Schrauben Warum lösen sich Schrauben?

Von Juliana Pfeiffer Lesedauer: 5 min

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Schrauben sind in vielen Branchen und Anwendungsbereichen das Befestigungselement der Wahl, vor allem, weil sie sich leicht demontieren lassen. Dadurch können sie sich aber auch von selbst losdrehen und die Vorspannkraft verlieren. Warum ist das so?

Was passiert, wenn Schrauben sich lösen, ist bekannt. Dennoch erfolgt die Prävention in der Regel experimentell und oft erst nach dem Vorfall.
Was passiert, wenn Schrauben sich lösen, ist bekannt. Dennoch erfolgt die Prävention in der Regel experimentell und oft erst nach dem Vorfall.
(Bild: Nordlock)

Eine lockere Schraube kann eine ganze Produktionsanlage zum Stillstand bringen und ein Unternehmen viel Geld kosten, ganz zu schweigen von dem Sicherheitsrisiko, das sie in einigen Anwendungen darstellt. Doch warum drehen sich Schrauben los?

Die zwei häufigsten Ursachen sind spontanes Losdrehen und Lockern. Beides führt dazu, dass die Vorspannung verloren geht und die Schraubenverbindung versagt. Spontanes Lösen tritt auf, wenn sich eine Schraube aufgrund äußerer Faktoren wie Vibration, Stöße und dynamischer Belastung (Biegung) löst. Dabei kann selbst eine leichte Drehung des Befestigungselements ausreichen, damit die Verbindung einen Großteil ihrer Vorspannung verliert.

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Dauerhaftes Verformen durch Setzen

Lockern wird durch drei Mechanismen ausgelöst: Setzen, Kriechen und Relaxation. „Das Setzen ist problematisch, wenn es durch dynamische Belastungen hervorgerufen wird. Dabei kommt es zu einer dauerhaften Verformung des eingespannten Materials, wenn die Schraubenverbindung dem erhöhten Druck dynamischer Belastungen ausgesetzt wird“, erklärt Marco Ziemons, Senior Expert bei der Nord-Lock Gruppe.

„Die meisten Teile einer Schraubenverbindung nehmen nach dem Lösen wieder ihre ursprüngliche Form an, sofern die Belastung in den Teilen nicht die jeweiligen Streckgrenzen überschritten hat. Einige Materialien an der Kontaktfläche verformen sich mit großer Wahrscheinlichkeit dauerhaft“, sagt Ziemons. „Selbst wenn sich das Material nur für ein paar Mikrometer setzt, nimmt die Dehnung der Schraube ab und führt zu einem Verlust der Vorspannkraft.“

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Kriechen ist eine bleibende Verformung aufgrund einer langfristigen Belastung durch hohe Beanspruchungen unterhalb der Streckgrenze der Materialien. Es ist bei Hochtemperaturanwendungen schwerwiegender. Relaxation ist eine Verformung des Materials aufgrund einer Kombination aus Belastung und Zeit, die eine Umstrukturierung der Mikrostruktur in den Materialien der Verbindung bewirkt. Es kommt häufig in weichen metallischen Materialien, Polymeren und Verbundwerkstoffen vor. Bei Relaxation ändert sich die Klemmlänge nicht. „Relaxation wird dadurch allerdings nicht erkannt, was die ganze Sache problematischer macht.“

Prävention erfolgt erst nach dem Losdrehen

Die Hauptursache, warum sich Schrauben lösen, hängt zudem stark vom Zweck der Schraubenverbindungen ab. Dabei spielt auch die Umgebung eine große Rolle. In manchen Branchen treten oft Korrosionsprobleme vor dem Lockern durch Materialermüdung oder dem Lösen durch Vibration ein. Andere Industrien hingegen würden wahrscheinlich selbsttätiges Losdrehen und Korrosion als ihre zwei größten Probleme nennen.

Auch wiederholt auftretende Relativverschiebungen zwischen den Kontaktflächen führt dazu, dass sich die Schraube oder Mutter allmählich losdreht. Die Vorspannkraft nimmt ab und führt damit zu einem Funktionsverlust der Verbindung. Die Auswirkungen sind bekannt, aber die Prävention erfolgt in der Regel experimentell und oft erst nach dem Vorfall.

Der Junkertest

Vor fast 60 Jahren nahm die Ursachenforschung des Losdrehens von Schrauben ihren Anfang. Der deutsche Ingenieur Gerhard Junker legte damals die Grundlage für moderne Methoden und Theorien rund um die Vermeidung von losdrehenden Schraubenverbindungen. Die von ihm verwendete Testmethode zur Bestimmung, an welchem Punkt sich ein Vibrationen ausgesetztes Befestigungselement losdreht, ist heute allgemein als Junkertest bekannt und wurde sogar zum internationalen Standard, beispielsweise in Form der DIN 65151.
Mit dem Junkertest nach DIN 65151 kann der Verlust der Vorspannkraft bezogen auf die Zeitdauer einer dynamischen Belastung aufgezeigt werden. Für das Prüfverfahren wird die zu testende Schraubenverbindung auf dem Prüfstand montiert und mit einer dynamischen Querbewegung der verspannten Teile belastet. Mittels einer Druckmessdose wird dabei die Vorspannkraft der Schraubverbindung kontinuierlich gemessen und aufgezeichnet, während die Schraubverbindung quer zur Schraubenachse unter konstanter Belastung steht. Dies ermöglicht nicht nur die Prüfung des entsprechenden Verbindungselementes, sondern erlaubt auch einen direkten Vergleich mit möglichen Alternativen.

Axialspannung zwischen den eingespannten Teilen erhöhen

Was also tun, um ein spontanes Lösen zu vermeiden? Dafür muss der Schlupf zwischen den miteinander verbundenen Teilen beseitigt oder zumindest auf einen Wert unter dem kritischen Niveau verringert werden. Dafür kann entweder die Axialspannung oder die Reibung zwischen den eingespannten Teilen erhöht werden. Aber auch das Verringern der zyklischen Belastung, wie Stoß, Schwingung oder zyklische thermische Belastung, kann ein spontanes Lösen vermeiden.

Ein weiteres übliches Verfahren ist, die Reibung zwischen den Schraubengewinden zu erhöhen. Hierfür gibt es eine Reihe von Lösungen. Obwohl einige davon tatsächlich funktionieren, haben alle aber auch ihre Nachteile. Eine wirksame Methode kann Klebstoff darstellen. Der getrocknete Klebstoff kann allerdings bei der Demontage und Entfernung der Schraube zum Problem werden. Darüber hinaus nimmt durch die erhöhte Reibung zwischen den Gewinden die erreichbare Vorspannkraft bei einem bestimmten Drehmoment ab.

Diese Materialermüdung beschädigt oder verformt eine Schraube und die eingespannten Teile dauerhaft. Sie entsteht durch einen Verlust der Vorspannkraft, der schließlich zum Öffnen der Schraubenverbindung führt.

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Nicht nur auf Zugfestigkeit konzentrieren

Um eine solche Materialermüdung zu vermeiden, ist eine gute Planung der Schlüssel. Diese hat in den letzten Jahren durch die erhöhten Anforderungen an viele Schraubenverbindungen und den verstärkten Einsatz von Leichtbaumaterialien an Bedeutung gewonnen. Es ist wichtig, sich nicht nur auf die Zugfestigkeit von Schrauben zu konzentrieren, denn dadurch können andere entscheidende Parameter wie Elastizität und Steifigkeit übersehen werden.

Laut Ziemons fokussieren sich Konstrukteure zu sehr auf Ausfälle, die Schraubenbrüche hervorrufen. Mittlerweile treten jedoch neue Ausfallmechanismen auf, da die Leistung der Schraubenverbindungen zunimmt und ihr Gewicht immer weiter reduziert wird. Die Mechanismen Relaxation und Losdrehen kommen gerade in leichten Konstruktionen immer häufiger vor.

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Nord-Lock hat zur Thematik „Warum lösen sich Schrauben?“ ein kostenloses E-Book veröffentlicht. Darin wird ein Blick auf die unterschiedlichen Technologien der Schraubensicherung geworfen.

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Je nach Schraube und Anwendung sowie Ursache des Vorspannkraftverlusts gibt es in der Regel mehrere Möglichkeiten eine Schraubenverbindungen zu gestalten.

  • Thermische Belastungen lassen sich optimieren, indem ein Werkstoff mit gleichem Wärmeausdehnungskoeffizient für die eingespannten Teile gewählt wird.
  • Um Setzerscheinungen während des Betriebs zu minimieren und eine hohe Vorspannkraft aufrechtzuerhalten, kann die Rauheit zwischen den Kontaktflächen verringert werden.
  • Maßnahmen wie feine Lochdurchmesser oder gezahnte Oberflächen begrenzen die Relativverschiebung auf ein Mindestmaß.

Grundsätzlich besteht eine gute Schraubenverbindung aus sehr elastischen Schrauben und äußerst steifen eingespannten Teilen. Erreichen lässt sich das auf verschiedene Arten. Eine Möglichkeit zur elastischen Verbesserung der Schraube ist die Wahl einer großen Klemmlänge. Bei einem Flansch, dessen Klemmlänge nicht zu groß sein darf, lassen sich mehr, dafür aber kleinere Schrauben einsetzen. „Das führt zu einer elastischeren Schraubenverbindung“, sagt Nord-Lock-Experte Marco Ziemons. 

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