Elektrische Verbindungstechnik Wenn die Leitung mitdenkt
Wie können intelligente Leitungen zur vorausschauenden Wartung beitragen? Welche Technologien gibt es? Und wo lohnt sich deren Einsatz? Diese Fragen diskutierten wir mit Experten von VW und Leuze Electronic.
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Vier Autos pro Minute laufen bei VW in Wolfsburg vom Band. Ein ungeplanter Maschinenstillstand ist fatal. Denn in dieser Zeit baut das Unternehmen keine Autos. Zudem kann das Personal nicht beschäftigt werden und Lieferzeiten verzögern sich. Das verursacht hohe Zusatzkosten und verärgert Kunden, weil diese ihre Autos zu spät bekommen. Daher heißt das oberste Ziel in der Montage, Automatisierungs- und Prüftechnik bei VW: jederzeit möglichst 100%ig lauffähige Anlagen betreiben.
Sensible Stellen redundant ausgestattet
Um das selbsterklärte Ziel zu erreichen, stattet VW sensible Stellen in der Fertigungslinie mit Redundanz aus. Das heißt, Komponenten, die ausfallen könnten, sind funktionsgleich zusätzlich vorhanden und könnten blitzschnell getauscht werden. Bei VW sind vor allem Komponenten der Antriebstechnik und der zugehörigen Elektrik in Bereichen der Förder- und Hebetechnik betroffen. In der Linienfertigung müssen diese Anlagen anstandslos funktionieren, da sonst das Flussprinzip, dem diese Fertigungsart unterliegt, unterbrochen wird. Für spezielle Fälle gibt es zudem eine Strategie, die eingeleitet werden kann, wenn der Maschinenausfall droht. Auch mit der vorausschauenden Wartung – der Predictive Maintenance – haben die Autobauer in Wolfsburg schon Erfahrung gemacht, allerdings eher in Richtung Energieüberwachung. „Mit smarten Komponenten kennen wir uns noch nicht aus“, sagt Klaus Langer aus der Montage, Automatisierungs- und Prüftechnik bei VW.
Felix Düllo dagegen ist Experte für smarte Komponenten – um genau zu sein, für intelligente Sensorleitungen. Er ist Produktmanager beim Sensorhersteller Leuze Electronic. Zum Gespräch nach Würzburg hat er eine Technologie mitgebracht, die redundant aufgebaute Fertigungslinien überflüssig machen soll; zumindest was Sensorleitungen angeht. Klaus Langer und seine beiden Kollegen René Dorn und Jonas Schreiber sind nach Würzburg gekommen, um mit Leuze Electronic über diese Technologie zu diskutieren. Denn: „Jede Technik, die uns hilft, Fehler zu vermeiden ist nützlich für uns. Aber sie muss auch zu 100 % zuverlässig funktionieren“, bringt Langer gleich die Erwartungen als Anwender auf den Punkt. Die Experten von VW haben also genaue Vorstellungen von einem smarten Produkt.
Opferdraht sagt Aderbruch voraus
Die „Vorausschauende Wartung“ ist eines der Schlagwörter der Industrie 4.0. Laut einer Studie des Verbands deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. befassen sich 81 % der befragten Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau intensiv mit dem Thema; 40 % bieten entsprechende Technologien an. Allerdings steckt ein Großteil dieser neuen Ansätze noch in der Entwicklung. Allen gemeinsam ist das Ziel, Betriebszustände aus gesammelten Daten herauslesen und so den optimalen Wartungszeitpunkt voraussagen zu können, um einen ungeplanten Ausfall zu verhindern.
Auch bei Leuze Electronic soll die Leitung ihren Aderbruch und somit den vorprogrammierten Ausfall selbst voraussagen können. Dazu hat das Unternehmen eine 5-polige Sensorleitung mit Standard-M12-Steckverbinder mit vier Funktionsadern und einem Opferdraht ausgestattet. Dieser ist technisch so ausgeführt, dass er bricht, wenn die Leitung circa 80 % ihrer Lebensdauer erreicht hat. Der Anwender erhält dann über die Steuerung ein Signal und weiß somit, die Leitung muss getauscht werden. Da die vier weiteren Adern zu diesem Zeitpunkt funktionsfähig bleiben, können Wartungsintervalle frühzeitig eingeplant werden.
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Predictive Maintenance (Video)
Was die vorausschauende Wartung bringt
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Leitung
Intelligente Leitungen mit Smartcore-Technologie
Technologie für Steuerleitungen interessant
Die Experten von VW lassen sich die Technik en détail erklären und sind zunächst skeptisch. Denn bei VW sind Sensorleitungen eher in kurzen Strecken verbaut, kommen kaum in der Schleppkette oder anderen bewegten Anwendungen zum Einsatz. Der Ansatz wäre aber für lange Wege und Bereiche mit viel Bewegung interessant. „Vom Prinzip spricht nichts dagegen, die Technologie auch auf andere Leitungstypen zu übertragen“, sagt Ingo Baumgardt, Head of Sensor Communication bei Leuze Electronic, der sich ebenfalls am Gespräch in Würzburg beteiligt. Für VW wären beispielsweise Steuerleitungen interessant. Der Opferdraht müsste dann an den Kupferquerschnitt der Nutzleitung angepasst und die genauen Bedingungen in der Anwendung getestet werden. Beispielsweise müssten Torsion und Temperaturverläufe in die Entwicklung des Opferdrahtes einfließen, damit die Vorwarnschwelle von ca. 80 % möglichst präzise – und auf die spezielle Anwendung angepasst – erreicht wird.
Mehrkosten kleiner 30 % angestrebt
Ob dann allerdings die von Leuze Electronic angestrebten Mehrkosten kleiner 30 % noch eingehalten werden können, bleibt abzuwarten. Schließlich handelt es sich bei der Sensorleitung um ein Standardprodukt, das nicht diesen spezifisch zu untersuchenden Parametern unterliegt. Doch Felix Düllo betont auch: „Dies ist unser erster Ansatz. Wir wollten möglichst wenig Hardware einsetzen und einen Mehrwert daraus ziehen, dass wir einfach im Kabel ein bisschen mehr tun.“
Weitere Ansätze hat der Produktmanager aber bereits im Hinterkopf. Mithilfe einer externen Intelligenz, die an der Leitung angebracht wird, könnten über verschiedene Messverfahren weitere Parameter gesammelt und ausgewertet werden. Beispielsweise Übertemperatur, Überdehnung, Quetschung, Überdrehung und Abknicken. Die Experten von VW werden hellhörig. Denn gerade Dehnung und Quetschung machen in der Montage in Wolfsburg häufig Probleme. Interessant dabei wäre eine genaue Lokalisierung der Parameter in der Schleppkette, denn dann könnte man die Ursache dafür herausfinden und bekämpfen. Zudem würden die Experten von VW gerne den Mantelabrieb innerhalb einer Schleppkette möglichst einfach beobachten können. Denn dieser kann zu Verschleiß führen, was wiederum sporadische Kurzschlüsse verursachen kann.
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Sensorik
Intelligente E-Kette warnt vor Ausfall
Da der zweite Ansatz von Leuze Electronic auf einer komplexeren Technik basiert, könnten solche Überwachungen hier ebenfalls möglich sein. Dazu sind allerdings die Überlegungen noch nicht weit genug vorangeschritten. Felix Düllo verspricht aber, die Anregungen in die Entwicklung mitzunehmen, um an einer Lösung zu arbeiten.
Mit dem Ansatz der intelligenten Leitung hat Leuze Electronic den richtigen Riecher bewiesen, denn der Wunsch nach einer vorausschauenden Wartung wird in den nächsten Jahren deutlich steigen (s. Grafik). Und auch die Experten von VW sehen darin durchaus einen Mehrwert; vor allem für Branchen mit vielen bewegten Applikationen. Die Technik muss allerdings zuverlässig funktionieren und die passenden Parameter detektieren. Ob sich der Mehraufwand letztendlich lohnt, zeigt sich nur im jeweiligen Anwendungsfall.
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Steckverbinder und Reihenklemmen
Anschlusstechnik für eine intelligente Vernetzung
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Industrie 4.1
Anwenderkongress Produktion 4.1 – Starten, statt warten
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