher
Nun testeten sie den Biegebalken unter verschiedenen Klimata und beschrieben, wie die unterschiedlichen Parameter die Wasseraufnahmefähigkeit, die Steifigkeit und letztendlich das Biegeverhalten beeinflussen. Diese Daten integrierten die Forschenden dann in ein mathematisches Modell, mit dem sich das mechanische Verhalten prognostizieren lässt.
Die Verbindung aus mechanischer Charakterisierung und einem einfachen analytischen Modell erlaubt die zuverlässige Vorhersage der Aktuatorkrümmung.
Künftig wollen die beiden Wissenschaftler ihre Forschung auf mehrlagige Strukturen sowie auf komplexere Geometrien erweitern. Zudem sollen neben der Feuchtigkeit auch andere Trigger wie etwa ein elektrisches Feld untersucht werden, mit dem die Veränderung angestoßen werden kann.
Zur Originalpublikation im Fachmagazin Advanced Materials
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